❄︎ 𝟷𝟿 ❄︎

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𝟷𝟿. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎

Die nächste Tür war in einem strahlenden Aquamarin. Auffällig hob sie sich von der hellen Tapete ab, die den Flur zierte, durch den Noël weiterlief im Kopf noch den Song von gerade eben. Abgesehen von der knalligen Farbe war sie jedoch ziemlich normal.
In goldenen Lettern war die Zahl 19 drangeschraubt.
Nur die 1 hing schief wie ein umgekippter Pfeil, weil Ron Trobald beim Anbringen in Eile gewesen war. Aber wer könnte es ihm übel nehmen? Nach langen Monaten voller Veränderung hatte er sich seinen Weihnachtsurlaub in Bali wohl verdient. Die Türlettern mussten noch vor der Abreise angebracht werden, damit die kitschigen Grußkarten seiner Tante und die restliche Post einen Weg zu ihm fanden.

Der Umzug kurz vor Jahresende war nicht Rons beste Idee gewesen - aber, hey! Es war Berlin! Er hatte beschlossen, mit seinem Neujahrsvorsatz schon einige Tage eher als alle anderen anzufangen. Die Radio-Redanktion die Straße runter hatte ihn nach dem gelungenen Vorstellungsgespräch angenommen. Von seinem ersten Dezember-Gehalt gönnte Ron sich erstmal Urlaub.
So kam es, dass Apartment 19 über die Tage leer stand und die Post sich wie geplättete Marshmallows auf dem Briefkasten auftürmte.
Noël zwang sich vorsichtig vorbei zu gehen. Leider vermutete er, dass ein einzelner Windstoß den ganzen Stapel umstürzen lassen würde und er hatte keine Lust, die Brieflawine wieder einzusammeln zu müssen.
Auf Zehenspitzen passierte Noël die Wohnung, die allerdings - was er nicht wusste - auf magische Weise nicht mehr leer stand.

Ein grüner Fellbüschel huschte hinter den Weihnachtsbaum und schnippte dabei 'versehentlich' reihenweise Christbaumkugeln herunter.
„Weg mit dir, und mit dir, und mit dir!" Die Gestalt kicherte wie eine kaputte Spieluhr, deren Rädchen übereinander kratzten. „Ach, sollen diese Scherben kein Glück für das Jahr bringen! Kabumm, Karach! Ja, so ist es viel schöner."
Der Grinch kickte die Scherben durch den Raum. Dann packte er den kleinen Tannenbaum am Stamm. Die zarten Tannenärmchen wackelte hilflos unter seinem Würgegriff und schüttelten die Kugeln wie ein Schneeregen herab. Es polterte.
Die silbernen Schneeflöckchen zerbrachen in tausend Scherben, wie ein kaputter Weihnachtswunsch.
Der Grinch jubelte.

Dann zerbrach auch der Kamin direkt daneben.
Nein, er zerbrach nicht wirklich - er glühte und strahlte, die Realität bog sich und zog ein Portal auseinander. Es spuckte im hohen Bogen zwei Wichtel aus.
Wichtel Walter richtete sich in seiner tannengrünen Uniform auf. Das Abzeichen der 'G.R.I.N.C.H.' prangte leuchtend auf seiner Brust, als er seine Schneekugelkanone hob. Sein Blick glitt durch die Wohnung und er lauschte.

Walters Blick fiel auf die Spur aus dreckigen Fußabdrucken und grünen Fellbüscheln, gemischt mit Lebkuchenkrümeln und Scherben. Er folgte der Spur mit den Augen, direkt zu dem grünen Unwesen, das mit schokoladeverschmiertem Fell neben dem geknickten Baum stand. 
„Er war hier", flüsterte sein Begleiter Wichtel Wylie, der nur genervt die ersten Fußabdrücke betrachtete und sich fragte, wie lange und durch wie viele Wohnungen sie den Grinch noch verfolgen mussten.
„Nicht 'war', Wylie", sprach Walter, der die Augen auf den Grinch geheftet hatte. Dieser verzog sich hinter den Baum und hinter die Gardine, als könnte er sich unsichtbar machen. „Er ist hier, direkt vor uns."

Ein Scheppern erklang, als der Grinch am Stoff zog, um unnötigerweise seine grünen Zehe zu verstecken. Der Vorhang - den Ron als Einweihungsgeschenk von seiner Mutter bekommen hatte - riss von der Halterung. Die Metallstange fiel gleich mit runter und polterte dem Grinch auf den Kopf, der lauthals unweihnachtliche Schimpfwörter von sich gab.
Jetzt bemerkte auch Wylie ihn. Er packte Walter an der Schulter und schüttelte ihn.

„Walter, ich habe ihn! Sieh, da vorne!", rief er, als hätte Walter ihn nicht gerade darauf aufmerksam gemacht.
Wichtel Walter verdrehte die Augen über die Inkompetenz seines Begleiters. Er hätte andere Wichtel bevorzugt.
Also griff er an sein Ohr und drückte in die Mitte des Bonbons. Sein Ohrring knackte kurz, dann wurde die Verbindung hergestellt.
„Wir haben ihn", flüsterte er. "Verstärkung angefordert, over."
„Wir brauchen keine Verstärkung", widersprach Wylie und haderte mit seiner Ausrüstung, die ihm zu groß war. Der Rucksack rutschte ihm fast von den Schultern und ließ ihn wie einen bepackten Yeti aussehen.

𝟸𝟺 𝚆𝚘𝚑𝚗𝚞𝚗𝚐𝚎𝚗 - 𝙴𝚒𝚗 𝙰𝚍𝚟𝚎𝚗𝚝𝚜𝚔𝚊𝚕𝚎𝚗𝚍𝚎𝚛Where stories live. Discover now