Kapitel 10

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Sofort konzentrierten sich all meine Sinne wieder auf den Deal. Ich stand immer noch hinter der Skulptur, dessen Schatten meinen eigenen bedeckte. Ich lugte an der Skulptur vorbei und beobachtete wie die Person vor Fynn stehen blieb und er sich erhob. Sie redeten kurz miteinander und gingen dann hinter die Bank, ein kleines Stück weit, in den Wald, allerdings noch so das ich sie sehen konnte. Der Typ holte etwas aus seiner Hosentasche und mein Herz begann zu rasen. Hoffentlich ist es keine Waffe. Doch meine Sorge war unberechtigt denn er reichte Fynn etwas und ich schätze es ist das Geld. Fynn zählte es und reichte dem Typen die Hand. In seiner Handfläche war die Tüte mit den Drogen. Sie war schwarz sodass man es von weiten her nicht erkennen konnte, doch ich wusste es da Tony es mir erklärt hatte. Dann redeten sie noch kurz miteinander und schon drehte sich der Typ wieder um und verschwand in der Dunkelheit. Fynn kam, als der Typ außer Sichtweite war, wieder auf mich zu. Ich entspannte mich als mir klar wurde das alles glimpflich abgelaufen war. Er kam direkt zu der Löwen Statue und flüsterte ein „Komm mit" ohne mich eines Blickes zu würdigen und ohne stehen zu bleiben. Ich ging schweigend neben ihm her und am Auto angekommen stiegen wir ein. Tony saß bereits auf dem Fahrersitz, und als Fynn die Tür schloss, atmete er einmal tief ein und aus. Nicht nur ich war erleichtert dass alles gut gegangen war. Auf der Fahrt zurück war die Stimmung gut. Wir hörten wieder laut Musik und sangen mit. „Nicht schlecht für deinen ersten Deal, Snow. Das nächste Mal kannst du Tonys Posten übernehmen wenn du bis dahin ein paar Schießstunden hattest. Warst erstaunlich gelassen. Wenn ich da so an Tonys ersten Deal denke." Lachte er und Tony warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Hey, ich war erst 15 okey? Und außerdem kann ja nicht jeder die Ruhe in Person sein." Versuchte sie sich zu verteidigen. „Du hast dir vor Angst fast in die Hosen gemacht." Lachte er weiter und Tony schnaubte nur leicht verärgert, lachte dann aber doch mit. „Am Freitag feiern wir deinen ersten Deal erstmal richtig!" sagte Tony und ein grinsen legte sich auf ihre Lippen. „Ach Quatsch, wieso so lange aufschieben wenn wir genauso gut schon morgen feiern können." Erwidert Fynn nur gelassen. „Na gut, von mir aus auch morgen. Aber du besorgst den Alkohol. Ich habe morgen schon etwas anderes vor." „Ach ja? Was denn?" fragte Fynn und auch ich sah gespannt zu Tony. „Wir zwei gehen morgen shoppen!" sie sah mich dabei an und ich sah sie fragend an. Shoppen hatten wir eigentlich nicht ausgemacht. „Jetzt schau nicht so, du musst mir helfen ein Ballkleid auszusuchen. Ich brauche eins für meinen nächsten Auftrag." „Klar, gerne." „Okey, also dann treffen wir uns um 13.30 Uhr im Aufenthaltsraum. Freu mich schon. Endlich mal wieder ein Mädelstag." Sie schien überglücklich als ich zustimmte und Fynn verdrehte nur die Augen. Nach einer Weile kamen wir wieder Zuhause an, und ich war über mich selbst verwirrt als ich in Gedanken das Wort Zuhause benutzte. Wir stiegen aus dem Wagen und gingen zum Aufzug. Dort verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung und ich fuhr allein weiter nach oben. Dort stieg ich aus und klopfte drei Mal an Alex' Tür. Gerade als ich noch einmal klopfen wollte wurde die Tür geöffnet und ein verschlafener Alex stand vor mir. Ich hatte gar nicht bemerkt wie spät es schon war. „Na wie war es?" begrüßte er mich und ich konnte meinen Blick nicht von seinem Sixpack abwenden, da er nur in Boxershort vor mir stand. Als ich mich wieder gefasst hatte sagte ich nur gut und zog mich schnell im Bad um. Ich putzte mir die Zähne und schminkte mich ab. Dann ging ich wieder ins Zimmer und legte mich ins Bett in dem Alex schon zugedeckt lag. Er schaltete das Licht ab und nuschelte ein Gute Nacht. Kurz darauf wurde sein Atem gleichmäßiger und ich wusste dass er eingeschlafen war. Eigentlich war ich ebenfalls hundemüde, aber meine Gedanken ließen mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Wie konnte ich nur von einem Tag auf den anderen all meine Freunde zurücklassen, in ein anderes Haus, oder besser gesagt eine Villa einziehen, meine Mum allein zurücklassen und mit Drogen dealen?! Das alles zerfraß mich innerlich. Doch das schlimmste war, ich fand es gut. Ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden in einer Gang zu leben und habe die Leute auch echt lieb gewonnen. Andererseits konnte ich es sowieso nicht ändern. Die Alternative wäre der Tod. Aber was mich am meisten schockierte war dieser Adrenalin Rausch den der Deal vorhin in mir ausgelöst hat. Es gefiel mir etwas Verbotenes zu tun. Diesen Kick den es mir bereitete als ich dachte er holt eine Waffe raus. Es war spannend. Lebensgefährlich. Aber spannend. Langsam erkannte ich mich selbst nicht wieder.


Plötzlich regte sich etwas neben mir und bevor ich kapierte was los war, legte Alex seinen Arm um meine Taille. Er schlief immer noch tief und fest, aber er kuschelte sich an meinen Rücken. Ich genoss es, dann schlief ich ein.


Ein klingeln weckte mich aus meinem traumlosen Schlaf und die Hand auf meiner Taille löste sich. Dann hörte ich wie Alex ans Handy ging und zwar verschlafen, aber klar und deutlich antwortete. „Okey. Ja. Ja. Ebery Street 67. Ja ich habe es verstanden. Ich melde mich wenn ich alles erledigt hab." Dann legte er auf und kletterte aus dem Bett. Ich stellte mich weiter schlafend, obwohl ich sehr neugierig war wer da eben am Telefon war. Doch eigentlich konnte ich es mir schon denken. Wahrscheinlich hat er einen Auftrag bekommen. Einen Auftrag jemanden umzubringen. Der Gedanke daran wie Alex gleich jemanden umbringt bereitete mir eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ich hörte wie der Schrank aufgerissen wurde und Alex sich anzog. Dann hörte ich ein paar Mal das Klicken einer Waffe die gerade geladen wird. Offensichtlich trägt er mehrere bei sich, was bei seinem Job vielleicht auch gar nicht so verkehrt ist. Das Klicken verstummt und ich höre Schritte die auf mich zukommen. Er muss ganz nahe bei mir sein, denn ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht. Ich versuche weiterhin ruhig und gleichmäßig zu atmen und mir nicht anmerkten zu lassen dass ich wach bin. Dann spüre ich kurz seine Lippen auf meiner Stirn und er streicht mit einer Hand über meinen Kopf. Warte, was? Hat er mir gerade ernsthaft einen Abschiedskuss gegeben? Doch dann höre ich auch schon wie die Tür geöffnet wird und sich gleich darauf wieder schließt. Jetzt bin ich allein und spüre immer noch Alex' weiche Lippen auf meiner Stirn. Er kann so süß sein, allerdings nur um in der nächsten Sekunde wieder einen auf Arschloch zu machen. Ich bin ja einmal gespannt wie er morgen zu mir ist. Ob er wieder so tut als sei nichts gewesen? Darüber das sein Auftrag schief laufen könnte mache ich mir lieber keine Gedanken, ich rede mir einfach ein das er schon wissen wird was er tut, würde ich jetzt darüber nachdenken könnte ich kein Auge mehr zu machen vor Sorge. Um mich abzulenken denke ich an meinen Urlaub letztes Jahr in Korsika. Damals war alles noch so einfach.

Mit diesem Gedanken fiel ich schließlich in einen traumlosen Schlaf.



Snow White ~ cold as iceWhere stories live. Discover now