2.1 Gespräche

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War es der Geruch von brutzelndem Öl, welches ihn aufweckte, oder das heitere Summen, dass die Laute des Kochens, das Prickeln und Zischen, begleitete? Vyr konnte es unmöglich sagen. Selbst dass er noch einmal sein Bewusstsein an die Ruhe des Schlafes verloren hatte, wäre ihm wohl kaum aufgefallen, gäbe es nicht ebenjene Änderungen, die verstrichene Zeit bedeuteten.

Wie lange?, fragte er sich. Nach ziellosem Grübeln ohne bedeutungsvolle Gedanken gab er sich mit der einzigen sich ihm auftuenden Antwort zufrieden: Lange genug, um das Abendessen vorzubereiten.

Der Kerl – der Maler, oder als was auch immer man ihn betiteln konnte – befand sich scheinbar nicht allzu weit von Vyr entfernt. Nur wenige Meter und eine Wand trennten sie voneinander, den Geräuschen nach zu urteilen – dem Schwenken von Küchenutensil, dem Prasseln des Bratvorgangs, dem Murmeln, Summen und Pfeifen, das sich partout nicht auf eine einzelne Melodie einig werden wollte. Konnte er überhaupt viel weiter weg sein? Nicht, solange er in diesem mickrigen Heim war. So viel kleiner als ... als Vyrs Zuhause? Nach diesem Maßstab würde jede erbärmliche Menschenhütte eng wie ein Sarg wirken, ein bereits mit Erde überschütteter noch dazu, und selbst das wäre ein viel zu großzügiger, geräumiger Vergleich.

Seinen eigenen Erfahrungen gegenübergestellt musste dies eigentlich sogar ein ordentliches Gebäude sein. Nicht nur was die Einrichtung anging – feingeschliffene Holzmöbel, perfekt gesetzte Fließen, stabile Wände mit unaufdringlichen Farbmustern aus Weiß im Kontrast zum ganzen Spektrum zwischen Rot und Gelb, auch wenn es ein paar weitere Flecken gab – sondern auch bezogen auf die Dimensionen. Vyr hatte Unterkünfte gesehen, in denen ganze Familien auf engstem Raum gepfercht waren. Hier hingegen... Es war für eine Person, richtig? Gesehen hatte er jedenfalls nur seinen Verschlepper und hören konnte er auch niemanden sonst. Ja, dieser heitere Singsang ohne klare Worte musste zu ihm gehören, kein Zweifel. Aber es war Vyr recht, dass dort sonst niemand war.

Gegenüber vom Bett war das Fenster. Falls man es überhaupt Fenster nennen wollte. Es war ein Loch in der Wand, welches man bestenfalls irgendwie verdecken konnte, auch wenn Vyrs Augen vom Kissen aus nichts dergleichen erfassten. So oder so war es sein Ziel. Zwar ein Fenster, doch trotzdem die Tür zur Freiheit. Mit ein wenig Glück – nein, ohne Pech – würde er es sogar unbemerkt hinaus schaffen. Solange der andere in der Küche blieb war Vyr sicher.

Mit einem Ruck setzte er sich auf. Schon bereute er es.

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Fast fertig!, begeisterte Jianyu sich für sein neuestes Werk. Kein Gemälde, ja, dennoch eine Form von Kunst, oder etwa nicht? Wie könnte es dieser Duft denn nicht sein? Aufdringlichkeit konnte man ihm kaum nachsagen, doch versprach er einem oh so viel. Nur noch ein wenig im Wok schwenken, dann noch einmal, weil es sich irgendwie gut anfühlte und die Vorfreude noch weiter in die Höhe trieb. Vorfreude auf das Zusammenspiel zwischen den weichen Nudeln mit teils gar knusprigem Rand und dem Pak Choi oder den Karottenstreifen. Gesund war es bestimmt auch. Also genau das, was sein Gast jetzt brauchte! Deshalb zögerte er nicht weiter und holte zwei Schüsseln aus einem Schränkchen hervor, was bereits derart ungewohnt war, dass der Griff mit der zweiten Hand sich ungelenk und falsch anfühlte. Sein Besuch pflegte nicht bei ihm zu Essen oder wenn doch, sich ihre Mahlzeiten von ihrem Gefolge dort zubereiten zu lassen.

Zwei ordentliche Portionen und ein wenig Brühe. Vollbeladen mit je einer Keramikschale in einer Hand ging er um die Ecke, wo der Neuankömmling bereits auf ihn warten würde. „Ich-"

Animalisches Fauchen erschütterte Jianyus Mark und schleuderte ihm fast beide Schüsseln aus den Händen. Gerade noch so fing er sich und das Essen. Ein Teil der Suppe schwappte über die Ränder, doch dass er sich fast die Hände verbrannte, war nur nebensächlich. „Nein! Was tust du?!" Er stellte alles hastig auf dem Boden ab und eilte an sein Bett. „Bitte! Ruhe dich aus!"

Vom Himmel HerabWo Geschichten leben. Entdecke jetzt