❄︎ 𝟸𝟷 ❄︎

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𝟸𝟷. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎

Vor der Wohnung Nummer 21 hielt Noël kurz verwirrt inne, auch weil vor seinen Augen noch ein paar Lichtpunkte tanzten. Im ersten Moment dachte er, er hätte falsch gesehen, aber tatsächlich: Jemand hatte weitere Zahlen um die ›21‹ herum an der Wand befestigt. Jetzt stand da ›2x21=42‹. Wohnte dort jemand, dessen Lieblingszahl die ›42‹ war? Er konnte es sich nicht anders erklären. Mindestens genauso sehr wunderte ihn die Aufschrift des Fußabtreters: ›ε < 0‹.

Woher hätte Noël als Psychologie-Student auch wissen sollen, dass es sich bei beiden Dekorationen um Witze handelte, die unter Naturwissenschaftlern geläufig waren? Wer nach der Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest suchte, bekam als Antwort ›42‹. Und wer in einer Mathe-Vorlesung behauptete, dass Epsilon kleiner als Null war, würde sich einen ordentlichen Lacher seines Professors einfangen.

In der Wohnung selbst war es so dunkel wie im Gehirn eines Studenten während der letzten Minuten einer Abschlussklausur, in der ihm noch mehr als die Hälfte der Aufgaben fehlten. Die Rollläden waren runtergelassen, die Vorhänge zugezogen. Nur ein Computerbildschirm, dessen Helligkeit natürlich auf das Minimum heruntergeschaltet war, brachte etwas Licht in die Dunkelheit. Beziehungsweise auf das Gesicht von Amal Bansi.

Der Physik-Student im letzten Semester seines Bachelors kaute nervös an seinen Fingernägeln, während er mit den Augen die schrecklichsten Code-Zeilen betrachtete, die es je auf diesem Planeten gegeben hatte.
„Mach alles in eine Funktion", hatte man ihm gesagt. „Mach aus deinem Preprocessing eine Klasse und pack deine Hyperparameter in eine einzelne Datei. Und dokumentiere!"
Tja, hatte er alles nicht gemacht. Sein Abgabetermin war in drei Tagen und er hatte noch nicht mal zu schreiben angefangen. Am liebsten würde er einfach alles hinschmeißen und sich um das kümmern, was ihn eigentlich interessierte: Astronomie und die Suche nach außerirdischem Leben.

Zu Beginn seines Studiums hatte er gehofft, mehr über die ganze interessante Physik zu verstehen: Wie ist das Universum entstanden? Wo ist die Antimaterie hin? Was zum Henker ist Gravitation, über die in dem Film Interstellar immer wieder geredet wird? Und natürlich: Gibt es außerirdisches Leben?
Meinetwegen nicht mal intelligentes, aber irgendeines wird es doch wohl geben?, dachte Amal, riss seinen Blick vom Bildschirm los und sah hinüber zu der Signalaufzeichnung seiner Radioantenne.

Er hatte sie selber zusammengebaut – noch im ersten Semester – und dann zusammen mit dem ganzen technischen Kram, der dazu gehörte, draußen an dem Geländer seines Balkons befestigt. Ein viel zu dickes Kabel – was bewirkte, dass die Balkontür nicht ganz zu ging und er den Spalt mit Styropor hatte zustopfen müssen – führte von ihr zu dem Aufzeichnungsgerät, das rund um die Uhr arbeitete. Als er das erste Mal die Stromrechnung gesehen hatte, wäre er beinahe tot umgefallen. Jetzt starb er nur noch zu ungefähr 90 %.

Wie immer zeichnete das Gerät nur das übliche Hintergrundrauschen auf. Die ganzen Störsignale von den Antennen seiner Nachbarn – auch denen auf der gegenüber liegenden Straßenseite –, die für seinen Geschmack viel zu oft den Fernseher anschalteten. Dann die ganzen Störungen auf den Frequenzen der Stromleitung und noch weitere unangenehme Nebeneffekte.

Amal hatte das Gerät so programmiert, dass eine rote Lampe aufleuchtete, sobald irgendein Signal aufgenommen wurde, dass sich mit einer Standardabweichung von fünf vom üblichen Hintergrundrauschen abhob. Aber diese Lampe war noch nie aufgeleuchtet. Auch jetzt starrte ihn die dunkle Kunststoffkugel traurig an.
Amal seufzte und versuchte, sich wieder auf seinen Code zu konzentrieren, aber es ging nicht. „Warum bin ich nur so dumm?", stellte er sich leise flüsternd die Frage, die sich bestimmt jeder Naturwissenschaftler schon mal gestellt hatte.

𝟸𝟺 𝚆𝚘𝚑𝚗𝚞𝚗𝚐𝚎𝚗 - 𝙴𝚒𝚗 𝙰𝚍𝚟𝚎𝚗𝚝𝚜𝚔𝚊𝚕𝚎𝚗𝚍𝚎𝚛Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt