I.

110 9 3
                                    

Caleb P.o.V

Knurrend schüttelte ich den feinen Pulverschnee aus meinem dichten schwarzen Fell.
Ein Blick nach hinten, zeigte mir, dass der Rest meiner Gruppe ebenso nicht gerade angetan von dem Schneesturm war.
Er war bereits in vollem Gange gewesen, als wir aufbrachen.
Durch das dichte Schneetreiben, grenzte es an ein Wunder, dass wir unterwegs niemanden verloren hatten.
Sobald man den Kopf hob, bließ der schneidende Wind einem eine Schneeflocke nach der anderen in die Augen.
So waren wir nur langsam vorran gekommen.

Nun jedoch standen wir vor den Toren unseres Ziels. Es war eines der mittlerweile geschlossenen Labore der Hunter. Werwolfjägern.
Ewig hatten wir im Krieg mit ihnen gelebt und uns gegenseitig abgeschlachtet.
Die Hunter hatten es sich zu Aufgabe gemacht unsere Rasse zu erforschen und zu kontrollieren.

Allerdings waren die Methoden zu ihren "Forschungen" sehr fragwürdig.
Sie fingen Lykanthropen, wie wir uns lieber nannten, auf der ganzen Welt ein und steckten sie in Labore, wo sie alles an ihnen testeten.
Wir kannten nicht alle Details, jedoch reichten mir die Informationen, die ich bei den Auflösungen der hier befindlichen Labore erfahren hatte.
Die Methoden waren von Labor zu Labor unterschiedlich, jedoch meistens entwürdigend und babarisch.

Jahrhundertelang galten wir als die unkontrollierten Bestien, Monster...
Ein Blick in die Akten des Labores vor uns zeigte deutlich: Die Monster sind sie.
Wir haben nie gezielt Jagd auf die Hunter gemacht und wenn sie uns angriffen gewährten die meisten Rudel ihnen einen schnellen barmherzigen Tod.
Sie jedoch sperrten jeden Lykanthropen den sie bekommen konnten hier ein und folterten sie. Mal zu "Forschunsgzwecken" mal einfach nur zum Vergnügen.
Ich hatte das Tagebuch eines der Wärter hier gelesen. Meine Wut auf die Hunter war noch nie so groß wie in dieser Zeit.
Sie hatten Dinge mit den hier eingesperrten Wölfen getan die man nichtmal Tieren zumuten würde.
Alles nur um eventuell einen strategischen Vorteil daraus zu schlagen.

Zu ihrer Verteidigung: Nicht alle Hunter sind so.
Eine Gruppe hatte sich von Anfang an von diesen Laboren distanziert und fingen an mit den Lykanthropen zusammen zu arbeiten.
Das erste Rudel, welches offiziell begann mit den Huntern zusammenzuarbeiten, war das Rudel meines Vaters.
Er hatte immer von einem friedlichen Zusammenleben von Menschen und Lykanthropen geträumt.
Nach dem Tod meines Vaters hatte ich das Rudel übernommen und führte seinen Traum weiter.
In Zusammenarbeit mit dem jetzigen Anführer der Hunter, Alecsander, war es uns vor wenigen Monaten gelungen die Labore zu stürzen und schließen zu lassen.
Alle Wölfe wurden bestmöglich in die umliegenden Rudel aufgenommen oder als letzen Ausweg erlöst.
Viele konnten wir nichtmehr retten. Einen ehemaligen Alpha hatten sie so mit Silber geschwächt, dass er nichtmehr bei Bewusstsein war und nur noch teilnahmslos auf einer Liege lag, an tausende Geräte angeschlossen, die genau das zeigten was jeder mit Augen im Kopf auch von außen sah. Er hatte aufgegeben, sein innerer Wolf war weg und er zerfiel psychisch und physisch daran. Nur noch maschinell am Leben gehalten und das, wenn man den Aufzeichnungen glauben konnte, seit 10 Jahren.

Umso mehr erfüllte es mich mit Stolz tatkräftig an der Rettung der gefangenen Lykanthropen teilgenommen zu haben und zukünftig auch andere davor zu bewahren.

Ich sah noch einmal zu meinen Begleitern nach hinten.
Mit mir waren noch 3 weitere Wölfe mitgekommen. Die breitgebaute rote Wölfin Dimos meine Beta und die zwei ebenfalls muskulösen grauen Wölfe, die Zwillinge Jack und Elija meine Gammas.
Wir waren heute hier, da Alec meinte es gäbe ein Problem mit einem der Wölfe in diesem Labor.

Wenn man vom Teufel sprach.
Hinter mir öffnete sich eine Tür und Alec trat aus dieser. In einem dicken schwarzen Mantel, in dem er trotz seiner breiten Statur beinahe unterging, stand er in der offenen Tür und bat uns herein.
Drinnen angekommen wandelten wir uns alle zurück und ich drehte mich zu Alec, der mittlerweile hinter den grässlichen sterilweißen Schreibtisch getreten war und aus einem der bis an die Decke ragenden, ebenfalls weißen Aktenschränke eine Mappe herausholte, auf der vorne dick und fett "Topsecret" draufstand.
Mein Interesse war geweckt und ich ging nur in Boxer bekleidet auf ihn zu: "Was ist das?"
Alec, der mein sehr direktes Verhalten bereits gewohnt war, grinste nur schief: "Der Grund warum ich dich herrief, aber jetzt zieh dir erstmal was an. So faszinierend es auch ist, dass ihr mit Kleidung die Wandlung vollziehen könnt, umso geschmackloser ist es, dass ich dich dadurch viel zu oft in Unterwäsche sehe."
Ich grinste nun ebenfalls und schlug meinem Kindheitsfreund auf die Schulter.
Dann folgte ich meinen Begleitern in den Nebenraum um mir etwas drüber zu ziehen. Auch wenn es nur die EBENFALLS weißen Kittel waren die sie hier hatten, so war es doch besser als fast nackt zischen den ganzen Huntern umherzulaufen.
Ich ging wieder in den weißen Vorraum zu Alec. "Könnt ihr hier nicht mal streichen? Oder wenigstens Pflanzen aufstellen? Das ganze weiß ist ätzend," beschwerte ich mich bei ihm.
Er jedoch schmunzelte nur und bedeutete unserer Truppe dann mit einer wesentlich ernsteren Miene ihm zu Folgen.

In einem Besprechunsraum, der, surprise, ebenfalls vollständig in weiß gehalten war, nahmen wir alle Platz.
Alec seufzte leise und begann dann zu sprechen: "Wir haben alle Wölfe wieder in Rudel untergebracht und sie werden medizinisch versorgt, wie abgespochen." Ich nickte zufrieden, sah ihn dann aber abwartend an: "Ich rieche ein aber-"
"Braver Junge," sagte Jack lachend und wollte mir noch den Kopf streicheln, wurde dann jedoch von Deimos aufgehalten: "Lasst den Scheiß Jungs, das ist wichtig."
Ich nickte ihr dankend zu und sah dann wieder zu Alec der fortfuhr.
"Wir konnten einen Wolf hier nicht wieder herauslassen."
"Warum nicht?," fragte ich ihn, "Alle Wölfe waren soweit gesundheitlich stabil, dass sie zurück in ihre Rudel konnten. Oder nicht?"
"Naja schon, das ist auch nicht das Problem. In der hintersten Zelle, direkt neben den Ausläufen ist noch ein Wolf. Jedoch weigert er sich, sich zurück zu wandeln. Anfassen lässt er sich auch nicht und zu fliehen versucht er garnicht erst. Aber...."
Alec hielt inne und ich sah ihn auffordernt an: "Was aber?"
"Wir wissen fast nichts über ihn und mehr als das was in dieser Akte steht, ist nicht aufzufinden. Dort hinten gibt es zwar Kameras aber von den ganzen 7 Jahren, die er in diesem Labor lebt, gibt es keine einzige Aufnahme. Eigendlich wurde alles auch per Video dokumentiert, selbst die Aufhalte in den Außengehegen. Aber von diesem Wolf fehlen alle Aufnahme, egal wo er war. Es sind Lücken im gesamten Videomaterial und wir vermuten, dass jemand etwas verschleiern wollte." Mit diesen Worten schob er uns die Mappe herüber und stand auf um etwas an den Computern zu hantieren.

Ich schlug die Akte auf. Ganz vorne drin war ein Blatt mit einem Steckbrief zu dem Wolf drin.
Aber außer dem geschätzen Alter von 19-20 Jahren, einem Bild des Wolfes und der Blutgruppe stand nichts darin.
Stirnrunzelnd blätterte ich weiter auf die zweite und letze Seite. Darauf war nur der Fang vor 7 Jahren dokumentiert worden und sonst enthielt die Akte garnichts. Verwirrt sah ich zu Alec hoch. "Das ist verdammt wenig," meinte Dimos und Elija sagte: "Das ist alles sehr seltsam. Warum steht in einer Akte die mit dem Topsecret Stempel versehen ist so wenig drin?"
Alec nickte ihm zu. "Das haben wir uns auch schon gefragt und haben diesen Wolf durch Kameras beobachtet. Er zeigt völlig untypisches Verhalten.
Die meisten Wölfe hier zeigten stereotypische Verhaltensmuster, wie wir sie auch von Tieren im Zoo kennen oder reagieren aggressiv auf hereinkommende Personen. Dieser Wolf jedoch liegt nur immer wieder an der selben Stelle in einem Käfig innerhalb des Raumes. Seit wir hier aufgeräumt haben, war die Käfigtür konstant offen und er hätte den restlichen Raum betreten können."
Alec spielte ein Video, dass den Raum von oben zeigte in Zeitraffer ab. Der schneeweiße Wolf mit dem matten Fell lag nur in der Gegend und außer gelegentlicher Atemzüge bewegte er sich nicht.
Alec zeigte auf einen Punkt direkt neben dem Eingang des Käfigs. "Dort hatten wir Wasser und Fleisch in Näpfen hingestellt, da wir dachten, wenn er sich schon nicht wandelt kann er so trotzdem was essen. Allerdings hat er sich zwei Tagelang geweigert aufzustehen und hat weder Essen noch Trinken angerührt. Erst als wir ihm die Näpfe wie zuvor direkt neben ihn gestellt haben, hat er wieder gefressen und getrunken."
"Hat er euch nicht angegriffen?," fragte Jack und Alec schüttelte den Kopf. "Er ist keinesfalls aggressiv solange wir ihn nicht anfassen und er bekommt auch alles mit. Wenn man ihm in die AUgen sieht, bemerkt man da ist noch wer. Aber er bewegt sich nicht. Wir haben sogar eine Nacht die Türen allesamt offen gelassen. Er hätte einfach gehen können und doch tat er es nicht. Er wusste er könnte gehen und ging nicht.
Ich habe viel in seinem Raum gesessen und mit ihm geredet."
Dimos horchte auf: "Hat er reagiert?" Alec schüttelte nur stumm den Kopf.
Wir alle sahen uns nur betroffen an und richteten unsere Blicke dann wieder auf Alec. "Ist er sonst gesund? Hat er Verletzungen? Kann er laufen?"
Alec seufzte: "Wir können ihn nicht untersuchen, da er sich nicht anfassen lässt und betäuben will ich ihn auch nicht, da wir sogut wie Nichts über ihn wissen. Von außen scheint er jedoch körperlich gesund, außer dass er stark unter und mangelernährt ist, fehlt ihm per se erstmal nichts. Er kann sich offenbar schmerzfrei aufrichten und ist auch in der Lage zu stehen. Laufen wissen w-"
"Woher weißt du dass er stehen kann?," unterbrach ich ihn.
"Naja wir wollten ihn wenigstens etwas untersuchen, weshalb der Arzt, Jonny, zur Sicherheit von außerhalb des Käfigs, versucht hat ihn zu untersuchen. Da ist der sonst reglose Wolf aufgesprungen und hat sich weiter nach hinten in den Käfig gesetzt."
Dimos fragte: "Hat er versucht Jonnathan anzugreifen?" Alec schüttelte den Kopf: "Nein. Er hat nur kaum wahrnehmbar gewinselt und sich zitternd an die Gitterstäbe hinter ihm gedrückt.
Deshalb würde ich euch bitten ihn nicht anzufassen oder zu nah an ihn heran zu gehen wenn wir gleich reingehen. Ich weiß dass ihr sehr wahrscheinlich mehr Ahnung von seinem Verhalten haben werdet, doch der Vorfall war erst vor zwei Tagen und wir wollen ihn nicht nochmal so starker Angst aussetzen."
Verstehend nickten wir alle und machten uns mit Alec zusammen auf den Weg zu den hintersten Zellen dieses Labors.

~1712 Wörter~

Alone in the dark - Nachts stirbt man einsamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt