A Rising Phoenix - Kapitel 16

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Von nun an verändert sich mein Leben erneut, denn mit der Unterschrift, die Tobi unter seinen Plattenvertrag setzt, nimmt seine Karriere an Fahrt auf. Und den Grundstein dafür hat er mit dem Konzert vor der Klinik selbst gelegt. In den darauffolgenden Tagen wurde nämlich in sämtlichen landesweiten Medien über diese Newcomer Band gesprochen, die so viel Gutes tut. Bilder davon, wie Fans und die Band gemeinsam Imagine singen, wie Micah mit Tränen in den Augen der Scheck überreicht wird, wie PJ ebenfalls seine Spende verkündet, sind sogar im Abendprogramm zu sehen.
Und plötzlich kann gefühlt jeder zweite amerikanische Bürger etwas mit dem Namen Mac anfangen. Das Konzert, das für einen Abend zwei Tage nach dem Benefizkonzert angesetzt war, muss abgesagt werden, weil der Veranstalter sein Sicherheitskonzept innerhalb so kurzer Zeit nicht an die stark erhöhte Zahl an potentiellen Konzertbesuchern anpassen kann. Tobi erhält innerhalb kürzester Zeit mehrere Anfragen für TV-Shows und Radiointerviews und Jo hat alle Hände voll zu tun, sich die Gelegenheiten mit der größten Reichweite herauszupicken und den Rest abzusagen.
In dieser Zeit habe ich kaum etwas von Tobi. Wir zwei haben praktisch keine Dates mehr. Ich muss zur Arbeit und bei Tobi jagt ein Termin den nächsten. Immer wieder werden Konzerte, die vorher so etwas wie ein Fixpunkt in unser beider Terminkalender waren, abgesagt oder sind viel zu weit entfernt. Und selbst wenn wir gemeinsam auf ein Konzert fahren, haben wir bis auf die Zeit im Auto – die häufig genug durch wichtige Telefonate unterbrochen wird – kaum Zeit zu zweit, weil er sich vor und nach seinen Auftritten intensiv seinen Fans oder Medienvertretern widmet. Wirkliche Zweisamkeit erleben wir beide nur noch, wenn er spät abends zu mir nach Hause kommt, um bei mir zu schlafen. Aber die meiste Zeit ist er so erschöpft, dass an Gespräche oder andere Dinge nicht mehr zu denken ist.
Aber nicht nur ich bin unzufrieden damit, wie die Dinge aktuell laufen, auch Jas und der Rest der Band sind nicht gerade glücklich. Jas stinkt am meisten, dass nur Tobi im Mittelpunkt des Interesses steht. Der Rest von ihnen wird ihrer Ansicht nach bloß zu Statisten herabgewürdigt. Mac ist der aufgehende Stern am Musikhimmel, nicht die Band als Ganzes. Dieser Umstand ist dichtgefolgt von dem neuen Bassisten Jack, den PJ ihnen kurzfristig zur Verfügung gestellt hat. Anscheinend versteht er sein Handwerk an der Bassgitarre, lässt aber seine Homophobie bei jeder denkbaren Gelegenheit durchscheinen. Ella ist davon ziemlich unbeeindruckt und zieht weiterhin ihr Ding durch, schafft es aber nicht, Jas deswegen zu beruhigen. Dritter Auslöser für Jas' Aggressionen ist Tobi, der die anderen bei Proben hängen lässt und für sie einfach nicht mehr erreichbar ist.
Und Jas ist mit ihrer Meinung nicht allein. Auch Ella wird zunehmend einsilbig, wenn sie auf die vielen Veränderungen angesprochen wird. Zwar lebt sie weiterhin ihre Beziehung zu Jas ohne Skrupel vor Jack aus und hat diesem schon mehr als einmal auf verschiedene Arten und Weisen ein Bein gestellt, ist aber auch sauer auf Tobi, wie dieser gerade seinen Durchbruch zelebriert und der Rest auf der Strecke bleibt. Und auch Matt merkt man enorm an, dass ihm die Situation nicht gefällt. Er spricht es zwar nicht offen aus, aber sein Schweigen und die abwehrenden Gesten sprechen dafür umso deutlicher.
Ich versuche immer wieder, die Wogen zu glätten und Tobi in Schutz zu nehmen, aber diese Versuche unternehme ich nur halbherzig, einfach weil es mir selbst schwer fällt, mit der aktuellen Situation umzugehen. Ich muss nochmal betonen, dass ich mich wirklich für Tobi freue. Ich weiß, was ihm das alles bedeutet. Aber ich vermisse ihn. Und mehr als einmal kommt mir der Gedanke, wie viel glücklicher wir beide sein könnten, wie viel besser unsere Beziehung laufen könnte, wenn auch er einem geregelten nine-to-five-Job nachgehen würde.
Tobi scheint die sich enorm verschlechternde Stimmung unter seinen Mitmenschen nicht mitzubekommen. Jedes Mal, wenn wir beide uns sehen, drückt er mich fest an sich und erklärt mir, wie sehr er mich und unsere gemeinsame Zeit vermisst. Aber ich glaube, auch er weiß im Moment nicht, wie es anders laufen könnte. Beziehungsweise ihm gefällt, was gerade um ihn herum passiert. Er sieht gerade seinen lang gehegten Traum Wirklichkeit werden. In seinen Augen kann ich das pure Glück neben vereinzelten Augenblicken der Ungläubigkeit blitzen sehen. Ich denke, er ist gerade einfach zu glücklich, um zu sehen, was er allen anderen damit antut.
Es sind turbulente zwei Wochen voller täglicher Neuigkeiten, verschiedenster ungewöhnlicher Auftritte und einer unglaublichen Hitze, die die Gemüter zusätzlich anheizt, ehe PJ das Ruder herum und die Macht an sich reißt. Was bedeutet, dass Jo gefeuert wird. Ich war nicht dabei, als PJ Jo diese Nachricht verkündet hat, aber Ella hat mir erzählt, dass Jo wohl wie ein kleines Kind in Tränen ausgebrochen ist und bei PJ darum gebettelt hat, bleiben zu dürfen. PJ ist hart geblieben, obwohl alle anderen – außer Tobi – ebenfalls für ihn gekämpft haben. Danach hat Jo das Musikstudio verlassen und hat sich seitdem bei niemandem von uns mehr gemeldet.
Wofür ich PJ aber sehr dankbar bin ist die Tatsache, dass er alles wieder in ruhigere Fahrwasser gelenkt hat. Er hat eine Pressemitteilung herausgegeben, dass sich Mac für den nächsten Monat nochmals komplett aus der Öffentlichkeit zurückziehen wird, um an seinem ersten Album zu feilen, welches Ende September erscheinen soll. Dadurch entsteht tatsächlich so etwas Ähnliches wie ein geregelter Tagesablauf für Mac. Obwohl er immer wieder bis spät abends im Studio ist, haben wir viel mehr Zeit miteinander. Und ich habe auch das Gefühl, dass sich die Stimmung zwischen ihm und dem Rest der Band wieder verbessert. Sie machen wieder gemeinsam Musik – das, was sie schon immer am liebsten getan haben.
Zwischen Tobi und mir stellt sich eine neue Normalität ein. Auch wenn wir nie offiziell darüber gesprochen haben, lebt Tobi mittlerweile quasi bei mir. Wir stehen gemeinsam auf, gehen zur Arbeit, kochen abends gemeinsam und erzählen uns gegenseitig von unserem Tag. Es fühlt sich ein wenig an, als wären wir beide ein seit Jahren verheiratetes Ehepaar. Beide gehen wir auch eigenen Interessen ohne den anderen nach – Tobi zu einem Bandabend oder einem Footballspiel, ich zu meiner Physio oder einem Kaffee mit Meg – aber am Ende des Tages gehen wir gemeinsam ins Bett. Alles wie bei einer seit Jahren laufenden Beziehung, nur dass wir nach wie vor frisch verliebt sind und in der Nacht nicht immer so viel Schlaf wie nötig abbekommen.
Ich genieße diese Wochen in vollen Zügen. Es fühlt sich alles so herrlich normal an. Ich bin glücklich. Meine Physio schlägt mehr als gut an, im Job wurde ich zur stellvertretenden Leiterin der Buchhaltung befördert und jeden Abend komme ich zur Liebe meines Lebens nach Hause zurück. Wir unternehmen sooft wie möglich kleinere Ausflüge, besuchen meine Eltern und einmal sogar seine Mutter oder sitzen bis spätabends auf der Terrasse und reden.
Diese Zeit ist unglaublich schön, aber gleichzeitig spüre ich, dass es bloß die Ruhe vor dem Sturm ist. Dass wir beide noch einmal zu Atem kommen dürfen, erfahren dürfen, wie es sein könnte, wenn uns das Leben nicht in die Quere kommt. Aber je weiter der Sommer voranschreitet und je näher der Herbst und das Release Datum seines ersten Albums rückt, desto größer wird die Unruhe in meinem Innern und die Angst vor der Zukunft.
Aber die meiste Zeit versuche ich diese Gedanken von mir wegzuschieben und stattdessen zu nehmen, was ich von Tobi gerade bekommen kann. Und das sind zum Beispiel Picknicks am Strand oder romantische Kinobesuche, auch wenn es langsam wirklich schwer wird, unerkannt durch LA zu laufen. Oder die Freude, wenn er mich zu einem Treffen mit meiner Familie begleiten kann. Emmy ist mit jedem Mal begeisterter von ihm und seit sie spitzgekriegt hat, dass Tobi nicht nur hervorragend Prinzessinnen malen kann, sondern auch noch Musiker ist, ist er ihr absoluter Traumprinz. Sie hat es sogar fertig gebracht, dass Rob eingewilligt hat, mit ihr auf eines von Tobi's Konzerten zu kommen.
Es ist ein kleines und sehr intimes Konzert für nur etwas fünfzig Fans der ersten Stunde, zu dem Tobi Emmy und Rob eingeladen hat. Wie immer komme ich mit Tobi an der Location an. Rob wartet schon mit Emmy auf dem Parkplatz davor. Die Kleine hüpft wie ein Flummi um das parkende Auto herum und ihr Prinzessinnenrock flattert ihr hinterher. Als sie Tobi aus dem Auto einige Parkplätze weiter aussteigen sieht, stürzt sie sofort auf ihn zu und springt ihm in die Arme. Rob kommt hinterhergerannt und bleibt kopfschüttelnd neben der Beifahrertür stehen.
Da Tobi mit Emmy beschäftigt ist, holt Rob meinen Rollstuhl aus dem Kofferraum und hilft mir aus dem Auto. Dabei bemerkt er leise: „Eine ganz schön fette Kiste fährt dein Freund da. Ich hoffe nur, das sind nicht die ersten Anzeichen von Größenwahnsinn." Rob nimmt damit Bezug auf den neuen BMW i8, den Tobi sich von seinen deutlich steigenden Gagen geleistet hat.
„Sieh dir an, wie Tobi mit Emmy umgeht und dann sag nochmal, dass er ein abgehobener Rockstar ist", erwidere ich trocken und beobachte gemeinsam mit Rob wie Tobi Emmy's Kleidchen eingehend bewundert und die absolut richtigen Laute der Verzückung von sich gibt. Emmy gluckst nur so vor Vergnügen. „Außerdem ist dieses teil bestimmt tausend Mal umweltfreundlicher als sein alter Spritschlucker", kann ich mir einen weiteren Kommentar nicht verkneifen, auch wenn Rob nichts Gegenteiliges mehr behauptet hat.
Tobi kommt jetzt mit Emmy auf dem Arm zu Rob und mir und stellt sie vor dem Kofferraum ab. Dann sucht er im Kofferraum nach etwas, geht vor Emmy in die Hocke und überreicht ihr ein in rosa Prinzessinnengeschenkpapier eingewickeltes Paket. Emmy wartet keine Erklärung ab, sondern beginnt sofort unter dem Gelächter von uns Erwachsenen das Geschenkpapier runterzureißen. Wir sind dann erst einmal damit beschäftigt, die Fetzen am Davonfliegen zu hindern.
Als Emmy fertig ist, kommen pinke Kinderohrenschützer zum Vorschein. Emmy dreht und wendet das Ding verwundert und weiß nicht so recht, was sie damit anfangen soll, bis Rob sich zu ihr beugt und ihn ihr aufsetzt. „Das musst du heute aufsetzen, wenn die Musik ganz laut ist, sonst gehen deine Ohren kaputt", erklärt Tobi ihr. Verblüfft starrt Emmy ihn an. Sie sieht, dass seine Lippen sich bewegen, aber sie kann ihn nicht verstehen. Rob, Tobi und ich brechen bei ihrem Gesichtsausdruck in schallendes Gelächter aus.
Immer noch kichernd nimmt Rob Emmy den Ohrenschutz wieder ab und sagt zu Tobi: „Danke dir Mann! An so etwas hätte ich natürlich auch denken können. Ich habe heute den ganzen Tag schon Emmy's Geschrei vor meinem inneren Ohr gehört, wenn ich sie da raustragen hätte müssen, weil es einfach zu laut ist."
„Immer wieder gern", entgegnet Tobi nur und greift dann im Kofferraum wie immer nach seiner Gitarre. Rob und Emmy machen sich schon mal auf den Weg zum Eingang und ehe Tobi ihnen folgen kann, halte ich ihn am Arm zurück. „Du bist unglaublich, weißt du das eigentlich?"
„Grundsätzlich ja, aber ich höre es immer wieder gerne", grinst Tobi und beugt sich zu mir herunter, um mich zu küssen.
Die Zeit vor dem Konzert vergeht wie im Flug. Emmy flitzt hinter der Bühne durch die Gegend und erobert innerhalb kürzester Zeit die Herzen aller im Sturm. Vor allem Ella scheint völlig vernarrt in Emmy zu sein und Emmy ist andersrum völlig vernarrt in Ella's Haarfarbe. Sie will die pinken Haare nicht mehr loslassen und Ella erträgt das Zerren an ihren langen Haaren mit einer Engelsgeduld. Sie setzt sich die Kleine sogar auf den Schoß und lässt sie auf Ihren Drums rumhauen, woran Emmy quietschend Gefallen findet.
„Ich sehe es schon kommen, für die nächsten Wochen muss ich mir von Emmy anhören, dass sie pinke Haare und ein Schlagzeug will. Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihr das wieder austreiben soll", stöhnt Rob halb belustigt, halb verzweifelt, während er, Jas, Tobi und ich den beiden zusehen.
„Was soll ich da sagen? Ich werde nach heute zu tun haben, Ella den Floh auszutreiben, jetzt selbst ein Kind zu wollen", unkt Jas. Ihr liebevoller Gesichtsausdruck steht dabei aber im krassen Gegensatz zu ihren Worten.
Als die Band auf die Bühne geht, hätte ich eigentlich gedacht, dass Emmy schon völlig fertig ist und sich in eine Ecke verkriecht, um zu schlafen. Doch stattdessen tanzt sie – vor zu großer Lautstärker durch ihre putzigen Ohrenschützer bewahrt – zur Musik durch die Nebenbühne. Rob's leicht entnervter Mimik entnehme ich, dass es auch ihm lieber wäre, wenn sie mit ihren Energievorräten am Ende wäre und er nicht die ganze Zeit darauf achten müsste, dass sie irgendeinen Unsinn anstellt oder sich verletzt.
Aber so sehr er und ich auch aufpassen, irgendwann rutscht Emmy uns doch durch und sie tanzt hinaus auf die Bühne. Rob und ich sind so baff, dass wir ihr im ersten Moment nicht hinterherhechten. Wir bekommen nur mit, wie Gelächter aus dem Zuschauerraum dröhnt und die Band kurz ins Stocken gerät. Dann aber stellt Tobi seine Gitarre beiseite, nimmt das Mikro aus dem Ständer und beginnt mit Emmy auf der Bühne zu tanzen, während er weitersingt. Die Menge ist begeistert und ich könnte nicht sagen, von wem mehr: Von der kleinen Prinzessin, die mit blonden Locken und pinken Ohrenschützern über die Bühne hopst, oder dem coolen Rockstar, der an der Hand dieses kleinen Mädchens zuckerweich wird.
Emmy dreht an Tobi's Hand eine Pirouette nach der anderen und Tobi muss sie danach davor bewahren, sich vor Schwindel auf den Hosenboden zu setzen, was die Leute nur noch mehr toben lässt. Als der Song vorbei ist, flippt die Menge endgültig aus, als Emmy sich erst formvollendet vor allen verbeugt und dann gebieterisch die Ärmchen nach oben reckt, um sich von Tobi von der Bühne tragen zu lassen.
Lachend trägt Tobi die Kleine zu Rob, die ganz urplötzlich völlig fertig zu sein scheint. Sie hängt schläfrig in seinem Arm und dass Tobi sie an ihren Dad übergibt, scheint sie schon gar nicht mehr richtig wahrzunehmen. Lächelnd drückt Tobi mir einen Kuss auf den Haaransatz und geht dann wieder zurück auf die Bühne und meint auf dem Weg ins Mikro, sodass alle ihn hören können: „Nachdem unser jüngster Fan gerade seinen großen Auftritt hatte, müsst ihr leider wieder mit mir vorlieb nehmen. Ich kann leider nicht so süß in so einem niedlichen Kleidchen vor euch über die Bühne tanzen, aber ich kann für euch meinen absoluten Lieblingssong performen: Sternenhimmel. Los geht's!"

Zwischen 2 Welten - Elena und TobiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt