Von komischen Nudeln und blauen Augen

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Mehr oder weniger elegant zwängte ich mich durch das Loch im Zaun und schüttelte mich. Staub flog auf, mein Pelz musste sich entladen haben. Direkt vor mir war Komische Nudel stehen geblieben und sah sich um. In ihren grauen Augen lag diese tiefe Verwirrung, die jeder der Uralten in sich trägt.

"Du bringst mich immer an so komische Orte, Stupsjunges. Komm, lass uns zurückgehen."

Ich sah sie mit traurigen Augen an - Stupsjunges war meine Schwester. Meine Schwester, die während unserer Schülerzeit gestorben war.

"Und wer bist du?", fragte sich meine Mutter, als sie sich umdrehte. Sie sah sich um. "Stupsjunges? Ich weiß, dass du hier bist! Komm, wir müssen zurückgehen!"

Ich fuhr ihr mit der Zunge kurz über das Kopffell, aber sie wich zurück.

"Verzeihung, wir kennen uns nicht", fauchte sie mich an und suchte dann weiter nach meiner Schwester. "Komm endlich, Stupsjunges! Komm, wir müssen zurückgehen!"

Ich zwang mich zum Lächeln.

"Ich bin hier, Mutter", sagte ich also, "Wir gehen zurück."

"Das will ich aber hoffen!" Sie putzte mir wüst das Fell, hatte wieder vergessen, dass sie mich nicht kannte. "Wie du wieder aussiehst! Lauf das nächste mal nicht wieder weg, das musst du mir versprechen!"

"Versprochen", sagte ich, "Aber können wir uns nicht erst einmal ausruhen? Ich kann nicht mehr."

Sie nickte und kletterte mühselig auf das Fensterbrett, auf dem sie immer schlief. Das Tierheim - ein altes, sehr staubiges Gebäude - war in mehrere Bereiche geteilt, die alle leer standen, abgesehen von dem Katzengehege. Die anderen Tierheim-Katzen lungerten meistens irgendwo im Schatten herum und hielten mich für einen dieser dürren, gefährlichen Streuner, die im Wald herumgeisterten - kaum noch Schatten ihrer selbst, die sich irgendwie durchfüttern mussten, weil ihre Menschen sie aufgegeben hatten.

Das gesamte Katzengehege bestand nur aus einem leer stehenden Raum, dessen einzige Tür mit einem Gitter vor uns gesichert war - dort standen manchmal Menschen und nahmen Katzen mit, meistens kamen sie jedoch und gaben welche ab. Oder sie fingen welche ein und brachten sie weg, ohne dass jemand sie bekam. Von ihnen hörte man nie wieder etwas. Es gab nur ein einziges Loch, eine gebrochene Latte in der Holzhausfassade.

Das Loch, durch das wir ein- und austreten konnten, war schmal und niedrig - Nur ich passte hindurch. Und die anderen Uralten.

Es gab zwei von ihnen: Komische Nudel war die fittere von beiden. Die andere - Blaues Auge, wie sie nun hieß - tat nichts mehr. Es verwunderte mich jedes mal, wie sie es schaffte, überhaupt noch etwas zu fressen, geschweige denn, zu leben. Eigentlich saß sie nur auf dem Fensterbrett und sah nach draußen. Rief man sie, reagierte sie nicht, stieß man sie an, auch nicht. Nur Komische Nudel war fest davon überzeugt, dass sie mit ihr sprach.

Da lagen sie also, zusammengerollt am Fensterbrett. Auf der Nordseite zwar, aber trotzdem am hellsten Fleck des Hauses. Zusammen, als wären sie es immer gewesen.

"Gute Nacht, Mutter", sagte ich.

"Aber geh nicht zu weit weg, Stupsjunges!" Sie rollte sich zusammen und sah mich an. "Du bist ja groß geworden." So groß, ich würde bald ein Schüler werden, wenn ich so weiterwachse, dachte ich mir. Aber es kam nicht. Sie blinzelte mich nur an. "Ich muss Glücksstern etwas sagen, wenn wir zurück sind. Erinnerst du mich daran?"

Ich war verdutzt. Nur zu gern hätte ich gewusst, was sie ihm sagen wolle - aber sie schloss bereits die Augen und schlief ein, also beschloss ich, einfach zu gehen und sie nicht weiter zu belästigen. Ich warf einen letzten Blick auf sie - wie sie zusammengerollt auf dem Brett lag, die Nase tief im stumpfen, dreckigen Fell vergraben, die Augen fest geschlossen, ganz flach atmend, alles vergessend, kaum noch da.

Neben der Katze, die nicht redete. Die nicht redete, nicht aß, nicht trank, nicht sah, nicht hörte, nicht fühlte und trotz allem lebte.

Ich sah sie an. Erstarrte.

Genau diese Katze, die nicht einmal zu bemerken schien, dass sie existierte, genau diese Katze - starrte mich aus ihren gelben Augen an.

DemoCats - VerstaubtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt