Kapitel 17 - Du hast jetzt mich

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»At my funeral I want a giant game of Kahoot about my life and whoever wins get's my will«
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Ryan POV

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„Oh", murmelt eine offensichtlich sehr müde Nova neben mir, und fragend sehe ich sie an. „Es ist schon nach Mitternacht. Jules hat sich Sorgen gemacht, sie hat mir gerade geschrieben. Sieht so aus als wäre sie bis jetzt wachgeblieben wegen mir." Ich höre deutlich dass Nova sich schuldig fühlt gegenüber Jules, was sich noch verstärkt als sie nach ihren Worten auf ihrer Unterlippe kaut und sich fahrig durch die Haare fährt. „Willst du nach Hause?" Für einen kleinen Moment erhalte ich keine Reaktion, weshalb ich die Italienerin wieder ansehe. „Eigentlich nicht", fängt diese dann an und seufzt tief, „aber ich glaube Jules bringt mich um wenn ich nicht bald auf der Matte stehe. Manchmal ist sie schlimmer als meine Nonna während meiner Pubertät."

Ihr leises Lachen zwischen ihren Worten entlockt mir ebenfalls eines, und um Nova aus ihrem Dilemma zu retten und ihr Leben als sicher zu wissen rapple ich mich langsam auf. Dann reiche ich Nova meine Hand, nach der sie nach einem winzigen Zögern greift und sich von mir ebenfalls auf die Beine ziehen lässt. „So gerne ich bleiben würde, ich glaube Jules' Drohungen sind ernst zu nehmen. Ich fahre dich besser mal nach Hause." Diesmal entlocke ich Nova ein richtiges Lachen. Wir bücken uns beide um die Tasche, welche vor wenigen Stunden noch mit Häppchen gefüllt war, mit unserem Abfall vollzustopfen und die kleine Decke zusammenzufalten.

Als ich mich danach wieder aufrichte und einen letzten Blick auf die Stadt werfe werde ich plötzlich stutzig. Nicht sehr weit entfernt von hier, ungefähr zehn Minuten mit dem Auto, befindet sich eine unserer kleineren Lagerhallen. Soweit ich weiss sollte sich vor allem jetzt keiner mehr von uns dort drin aufhalten - und trotzdem sehe ich klar und deutlich, dass das Licht brennt, und mein Bauchgefühl sagt mir, dass da etwas nicht stimmt.

„Ist alles okay?"

Ich drehe mich schnell mit einem aufgesetzten, hoffentlich beruhigenden Lächeln zu Nova um, die mittlerweile eine der beiden Decken unter den Arm geklemmt und die Tasche in der anderen Hand hat. „Ja, alles okay. Ich wollte nur noch einen letzten Blick auf die Stadt werfen. Bist du bereit?" Nova nickt mit gerunzelter Stirn, was ich kurzerhand beschliesse zu ignorieren. Alles andere würde sie wohl nur noch misstrauischer machen. Diesmal geht Nova vor, was mir automatisch die Zeit gibt um eine kurze Nachricht an Aurora zu verfassen.

Ryan: Bei dieser Lagerhallte brennt Licht. Ist das jemand von uns?

Ryan: Ohne Entwarnung von dir bin ich in dreissig Minuten vor der Halle

Zusätzlich schicke ich meiner Schwester noch den Standort der erwähnten Halle, danach packe ich mein Handy weg und hoffe, dass wir nicht in Schwierigkeiten sind.

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Aurora: Keine Entwarnung, wir schicken eine Einheit. Ich bin auch da.

Ich fluche leise in mich hinein als ich diese Nachricht kurz aufleuchten sehe. Ich bin gerade am tanken, was mir einen kleinen Zeitraum verschafft in dem ich... naja, arbeiten kann.

Ryan: Vermutung bestätigt. Bringe jemanden nach Hause, fahre dann los. Halt mich auf dem Laufenden.

Auf diese Nachricht erhalte ich keine Reaktion mehr, wahrscheinlich weil Aurora schon unterwegs ist. In meinen Fingern fängt es an zu kribbeln, was sich als ich wenige Minuten später wieder im Auto sitze auf meinen gesamten Körper ausbreitet. Ich muss zu dieser Halle, aber ich kann jetzt gerade nicht. Es gibt absolut keinen Weg zum Nova sowas erklären zu können, vor allem nicht wenn sie dabei keinen Verdacht schöpfen soll. Also fahre ich sie zuerst wie abgemacht nach Hause und rase dann wahrscheinlich den ganzen Weg in der Hälfte der ursprünglichen Zeit wieder zurück.

„Du bist nervös", stellt meine Beifahrerin irgendwann nüchtern fest. Es ist keine Frage, doch ich höre trotzdem eine Frage in ihren Worten. „Seit der Tankstelle, um genau zu sein." Erneut fluche ich in mich hinein, denn dass Nova mich so offensichtlich lesen kann ist nicht gut. Gar nicht gut, denn das bedeutet dass ich sie immer wieder anlügen muss.

„Aurora hat mir gerade geschrieben. Ihr scheint es nicht so gut zu gehen und sie hat mich gebeten gleich bei ihr vorbeizuschauen", versuche ich so viel Wahrheit wie möglich in meine Antwort zu stecken. Nova hebt immer noch eine Augenbraue. „Und da machst du dir gleich solche Sorgen?", fragt sie mich ehrlich überrascht, was mich im Gegenzug ebenfalls etwas überrascht. „Natürlich, sie ist meine Schwester. Ich würde mir Sorgen machen wenn mich sowas nicht kümmern würde." Nova nickt langsam, ehe ein "Hm" über ihre Lippen kommt. „Ich hatte das nie", erklärt sie schlussendlich, worauf ich ehrlich nicht weiss was ich antworten soll.

Ich kann es noch immer nicht fassen wie ein Mensch wie Nova bisher nur scheisse behandelt werden konnte, abgesehen natürlich von ihren Mitbewohnern und ihrer Nonna. Ich werde es wohl auch nie verstehen können.

„Du hast jetzt mich", antworte ich einige Minuten später aus dem Nichts, was mir einen erstaunten Blick von Nova einhandelt. Ja, vielleicht war das nicht gerade die schlauste Antwort, aber es ist die Wahrheit.

„Ich mein's ernst. Wenn etwas ist kannst du mir schreiben." Für einen kleinen Moment ist es totenstill im Auto, abgesehen von den Motorgeräuschen ist nichts zu hören. Ich bin mir sogar ziemlich sicher dass wir beide den Atem angehalten haben. „Soso, der One-Night-Stand Typ hat ein grosses Herz", schmunzelt Nova schlussendlich in eben genannte Totenstille hinein, und schafft es somit die gesamte Situation aufzulockern. Ungewollt grinse ich breit und nicke. „Aber sag es niemandem weiter." Nova lacht und schüttelt den Kopf. „Keine Sorge, dein Geheimnis ist sicher bei mir."

Ich grinse noch breiter, und kurz darauf halte ich vor Nova's Apartmentkomplex an. „Danke", sind Nova's ersten Worte als sie anfängt ihre Sachen zu packen, und sieht mich dabei ernst an. „Es wäre ziemlich scheisse gewesen dich nicht zu fahren." Nova schüttelt den Kopf. „Ich meine für den ganzen Abend. Das mit dem Dach und so. Ich weiss nicht genau wie du's gespürt hast, aber das war genau was ich gebraucht habe." Jetzt ziert ein schiefes Lächeln ihre Lippen, und zum ersten Mal fällt es mir wirklich schwer mich nicht vorzubeugen.

Mich zusammenreissend erwidere ich das Lächeln deshalb einfach. „Das habe ich gerne gemacht." Wir verabschieden uns mit einer kurzen Umarmung. Nova steigt daraufhin schnell aus, doch bevor sie die Autotüre wieder schliesst bückt sie sich nochmals runter um mir ins Gesicht zu schauen. Mit diesem schiefen Grinsen. „Richte Aurora gute Besserung von mir aus. Und Ryan?" Ich hebe fragend eine Augenbraue. „Du hast mich übrigens auch. Man sieht sich, Blauauge."

Mit diesen Worten richtet die Italienerin sich wieder auf, schliesst die Türe und läuft zügig zur Eingangstüre. Da ich weiss dass sie mich beobachtet Grinse ich bloss leicht, hebe die Hand und fahre weg. Sobald ich jedoch ausser Sichtweite bin verwandelt sich dieses kleine Grinsen in ein sehr, sehr breites Grinsen, zusammen mit einem komischen Gefühl in meiner Magengegend.

Eins muss man ihr lassen: Nova Bianchi hat es definitiv in sich.

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Blauauge mit dem grossen Herzen scheint etwas in Schwierigkeiten zu geraten... ;)

Vergesst das Sternchen nicht <3

- Xo, Zebisthoughts

Ryan (pausiert)Where stories live. Discover now