Kapitel 24

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Jason

Ich war wütend. Extrem wütend, aber viel mehr war ich entsetzt. Wie konnten Lucys Eltern ihr das nur antun? Jetzt wo sie eigentlich die meiste Unterstützung brauchte. Ich war mir zwar wohl bewusst, dass sie sich nicht dafür entschieden hatten, Lucy zu vergessen, aber Fakt war, umso mehr man die betroffene Person liebte, umso langsamer vergaß man sie. Und es waren immerhin Lucys Eltern. Ich will mir gar nicht ausmalen, was für ein Schock das gewesen sein muss. Auch wenn ich zu meinen Eltern nicht gerade die beste Beziehung hatte, wäre ich dennoch extrem verletzt, sollten sie mich nicht wiedererkennen.

Deshalb war ich auch so erleichtert, Lucy jetzt bei mir zu wissen. Ich wusste zwar, dass sie mich immer noch hasste, dafür dass ich ihr alles verschwiegen hatte und ich konnte sie auch verstehen. Aber sie war nun mal meine Seelenverwandte und ich würde alles tun, um sie zu beschützen. Auch wenn mein Dickschädel eine Zeit lang gebraucht hat, um zu kapieren, dass ich sie brauchte und nicht einfach so gehen lassen konnte. Deshalb wollte ich auch, dass sie sich für mich entschied.

Jedoch wusste ich selbst wie ausweglos die Situation war.

Da hatte Lucy doch Glück so einen Bruder zu haben, der sich um sie sorgte. Das konnte ich von meinem ja wohl schlecht behaupten.

Wie auf Knopfdruck drehte ich meinen Kopf und blickte meinem Zwilling direkt in die Augen. Früher konnte ich noch problemlos die Gedanken hinter diesem undurchdringlichen Gesichtsausdruck lesen. Aber jetzt war er mir ein einziges Rätsel.

Im Moment war James zwar der liebende und nette Bruder, aber ich wusste genau, dass er auch anders konnte.

Ich kannte ihn schon seit Jahren und wusste, was für ein Teufel hinter dieser jetzt noch Engelsgleichen Maske steckte. Sie durfte auf keinen Fall ihn wählen, denn das würde schlimme Konsequenzen mit sich tragen.

Leider befürchtete ich, dass sie sich für ihn entschied, da ich genau ihre Verachtung mir gegenüber spürte. Zu allem Übel durften weder James noch ich, sie in irgendeiner Weise beeinflussen, das hatte unsere Mutter uns ausdrücklich verboten, da es ihr dann noch schwerer fallen würde. Und nicht nur unsere Mutter hatte es so gesagt. Es war allen Seelenverwandten verboten, die Entscheidung seines Partners zu beeinflussen. In den meisten Fällen war dies auch gar nicht nötig.

Jedoch hatten meine Entscheidungen und James „tolles" Verhalten sehr wohl als Einfluss gewirkt. So würde sie immer mit dem Gedanken an die Sache gehen, dass ich sie belogen hatte und James der „Retter" war.

Zugegeben war es dieses Mal wirklich so gewesen, aber ich wollte ihr nie wehtun. Ich war nur dumm und egoistisch und als James daherkam hatte er gleich die Situation ausgenutzt. Und ich hatte einfach nicht aufgehört mich wie ein Arschloch zu verhalten.

„Du solltest dich so bald wie möglich entschieden haben. Wir wissen nicht wie viel Zeit uns noch bleibt", sagte James auf Lucy fokussiert. Diese hob nur träge den Kopf und sah uns auf der Lippe kauend an. Man konnte sie Zweifel förmlich spüren, die sich in ihr wie Ranken ausbreiteten.

„Aber wir wissen ja schon genau so gut wie du, wen du nehmen wirst."

Ich trat James mit voller Wucht gegen sein Bein. Mit Vergnügen beobachtete ich, wie er zusammenzuckte.

„Wie bitte?", fragte Lucy verwirrt. Innerlich hoffte ich sehr, dass sie jetzt endlich verstehen würde, wie James eigentlich war. Doch wie immer versuchte er sich mit einem schleimigen Lächeln herauszureden.

„Tut mir leid, das war etwas blöd ausgedrückt. Ich bin nur immer noch wütend auf meinen Bruder, dass er dich angelogen hat. Ich denke ich würde mir einfach zu viele Sorgen machen, wenn du ihn wählen würdest."

Dieser verdammte...

„Es ist deine freie Entscheidung und wir wollen dir da auch gar nicht reinreden. James ist nur manchmal ein Idiot und versucht dich zu beeinflussen." Sanft lächelte ich sie an.

„Wenigstens habe ich dich nicht angelogen."

Ich hob die Augenbraue. „Ach, jetzt fangen wir also so an und probieren die Masche?"

Doch James zuckte nur mit den Schultern. „Man darf doch wohl seine Seelenverwandte von sich überzeugen wollen, oder etwa nicht Jason?" Am liebsten hätte ich ihm dieses dreckige Grinsen aus dem Gesicht gewischt, doch ich erinnerte mich gerade noch rechtzeitig daran, dass wir nicht allein waren. Herausfordernd blickte er mich an, dann wandte er sich ab.

„Komm mit ich zeig dir dein Zimmer." Damit stand James auf und Lucy folgte ihm. Dann war ich allein.

Wie ich ihn hasste. 

Verschwunden und VergessenWhere stories live. Discover now