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Jennifer fühlte sich schrecklich, sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Wollte am liebsten ihre Oma in den Arm nehmen, aber das würde es noch seltsamer machen. Sie brauchten einen Themenwechseln, das Rascheln der Zettel wurde plötzlich unangenehm laut. Am liebsten wäre ihr jetzt eine Pause, aber dafür war heute nicht genug Zeit. 

„Bist du damals auch arbeiten gegangen?" Ihr Versuch war ungeschickt, aber besser als still zu bleiben war es trotzdem. "Als deine Mama und dein Onkel noch klein waren nicht, aber dann hab ich die Ausbildung zur Kindergärtnerin gemacht. Nicht weil ich musste sondern weil es mir Spaß gemacht hat. Dein Opa hat nicht schlecht verdient als Techniker und wir hatten nur eine kleine Wohnung. Das meiste Geld haben wir eigentlich für Urlaube ausgegeben. Und dann natürlich für den Garten hier." „Stimmt, ihr habt den Garten schon recht lange, oder?" „Zuerst haben wir uns den Garten geteilt, mit Freunden, aber als sie umgezogen sind, haben wir ihn dann alleine übernommen. Der Garten hat uns gutgetan, besonders, wenn wir Streit hatten." „Das kann ich mir gar nicht vorstellen, also dass ihr Streit hattet!" „Oh, eine Beziehung, ob nun verheiratet oder nicht, das ist viel Arbeit. Du kannst jemanden noch so sehr lieben, wenn man sich nicht bemüht und miteinander redet wird es trotzdem nicht funktionieren. Jeder bringt seine Erfahrungen und Fehler mit in die Beziehung und äußere Umstände sind auch nicht zu unterschätzen. Ich denke sogar das, wenn man nicht streitet, ist das ein schlechtes Zeichen." Sie nickte bei dem letzten Satz, um sich selbst zu bestätigen. 

Jennifer saß noch eine Stunde mit ihrer Oma an dem Tisch, wollte immer mehr über ihr Leben wissen, bis sie auf die Uhr sah. „So spät schon! Danke Oma, dass du mitgemacht hast." „Gerne doch mein Schatz, es hat gut getan, mit dir zu reden. Du weißt aber, dass du mich auch ohne Kamera ausfragen kannst?" Ihre Oma drückte ihre Hand und lächelte. „Also dann auf an die Gartenarbeit." Jennifer verstaute ihre Sachen im Rucksack und sie machten sich daran, die abgeknickten Äste einzusammeln. Der Sturm hatte einiges kaputt gemacht, der Zaun war auf der einer Seite umgekippt doch gemeinsam konnten sie ihn wieder aufrichten. Ausgestattet mit den Resten des Kuchens und einem Haufen Schnittlauch in einer Jausenbox machte sie sich schließlich auf den Weg zum Bus. Es schon dunkel und sie beschloss diesmal gleich Matt anzurufen. „Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du mich noch anrufst." Sagte Matt ohne jegliche Begrüßung. „Hab ich doch gesagt, und bevor du fragst, es lief super und ich hab alles zusammen." Zum ersten Mal seit langen fühlte sie sich richtig gut. Mit ihrer Oma Zeit zu verbringen versetzte sie in den unbeschwerten Teil ihrer Kindheit. „Well done! Aber jetzt zu der Frage des Tages!"

Jennifer drückte das Handy an ihr Ohr, um ihn besser zu verstehen. „Ok, ich höre." „Salzig oder Süß?" Sie musste kurz auflachen, mit einer derart banalen Frage hatte sie nicht gerechnet. „Salzig! Nein, Warte süß." „Na, das hat mir jetzt nicht geholfen." „Tschuldigung!" Nach einem kurzen Blick aus dem Fenster sprang sie auf und quetschte sich an den Menschen im Bus vorbei, die unbedingt vor der Tür stehen mussten, obwohl sie nicht ausstiegen. 

„Wofür brauchst du die Antwort überhaupt?" „Für die Party, ich weiß nicht, was die Leute mehr mögen." „Dann nehm ich was Süßes mit, ich hab noch einen Haufen daheim. Sag mal, hast du eigentlich die Erlaubnis deines Vaters?" „Keine Sorge, ich hab natürlich keine Erlaubnis, aber er ist zu dem Zeitpunkt auf einem anderen Kontinent. Er wird nichts mitbekommen." Die Geräusche im Hintergrund hörten sich an, als ob gerade jemand nach Hause kam. „Ich muss jetzt los, wir sehen uns!" Er hatte aufgelegt, bevor sie sich verabschieden konnte. Typisch Matt! 

Langsam ging Jennifer durch den Park, der zu ihrem Wohnkomplex führte, die frische Luft war angenehm und kühlte ihre brennenden Wangen. Laura hatte ihr mehrere Nachrichten geschickt, ihre Mutter nicht eine einzige. Seufzend blieb sie vor der Eingangstür stehen und suchte nach dem Schlüssel. Schritte auf dem Kiesweg hinter ihr ließen sie herumfahren, bei den Büschen stand jemand. Viele Menschen lebten hier und waren gerade auf dem Weg nach Hause, trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Der Statur nach war es ein Mann, er rauchte und sah jetzt direkt zu ihr. Jennifer beeilte sich, sperrte die Tür auf und zog sie hinter sich zu. 

"Jennifer, da bist du ja endlich!" Ihre Mutter stand vor dem Spiegel im Vorzimmer und zog ihren Lippenstift nach, der Stress war ihr ins Gesicht geschrieben. "Ich war bei Oma, ich hab dir eine Nachricht geschrieben!" Für einen Moment beobachtete sie ihre Mutter, sie hatte ein enges Kleid an und war zu stark geschminkt. Ob sie einen neuen Freund hatte? "Ich gehe heute noch mit ein paar Kollegen aus, jemand hat Geburtstag und wir wollen das feiern. Hier!" Ihre Mutter drückte ihr einen zehn Euro Schein in die Hand. "Bestell dir doch eine Pizza!" Ihr Handy läutete, sie drückte den Anruf weg und nahm sich ihre Jacke und ihre Tasche. "Mama..." "Ich muss los, sie warten schon." Ihre Mutter gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ging. Jennifer stand mit dem Schein in der Hand in Vorzimmer, sie war sich nicht ganz sicher, was sie gerade fühlte. Vor allem wollte sie nicht nachdenken, es war klar, dass sie wieder log. Zu viele Vermutungen und Fragen bildeten sich in ihrem Kopf, es fing wieder an und diesmal wollte sie nicht mitspielen. Jennifer legte den Schein weg und vergrub sich in ihrem Bett.

ꕤ Vergissmeinnicht ꕤWhere stories live. Discover now