Sandro - Gewitter

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Der Wind brauste auf und man hörte in der Ferne das erste Donnergrollen. Lang würden wir nicht mehr hier sitzen können, aber die Flasche Wein neigte sich dem Ende, also konnten wir getrost nach Innen verschwinden.

„Hat es geschmeckt?", fragte ich meinen immer noch leicht verträumt dreinblickenden Freund. Es war eine gute Idee gewesen, hier zubleiben. Tat uns beiden gut. Irgendwie hatte ich auf einmal das Gefühl, ewig mit ihm zusammen zu sein. Als wäre es schon immer so gewesen. Einfach vertraut und irgendwo war wir das ja auch. Unser halbes Leben hatten wir schon zusammen verbracht ...

„Klar, hast du super gekocht!", zog er mich auf und lehnte sich dabei lässig in seinem Gartenstuhl zurück. „Kannst mich gern haben!", konterte ich grinsend. „Ist ja nicht jeder so ein Profi wie du! Weißt du was ...", fiel mir plötzlich ein. „... wenn wir zu Hause sind, dann glaub ich einen Mordshunger auf Schweinebraten mit Rotkohl und Knödel zu haben, dazu eine Torta della Nonna! Dann kannst du mir ja mal zeigen, was du so drauf hast!" Immer noch mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen ließ ich sein Gesicht nicht aus den Augen. Schien ihn aber nicht im Geringsten aus der Ruhe zu bringen. „Jetzt kenn ich dich dein halbes Leben lang ...", tadelte ich ihn, weil er mir eine Antwort schuldig blieb. „Wie kann es da sein, dass ich nichts von deinem Talent wusste?" Bis auf das spezielle Weihnachtsmenü durfte ich nie in den Genuss, so gut von ihm bekocht zu werden, kommen. Wir hatten ja lieber Pizza oder Nudeln, oder Pizza bestellt. Das hätte Möglichkeiten gegeben ... „Genau deswegen!", riss er mich förmlich aus den Gedanken.
„Du meinen?", verwirrt blickte ich auf. So in meine Schwärmerei versunken, hatte ich glatt den Faden verloren. „Man konnte dir gerade richtig mit zusehen, wie es in deinem kleinen, hübschen Kopf ratterte. Und du bist scheinbar zu der Überlegung gekommen, mich viel öfters in die Küche zu verfrachten." Lichtete er gütigerweise meinen finsteren Gedankenwald. „Kannst du aber knicken!", fügte er felsenfest an. Dabei schwenkte er lässig sein Glas Weißwein und nippte anschließend daran. „Och, wieso denn??", zog ich schmollend lang. Doch mein bettelnder Akt, wurde von einer Böe, die unsere Servietten mit sich in die Luft riss, unterbrochen. Erneutes Blitzen, unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnern, kündigte an, dass das Gewitter uns erfolgreich erreicht hatte. Und nun über unseren Köpfen hinweg fegte.

Zeitgleich sprangen wir aus unseren Stühlen und sammelten panisch das Geschirr vom Verandatisch zusammen. Nicht mehr lange und es würde hier richtig ungemütlich werden. Und kaum, dass ich das zu Ende gedacht hatte, wir waren gerade dabei die letzten Sachen in Sicherheit zu bringen, setzte auch schon ein prasselnder Regen ein. Dank des Windes half kein Vordach mehr, denn dieser wehte die Regentropfen direkt auf die Veranda.

„Die Weinflasche!", rief mir Lu zu und verschwand hinter der Tür. Widerwillig wandte ich mich um und holte die Flasche. Zwei fingerbreit waren noch darin, die hätten wir getrost dem Gewitter überlassen können.

Immer fester wurde der Regen, durchnässte meine Sachen und ließ mich ganz schnell werden.

Mit bereits nassen Händen griff ich an die Tür und erstarrte. Sie ging nicht auf. Nur ganz kurz ließ mich diese Tatsache stutzen, bevor ein Knurren, gefolgt von einem grollenden Lachen meine Kehle verließ.

„Du mieser Schweinehund!", schrie ich immer noch lachend durch die verschlossene Tür. Der Himmel hatte nun vollends seine Schleusen geöffnet und es schüttete wahre Kübel auf mich hinab. „Mach sofort auf, oder ..."

„Oder was?", drang es ebenfalls lachend durch das Holz, welches uns voneinander trennte. Das Blut in meinen Adern begann zu Kochen. „Oder ich dreh dir den Hals um!", knurrte ich zurück. Bereits von Kopf bis Fuß durchnässt und tropfend wie ein begossener Pudel.

„Nur wenn du ganz lieb fragst!", vernahm ich und traute meinen Ohren nicht. Der traute sich vielleicht was.

„Lu ...", brüllte ich durch die Tür. Und wollte grade meine Worte tatkräftig unterstützen, indem ich nochmals mit der Faust dagegen schlug. Da wurde die Tür aufgerissen und ich taumelte ins Innere hinein. „Stürmisch, wie der Sturm ...", begrüßte mich mein liebreizender Freund, in dem er mich gütiger Weise vom Straucheln abhielt und auffing. „Aber musst du dabei so klatsch nass sein?", wurde mir auch noch netterweise an den Kopf geworfen. „Na warte ...", knurrte ich ihn an und bevor er auch nur reagieren konnte, hatte ich ihn mit meinem Körper an die Wand gepresst. Seine Handgelenke dabei fest umschlossen, auf Höhe seines Kopfs. „Du machst mich nass ...", stöhnte mein Liebster unter meiner Last.

„Weiß Gott, das ist nicht das Einzige, was ich jetzt mit dir mach ...", flüsterte ich mit rauer Stimme gegen sein Ohr und erntete ein Keuchen. Langsam löste ich den festen Griff um seine Handgelenke, fuhr mit meinen kalten, nassen Fingerspitzen über seine, wie mir vorkam, heiße Haut. Spürte das Zucken der Muskeln durch die Haut hindurch, auf meinem Pfad hinab zu den Achselhöhlen. Ließ ihn zu keiner Zeit aus den Augen. Würde er nicht wollen, würde ich augenblicklich aufhören, auch wenn er das nicht wusste. Doch was ich sah, hatte rein gar nichts mit Zögern oder Angst zu tun. Seine Augen fielen zu, bebten, seine Zunge schoss vor, fuhr sich langsam über die Lippen und hinterließ einen feuchten Glanz.

Mein ehrfürchtiges Innehalten, schien nicht unbeachtet geblieben zu sein, denn langsam und etwas verunsichert schlug er erneut seine Augen auf. Ein glühendes Braun traf meinen Blick. Mein Atem geriet ins Stocken. Niemals, in all den Jahren hätte ich geglaubt, dass dieser Blick mir gelten würde. Geträumt, gehofft, gewünscht ... aber wirklich daran geglaubt ... nie ... Wie in Trance fuhren meine Finger über seine Schultern, suchten sich ihren Weg hinauf zu seinem Hals. Streichelten dabei sanft seine weiche Haut, hinterließen eine Gänsehaut. Wussten ganz genau, was sie wollten und ich ließ sie gewähren. Immer noch fasziniert von diesen Augen, die mich, mich alleine, so ansahen. Die Fingerspitzen erreichte ihr Ziel, strichen leicht über die Wangen, gekitzelt von feinen Stoppeln.

Mit leichtem Druck in seinem Nacken zog ich ihn näher, immer noch versunken in seinen Anblick. Vorsichtig, ja fast schon zaghaft, um diesen ehrwürdigen Moment nicht zu zerstören, senkte ich meine Lippen auf die Seinen. Hitze flutete einen Körper, setzte alles aus und die Welt blieb stehen.

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt