Kapitel 3

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Derek

Was zur Hölle war gerade eben passiert? Unsicher blickte Derek Thomson der bildhübschen, aber aufgebrachten Schönheit, die eben noch in seinem Armen gelegen hatte und welche jetzt hinter der Tür der Damentoilette verschwand, hinter her. Sie hatte so in seine Arme gepasst, als ob sie genau dafür geboren worden wäre. Große Augen in einem tiefen Haselnusston blitzten vor ihm auf. Ihre Farbe war leuchtend und warm gewesen, wie flüssige heiße Schokolade. Er hätte darin ertrinken können, wenn sie sich nicht so abrupt von ihm losgemacht hätte. Nur um dann von Derek wegzustürzen. Ein warmer wohliger Schauer jagte seinen Rücken hinauf und ließ sich seine Nackenhaare aufstellen. Gedanken an ihre hohen Wangenknochen, welche von dezenter Röte überzogen wurden, als sie mit leicht geöffneten Lippen errötet war, summten durch seinen Verstand. Ihre Lippen: Die vollsten und wunderschön geschwungensten Lippen, die er jemals gesehen hatte. Einfach wie gemacht, um von ihm geküsst zu werden.

Eine Hand legte sich auf Dereks Schulter und ließ ihn zusammenzucken. Blinzelnd drehte er sich zu der Person um, deren Hand immer noch mit leichtem Druck auf seiner linken Schulter verharrte. Davids Blick zeigte Dreierlei an: uneingeschränktes Interesse, unendliche Amüsiertheit und eine aufblitzende Sorge. Er kannte seinen besten Freund eindeutig zu lange. Sonst hätte er es niemals geschafft, die stumme Konversation mit einem Blick aufzulockern. Also zog Derek seine Mundwinkel zu einer leichten Grimasse und hob kurz die Schultern, um so seinem Freund zu verstehen zu geben, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Dieser verstand wortlos und ließ sogleich seine Hand von Dereks Schulter sinken.

»Na, jetzt hast du meine neue Mitbewohnerin ja auch mal direkt kennengelernt«, Eliza streckte ihren Kopf hinter Davids breitem Rücken vorbei und grinste ihn frech an.

David schnaubte hörbar, sagte allerdings nichts. Vermutlich hatten Liz und er die Szene mehr als interessiert beobachtet und er wusste, dass Liz nur so überschäumte vor Neugierde. Wie lange hatte er ihre Mitbewohnerin wohl in seinen Armen gehalten. Er wusste es nicht. Für seinen Geschmack war die Zeit, in der er ihre weiche Wärme gespürt hatte, jedoch eindeutig zu kurz gewesen. Himmel Herrgott nochmal, was hatte ihm diese Frau nur angetan, dass ihm allein beim Gedanken daran, sie in den Armen zu halten, sowohl die Luft wegblieb, als auch die Hose eng wurde.

Als ob seine Kindheitsfreunde seine Gedanken lesen konnten, ließen sie prüfende Blicke über seinen Körper wandern. Wobei Davids Blick verdächtig lange auf der Höhe seines Hosenlatzes verharrte. Schnell drehte Derek sich zur Seite, indem er versuchte so lässig wie möglich den Unterarm auf der Theke abzulegen und sich so vor ihren gierigen Blicken zu schützen.

Dann setzte er ein gewinnendes Lächeln auf: »Dave, wenn du mir solange auf den Schritt starrst, kommen die Damen hier wohl oder übel auf falsche Gedanken!« Derek knuffte seinen besten Freund spielerisch in die Seite. Sie waren bereits seit er denken konnte die besten Freunde. Ihre Mütter waren bereits seit ihrer Kindheit die besten Freundinnen gewesen, waren zusammen zur Schule und in die Universität gegangen. Schließlich hatten sie auch im selben Jahr geheiratet und im selben August desgleichen Jahres ihre Söhne bekommen. Derek glaubte zwar eigentlich nicht an Schicksal. Doch David und er waren wie Brüder. So war es schon immer gewesen und so würde es immer sein. Im Kindergarten hatte sich den beiden „Brüdern" letzten Endes noch Eliza angeschlossen und ihr unzertrennliches Trio somit vollendet. In den letzten Jahren waren sie nur noch enger zusammengewachsen, weshalb kein Tag verging ohne, dass die Drei Kontakt hatten.

»Also wenn du mich fragst, weiß jede Lady hier in dieser Bar, dass ich der wohl begehrteste Junggeselle der Stadt bin und nur so auf sie warte.«, David verzog die Mundwinkel zu eben jenem sexy Grinsen, was schon unzählige Frauenherzen hatte erst höherschlagen und dann brechen lassen. Gekonnt lässig ließ er sich mit dem Rücken gegen die Theke sinken und stütze sich auf die Ellenbogen, wobei sein Blick durch die Menge schweifte.

»Ja, Elvis. Allerdings weiß auch jede Frau in ganz London, dass ihr Bett am nächsten Morgen kalt und die Telefonnummer vom vorigen Abend nicht vergeben ist. Oder warum sind deine Beutezüge sonst meistens ohne Erfolg? Du wirst doch nichts von deinem Charme verloren haben, oder?«, Liz bohrte David ihren Zeigefinger in die Brust. Der gespielt schockiert, aber doppelt so breit grinsend die Hände zur Abwehr hob.

Derek konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn die Beiden ließen einfach keine Gelegenheit aus, um sich gegenseitig zu piesacken, necken oder herauszufordern. Bereits im Kindergarten standen sie im ständigen Wettbewerb miteinander. Selbst, wenn sie morgens gemeinsam joggen gingen, mussten sie gegenseitig ihre Bestzeiten übertreffen. Einer der Gründe, weshalb Derek jeden Morgen lieber allein lief. Einen Herzinfarkt wollte er nämlich mit seinen bald 31 Jahre einfach noch nicht riskieren, indem er so aussichtslose Unterfangen versuchte, wie mit David und Liz beim Laufen mitzuhalten.

»Naja, sieht so aus, als wären wir jetzt zu viert!«, Davids breites Grinsen war einem ernsten Gesichtsausdruck gewichen. Sein belustigter Blick war verschwunden und sein Augenrollen in Richtung der Damentoilette gab Liz ein Zeichen, dass sie mal nach ihrer neuen Freundin sehen sollte.

Plötzlich tauchte vor Dereks innerem Auge wieder dieses schöne Augenpaar auf. Doch diesmal fiel ihm auch der Ausdruck auf, welcher in ihnen zu sehen war. Es war eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und purer Panik, die ihm entgegengeblickt hatte. Warum war es ihm nicht früher aufgefallen? Gut, vielleicht lag es daran, dass ihre gesamte Existenz ihn sofort verzauberte und in ihren Bann zog. Dennoch spürte er einen scharfen Stich in seiner Brust. Zweifellos kein guter Start mit der schönen Unbekannten.

»Klär mich mal auf!«, Derek warf Liz einen kurzen Blick hinterher, die gerade in der Damentoilette verschwunden war, wandte sich dann aber zu David um. Es waren noch keine zwei Monate vergangen, seit Liz ihnen eröffnet hatte, dass sie sich eine neue Wohnung in der City suchte und nun eine neue Mitbewohnerin begrüßen würde. Damals waren David und er fassungslos darüber gewesen, jedoch mit der Zeit hatten sie sich an den Gedanken gewöhnt. Nun war Liz am vergangenen Wochenende aus ihrer gemeinsamen mehrstöckigen Wohnung am südlichen Ende Londons in ihr neues Quartier in der Nähe des Hyde Parks gezogen. Sie schien wirklich glücklich darüber zu sein, weshalb es für Derek vollkommen in Ordnung ging. Auch wenn er sie bereits vermisste. Schließlich waren sie nie lange getrennt voneinander gewesen und Liz war die kleine Schwester, die er nie gehabt hatte. Dennoch würde Liz ihre Gründe für ihren Neuanfang mit der unbekannten Schönheit sicher haben.

David, der sich anscheinend auch gedanklich sortiert hatte, fasste die Ereignisse kurz für ihn zusammen: »Dein erster Flirt des Abends ist Sophie Mayer, Lizzies neue Mitbewohnerin. Sie ist heute aus Deutschland hier angekommen und fängt ab nächste Woche in einem großen Unternehmen in der Personalabteilung an. Jetzt frag mich nicht welches, sie hat es nicht gesagt. Lizzie hat mir vorhin nur eine kurze Sprachnotiz geschickt, in der sie mich informiert hat, dass sie heute Abend herkommen würden. Anscheinend wurde Sophie in ihrer alten Firma in Deutschland übel mitgespielt, weshalb sie quasi Hals über Kopf nach England geflüchtet ist. Mehr weiß ich nicht! Hoffentlich war Lizzies Entscheidung richtig.«

»Ich weiß, du willst es nicht hören, aber unsere kleine Liz ist mit ihren 27 Jahren schon lange eine erwachsene Frau und kann tun und lassen was sie will und vor allem mit wem sie will. Daran wird auch weder dein übermäßig großes Ego, noch dein übergriffiger Beschützerinstinkt jemals etwas ändern.« Den letzten Teil seiner Aussage hatte er sich einfach nicht verkneifen können. Derek boxte David gespielt dramatisch gegen den Oberarm, dessen Blick jedoch preisgab, dass er den Seitenhieb verstanden hatte.

»Sagt derjenige, der vorhin wie ein Ritter in goldener Rüstung die holde Maid aufgefangen hat und ...«, der Rest von Davids beleidigtem Gemurmel ging im Lärm der Bar unter. Es war gerade ein Tor für Chelsea gefallen. 

Mr. Right Is My BossWhere stories live. Discover now