17. Chaos im Kopf

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Das Licht wurde eingeschaltet und ich brauchte einige Sekunden, um überhaupt etwas zu erkennen.
Dann sah ich den Mann, der die Stufen herunter kam.
Er zog nichts hinter sich her und augenblicklich entspannte ich mich wieder ein bisschen.

,,Und?", fragte er, ,,Willst du mir antworten oder-", er schaute auf seine Armbanduhr, ,,oder noch zwei ein halb Tage warten?"
,,Warten", war alles was ich ihm trocken antwortete.
,,Also gut", murmelte er, ,,du bist wirklich unglaublich stur."
Ich zuckte mit den Schultern und wendete meinen Blick von ihm ab, was blieb mir denn anderes übrig?
Er wendete sich ab und ging die Treppe zurück nach oben.

Verwundert blickte ich ihm hinterher, war das alles was er wollte?
Ich atmete tief durch und schaute mich noch einmal um, während ich darüber nachdachte wie ich die Zeit am besten rum kriegen könnte.
Eigentlich hatte ich keine Wahl, außer auf die Frau und die Schlaftablette zu warten.
Auch wenn ich immer noch mit mir stritt, ob ich sie diesmal nehmen sollte.
Zwar war es nicht real gewesen, aber dennoch wollte ich so etwas nicht noch einmal erleben.
Denn während ich träumte war es mir keinesfalls bewusst gewesen, dass es nicht echt war.

Während ich so da saß und auf irgendwas wartete, ging mir ein merkwürdiger Gedanke durch den Kopf.
Was wenn all das hier auch nur ein Alptraum war?
Also ein richtiger.
Was wenn ich eigentlich gerade in dem Doppelbett in unserem Ferienhaus neben Louis lag und mich hektisch hin und her wälzte, weil all das hier so schrecklich war.

Dann würde ich irgendwann aufwachen und Louis neben mir sehen, der mich besorgt anschauen würde.
Dann würde er durch meine Haare streicheln und mir einen Kuss auf meine Wange geben, ehe er flüstern würde:
,,Alles gut. Ich bin doch da. Du hast nur geträumt."
Ich würde ihn dann anlächeln und liebevoll küssen.

Auch wenn diese Vorstellung unglaublich unwahrscheinlich und so ziemlich unmöglich war, bereitete sie mir doch ein wenig Trost und vor Allem auch ein wenig Hoffnung.
Nachdem wir noch ein wenig im Bett gekuschelt hätten, wären wir aufgestanden, um zu frühstücken.
Zusammen hätten wir alles vorbereitet und ich hätte ihn gewarnt, damit er sich nicht in die Finger schneiden würde.

Ich wischte die Träne weg, welche unbewusst meine Wange herunterrollte, während ich weiter meinen sorglosen Gedanken nach ging.
Wir hätten unseren Urlaub genossen und uns eine schöne Zeit zu zweit gemacht.
Wie konnte alles nur so schrecklich schiefgehen?
Von einer auf die andere Sekunde hatte sich alles unglaublich drastisch verändert.
Und wieso das alles, wusste ich immer noch nicht...

Die restliche Zeit in der ich auf irgendein Zeichen von den anderen wartete, zog sich länger, als ich es mir je hätte vorstellen können.
Auch wenn ich nichts machen musste, oder gerade deswegen war es die Hölle.

Dann endlich kam irgendwann die Frau, genau wie am Vortag.
Sie stieg leise und unscheinbar die Stufen herunter, bis sie mir wieder gegenüber kniete.
Sie gab mir die Wasserflasche und eine andere Tablette.
Sie war runder und hatte eine andere Farbe, als die von gestern.
Verwundert nahm ich ihr beides ab und sah sie dann an.

,,Gestern Nacht", fing sie ruhig an, ,,habe ich dich schreien gehört.
Ich habe nach dir gesehen, aber du hast geschlafen. Bei dieser Tablette ist die Wahrscheinlichkeit, dass du so schlimme Alpträume bekommst geringer."
Nie hatte ich sie so viel auf einmal reden gehört...
,,D-danke", antwortete ich, in der Hoffnung diese Hölle nicht erneut durchleben zu müssen.
,,Er gibt sie dir nicht, weil er Mitleid hat, sondern, weil er selbst nicht schlafen konnte", sagte sie trocken und ich nickte.
Dass er sich nicht um mich kümmerte, war mir klar.

Sie schaute mich fast schon ein wenig tröstend an, ehe sie mir wieder eine Scheibe Brot hinhielt.
Genauso wie letztes Mal verschwand sie dann wieder ohne ein weiteres Wort.
Ich schlang das Brot herunter und versuchte damit irgendwie meinen Hunger zu stillen, den ich den ganzen Tag über eher verdrängt hatte.

Danach schluckte ich die neue Tablette und hoffte, dass es stimmte was sie gesagt hatte.
Vielleicht würde mich die Tablette umbringen, das wusste ich nicht, aber irgendwie vertraute ich ihr ein ganz kleines bisschen.
Außerdem würde es ihm auch überhaupt nichts bringen, wenn ich auch tot wäre.

Vertrauen zu finden war zwar unglaublich schwierig, schließlich war sie auch diejenige, die mich überhaupt erst hier rein gebracht hatte, aber trotzdem tat ich es.
Wahrscheinlich hatte sie nur aus Angst gehandelt.
Genauso wie ich es tat, wenn mir nichts anderes übrig blieb.
Das war das letzte an das ich dachte, bevor ich erneut einschlief.

Zu meiner Überraschung suchten mich diesmal keine Alpträume heim.
Um ehrlich zu sein, wusste ich, als ich aufwachte nicht einmal ob ich überhaupt irgendetwas geträumt hatte.
Wie jeden Tag hatte ich keine Ahnung wie viel Uhr es war oder wie lange ich geschlafen hatte.
Wenn ich mich recht erinnerte war heute der zweite Tag.
Also noch heute und morgen musste ich irgendwie in diesem Keller aushalten, bevor ich endlich meine Antworten bekommen würde.
So oft hatte ich zumindest geschlafen, wer weiß ob es dann auch wirklich Nacht gewesen war?

Mein Handgelenk schmerzte und ich war mir sicher, dass sich dort mittlerweile auch blaue Flecke befanden, sobald jemand diese Handschellen endlich öffnen würde.
Von meinem Knöchel ganz zu schweigen...

Natürlich hatte ich auch an diesem Tag viel darüber nachgedacht wie ich es ein weiteres Mal versuchen könnte zu fliehen.
Doch gerade befand ich mich meiner Meinung nach in einer aussichtslosen Situation.
Die Handschellen waren weitaus robuster als das Seil, mit dem ich zuvor gefesselt wurde.
Und auch hier im Keller gab es weniger Chancen zu entkommen, wenn ich ja nicht mal wusste wann Tag und wann Nacht war.
Und das mit der Toilette konnte ich nicht zweimal durchziehen.
Apropos meine Blase drückte schon wieder.
Das nächste Mal, wenn er runter kommen würde, würde ich ihn darum bitten.
Vielleicht gab es bei der Gelegenheit ja irgendwo eine Uhr im Haus.
Letztes Mal war ich so verwirrt gewesen, dass ich darauf gar nicht geachtet hatte.

Aber so viel stand fest, wenn mir nicht irgendwas neues einfallen würde, würde ich wohl immer in diesem Keller herumlungern.
Irgendwann würde man uns als vermisst melden, aber das könnte sicherlich auch noch eine Weile dauern.
Außerdem wusste ja sowieso niemand wo wir waren und wie lange wir weg bleiben wollten.
Niedergeschlagen legte ich meinen Kopf auf meine Knie.
Es war wirklich eine hoffnungslose Aussicht.

Ganz vielleicht würde er mich ja gehen lassen nachdem er mir alles erklärt hatte und ich immer noch nicht wusste um was es ging.
Vielleicht wusste ich es dann schon, aber dass ich ihm die Antwort auf seine merkwürdige Frage geben konnte, bezweifelte ich trotzdem.
Außerdem war es unwahrscheinlich, dass er mich einfach gehen lassen würde, eher würde er mich wohl umbringen, da ich ihn und sein dreckiges Spiel mit Menschenleben ja sonst verraten könnte.
Als mir das das erste Mal richtig bewusste wurde, bildete sich ein riesiger Kloß in meinem Hals.
Ich musste irgendwie hier raus, bevor es soweit kommen könnte.

Vielleicht könnte ich auf seine finale Frage wo denn das Geld sei auch einfach mit einer Lüge antworten.
Obwohl...dann würde er mich wahrscheinlich umbringen nachdem er rausfinden würde, dass ich gelogen hatte.
Das war also auch keineswegs eine Lösung sondern eher eine kurze Verlängerung der Situation, in der ich mich hier befand.
Selbst wenn ich mich doch wieder daran erinnern würde, falls ich je wusste wo das Geld war und ihm die Wahrheit sagen würde, würde er mich sowieso umbringen, denn dann bräuchte er mich ja nicht mehr.

Das Schlauste was ich tun könnte, wäre weiter so zu tun als wüsste ich wo es wäre, es ihm aber nicht sagen möchte.
Denn dann wäre umbringen für ihn ja keine Option, denn ich war der einzige von dem er diese Information bekommen könnte.
Aber dann gäbe es für ihn wohl andere Optionen, die für mich vielleicht schlimmer als der Tod waren.
Folter beispielsweise, diesem Typ würde ich alles zutrauen.
Ich meine etwas weitaus schlimmeres als drei Tage ohne essen, etwas was dich gerade so nicht umbrachte, deinen Körper zumindest nicht.
Eine neue Welle der Angst überkam mich, als ich darüber nachdachte was er mir alles antun könnte.
Ich wusste zwar nicht viel darüber und das meiste nur von Filmen oder Serien, aber trotzdem hatte ich nicht vorgehabt so etwas selbst einmal zu erleben.

Zwischen Verlust und Hoffnung | Larry StylinsonWhere stories live. Discover now