Kapitel 15

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Es war nun eine Woche seit dem fast Kuss vergangen. Heute also wieder eine Nachhilfestunde. Ich war nervös. Jason hatte mich gebeten, die heutige Stunde bei mir zu machen, da seine Mum – ich glaube ihren Geburtstag – feierte. Das war auch so ziemlich das Einzige, was er seither zu mir gesagt hatte. Sonst hatte er mich strikt ignoriert und jeden Versuch meinerseits, mit ihm zu reden, zu Nichte gemacht. Ich rieb mir die Augen. Die ganze Nacht hatte ich nicht schlafen können und war immer wieder zu dem Gedanken zurückgekehrt, dass Jason heute zu mir kam. Ich wusste selbst nicht, warum mich das so beschäftigte.

Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu dem fast Kuss. Ich bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf und langsam konnte ich mich nicht einmal mehr entscheiden, ob ich es nicht doch bereute, dass Jasons Mutter reinkam und den Kuss unterbrochen hatte. Erst war ich darüber froh gewesen, auch wenn mein Körper anderer Meinung gewesen war.

Jäh wurde ich von einem Klingeln unterbrochen.

Jason war da.

Kurz sah ich mich nochmal in meinem Zimmer um. Da wir nicht direkt nach der Schule nach Hause gekommen waren, hatte ich zum Glück noch Zeit gehabt aufzuräumen. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass keine Wäsche mehr rumlag oder irgendetwas nicht an seinem Platz war, machte ich mich auf den Weg nach unten.

Schon auf der Treppe hörte ich die Stimme meiner Mutter. „Hallo, du musst Jason sein. Ich bin so froh, dass Lucy sich doch noch entschieden hat, dir Nachhilfe zu geben. Komm doch rein."

„Vielen Dank Miss Jackson. Es freut mich Sie kennenzulernen." Dieses widerlich charmante Lächeln auf Jasons Gesicht verursachte bei mir Brechreiz. Doch meine Mutter fiel voll auf ihn rein. „Du kannst mich gerne Tanya nennen." Mit einem freundlichen Lachen zeigte sie ihm, wo er seine Schuhe abstellen konnte. Mit entsetztem Gesicht beobachtete ich das Schauspiel. Dabei entging mir nicht, wie sie ihn musterte. Ich konnte bloß hoffen, meine Mum kam nicht auf irgendwelche falschen Gedanken.

Jason begrüßte mich mit einem kurzen Nicken. Der Blick meiner Mutter wanderte zwischen uns beiden hin und her, dann begann sie breit zu grinsen. Oh nein, sie führte doch hoffentlich nichts im Schilde! Ich musste mit Jason hier weg, bevor sie noch auf dumme Gedanken kam.

„Wir sind dann oben Mum."

„Wollt ihr denn nicht noch eine Kleinigkeit essen oder trinken?", fragte die mit einem unschuldigen Augenaufschlag. Sie wusste, dass ich ahnte, sie hatte etwas vor. Insgeheim war ich überrascht, da sie sonst immer strikt gegen Jungs war, doch anscheinend war sie von Jason hin und weg. Was mich bei seinem verwegenen Lächeln auch nicht wundern sollte.

„Gerne doch, Tanya", hörte ich Jason sagen und bevor ich etwas dagegen einwenden konnte, saßen wir auch schon an unserem einfachen Esstisch und aßen Kekse. Was hatte sie vor? Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete ich sie in der Hoffnung, einen Hinweis in ihrer Miene zu erkennen. Doch sie beherrschte ihr Pokerface perfekt.

„Wollen wir dann endlich hochgehen, Jason?", fragte ich und stand auf. Ich dachte schon wir wären meiner Mum entkommen, aber da hatte ich mich getäuscht.

„Ach Jason, du bist so ein netter Junge. Hättest du nicht Lust und morgen auf unseren Familienausflug zu begleiten?" Fuck! Wie konnte ich das vergessen? Fast schlug ich mir gegen die Stirn. Wir hatten die Tradition einmal im Monat irgendeinen Ausflug als Familie zu machen, da wir sonst nicht allzu viel Zeit miteinander verbrachten. Aber es durfte auf keinen Fall passieren, dass Jason uns begleitete.

„Nein!", rief ich, doch hörte ihn im selben Moment schon „Ja" sagen.

„Na dann, freuen wir uns dich morgen als Begleitung dabei zu haben."

Wieso hatte Jason das getan? War er verrückt? War ihm denn nicht klar, dass das nur in einem Desaster enden konnte? Und war nicht er es gewesen, der mich in der letzten Woche so unbedingt meiden wollte? Seine aufgerissenen Augen verrieten mir, dass seine Antwort mehr ein höflicher Reflex gewesen war, als eine freiwillige Entscheidung. Doch warum sagte er dann jetzt nicht nein? Vielleicht war er doch nicht so abgeneigt gegen mich, wie ich befürchtet hatte. Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen.

Verschwunden und VergessenWhere stories live. Discover now