Lauf, Darling, Lauf!🖤

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Er hat sie erwischt. Das tat er immer.

Sie hätte nicht überrascht sein sollen, als sie spürte, wie sich seine schlanken Arme um ihre Taille legten, so wie ein Kind sein Lieblingsspielzeug festhalten würde – egoistisch und besitzergreifend. Dies war seine Insel, sein Königreich - Neverland zog seine Kraft praktisch von ihm. Die Bäume beugten sich nach seinem Willen, der Himmel und die Meere wüteten mit ihm, wenn er zornig war. Wendy Moira Angela Darling hätte es besser wissen müssen, als zu glauben, dass sie von dessen König unbemerkt bleiben würde.

Sie kämpfte, um sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Sie schlug auf seine Arme ein, zerkratzte sie und versuchte sogar, sie ihn beißen, aber es schien, als würde es ihn nicht einmal verletzen.

"Lassen Sie mich los!", schrie sie, als sie zum ersten Mal ihre Stimme erhob. Es war ein vergeblicher Versuch, fast schon instinktiv. Sie glaubte nicht, dass es funktionieren würde - Pan hört auf niemanden. Aber es klappte. Er ließ sie los, und sie musste dem starken Drang widerstehen, sich einfach aus dem Staub zu machen. Sie musste ihre Gedanken sammeln und nachdenken.

"Siehst du, Vogel, du musst nicht so unhöflich sein. Du brauchst nur zu fragen."

Sie konnte die Belustigung in seinem Tonfall hören, auch ohne ihn anzusehen.

Die Stille war erdrückend. Er wartete auf ihre Antwort, das konnte sie spüren. Aber die würde sie ihm keine geben, nein. Für ihn war das alles nur ein weiteres Spiel. Und sie hatte genug von seinen Spielchen.

"Sieh mich an, Vogel."

Schweigen.

"Sei nicht so stur, Darling, du weißt, was ich mit denen mache, die stur sind."

Immer noch keine Reaktion.

"Ich sagte, Sieh. Mich. An." Er riss sie am Arm und zwang sie, sich ihm zuzuwenden. Ein leises, schmerzhaftes Keuchen entwich ihren Lippen bei dieser plötzliche Aktion. Aber sie würde ihm bis zu ihrem letzten Atemzug trotzen, wenn es sein musste. Sie blickte weiter starr auf den Boden vor sich. Sie würde ihn nicht ansehen, würde ihm nicht geben, was er wollte. Nie wieder. Das naive, kleine Mädchen, das Neverland besucht hatte, war längst verschwunden und durch eine abgehärtete Frau ersetzt worden - eine, die die reale Welt nicht nur gesehen hatte, sondern ein Teil davon war.

"Wendy, sieh mich an."

Ihr blieb der Atem weg. Er hatte sie noch nie Wendy genannt, niemals. Zumindest nicht direkt. Er nannte sie Vogel, Wendy-Vogel, und manchmal sogar Darling. Aber nicht Wendy. Niemals nur Wendy.

Sie fühlte sich gezwungen, ihn anzuschauen. Da war etwas in seiner Stimme, das sie dazu brachte, den Kampf aufzugeben und ihn einfach anzusehen, und das lag nicht nur daran, dass er ihren Vornamen benutzte. Da war Wut und Verzweiflung und noch etwas, das sie nicht einordnen konnte und nicht zu entschlüsseln wagte ... Sehnsucht vielleicht? Nein. Sie war fertig mit diesen Gedanken. Er führte sie wieder an der Nase herum, brachte ihr Inneres durcheinander - ließ sie glauben, dass er tatsächlich zu Verletzlichkeit fähig war. Monster waren zu solch menschlichen Gefühlen nicht fähig. Was auch immer er für ein Spielchen trieb, sie würde nicht mitmachen. Weiterhin hielt sie ihren Kopf gesenkt.

"Gut. Ich wollte nur nett sein, Vogel. Aber du bist zu stur." Knurrte er.

Er packte ihr Kinn mit der anderen Hand und drückte es nach oben.

Da sah sie sie wieder, seine Augen, eine Mischung aus verschiedenen grüntönen, die sie immer wieder dazu brachte in ihnen zu versinken und sich Stück für Stück selbst zu verlieren. Wie schon so viele Male zuvor Rollte einen Welle an vergessenen Gefühlen und Gedanken über sie hinweg und wenn Pan sie nicht so eisern gehalten hätte währe sie unter derer Last sicher zusammengebrochen.

Peter Pan One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt