𐫱 𝔎𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩 𝔡𝔯𝔢𝔦 𐫱

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Sie

Meine komplette Gefühlswelt ist in Aufruhr. Alles, was geschehen ist, fühlt sich so unreal an. Wie ein Alptraum. Oder nein, ich befinde mich im falschen Film.

Leider musste ich doch Bekanntschaft mit den Grievern machen. Ihr bedrohliches Knurren und die grässliche Fratze will mir nicht aus dem Gedächtnis gehen. Der schleimige Körper mit den ekelhaften Haaren und die langen Zähne, die aus dem sabbernden Maul ragen. Die Metallarme, die mit den unterschiedlichsten Waffen bestückt sind. Spritzen, Greifarme, Sägen und Messer. Grauenhafte Ausgeburten, die wie Aliens aussehen und nichts anderes im Sinn haben, als uns zu töten.

Und der Schuss, der durch diesen zerstörten Raum donnerte, hallt noch immer in meinem Kopf nach. Dieser Schuss, ausgelöst von einem ungesund wirkendem Jungen mit raspelkurzen Haaren und schwarzen Augen, nahm das Leben des unschuldigen Chucks.

So viel Tod umgibt mich. So viele ließen ihr Leben beim Kampf gegen die Griever. Leichen lagen in den Gängen und in diesem Raum. Jetzt liegen hier zwei Tote mehr.

Vorwurfsvoll starren mich die glanzlosen Augen von dem Mörder Gally an. Tatenlos stand ich daneben. Tatenlos sah ich die Waffe, die auf Thomas gerichtet war. Tatenlos musste ich ansehen, wie die Lebensenergie aus dem pummeligen Jungen wich, der geistesgegenwärtiger war als ich.

Meine Hände sind zu Fäusten geballt, meine Fingernägel graben sich tief in meine Haut. Doch ich spüre den Schmerz nicht. Ich fühle mich taub. Jede Faser meines Körpers ist angespannt, doch ich habe das Gefühl neben mir zu stehen. Schwach. Zerstört.

Dieser Raum hat von Anfang an in mir komische Gefühle ausgelöst. Unterschwellige Panik, ein stummer Schrei meines Unterbewusstseins. Alles schien von Gefahr zu sprechen, mein Fluchtinstinkt flehte mich an von hier zu verschwinden. Vertrautheit. Alles kam mir bekannt vor, ein Ort wo ich war. Doch wann und warum bleibt unklar. Es mussten aber negative Gründe gewesen sein. Nicht aus Freude und Lust jedenfalls.

Jetzt knie ich neben Thomas und versuche ein Fünkchen Leben in Chucks Körper zu finden. Ich beiße die Zähne zusammen und kämpfe die Tränen zurück. Ich kenne ihn zwar noch nicht lange, aber ich habe ihn direkt lieb gewonnen. Meine Sicht verschwimmt und ich betrachte durch den Tränenschleier das blasse Gesicht, welches mal mit einem strahlenden Lächeln die Sorgen vertrieben hat.

Er wollte mir einen Namen geben, aber er hat es nicht geschafft. Der Geschmack von Blut macht sich in meinem Mund breit. Erst jetzt wird mir klar, wie angespannt mein Kiefer ist. Ich habe wohl zu fest zugebissen.

Thomas hat es richtig weggehauen. Er sitzt einfach nur da und weint. Der Arme. Mein ohnehin blutendes Herz zieht sich zusammen und droht in tausend kleine Scherben zu zerfallen. Chuck hat es nicht verdient zu sterben. Er war so ein guter Mensch. Herzensgut. So gut, dass er sich vor Thomas gestellt hat.

Ich schaue zu meinem toten Freund. „Ach, Chuck, warum nur?", murmele ich. Meine Hand liegt auf seiner Schulter. Sein Kopf ist zur Seite genickt und seine Augen verschlossen, als würde er nur schlafen. Eine Träne löst sich aus meinem Augenwinkel, die ich hektisch wegwische. Länger kann ich das nicht ansehen. Ich presse meine Lider zusammen, spüre so nur deutlicher meinen wilden Herzschlag. Und Chucks Leblosigkeit. Frust und Trauer ballen sich zusammen, erfüllen meinen gesamten Körper, bis ich glaube an dem Druck zu zerbrechen.

Plötzlich geht diese Energie von mir ab, findet einen Weg von meinem Arm zu Chuck, unerklärlich wie es passiert, warum ich es überhaupt so wahrnehme. Doch ich spüre, wie Leben in den kleinen Jungen zurück kehrt. Zwar sehr langsam, kaum merkbar. Jede Zelle von mir scheint zu fühlen, wie sein Körper sich regeneriert, Blut in Bewegung kommt und wie eine Meeresbrise ihn erfüllt. Sogar die Wunde verheilt.

Alice im MazeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt