Kapitel 44 ~ * by the light*

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Der Wind war kalt und ich versteckte mein Gesicht an seinem Rücken. Er fuhr immer schneller und der Lärm des Verkehrs rauschte an uns vorbei. Ich genoss es nach einer Weile. Es machte Spaß. Das Adrenalin in meinem Körper war unglaublich in die Höhe geschossen. Und dann war da noch sein Geruch, die Nähe. Ich war oft und viel allein. Mit Nähe, tat ich mich sehr schwer. Deshalb warf sie mich wohl jedes mal aus der Bahn. »Du kannst mich wieder loslassen Klammeräffchen. Wir sind da.« Erleichtert stieg ich ab und klopfte auf meine Oberschenkel. Ich hatte mich so fest an ihn und das Motorrad geklammert, dass sie taub geworden waren. Lüstern linste er zu mir und beobachtete mich. »Soll ich dir vielleicht helfen?« Er griff mir an den Oberschenkel, doch ich hielt seine Hand fest und wich zurück.
»N-Nein. Lieber nicht.«

Er ließ eine meiner dunklen Locken durch seine Finger gleiten und entgegnete mir ernst.
»Wir haben einen Job zu erledigen. Ist mal was anderes. Die Jungs sind auch hier und warten schon. Komm!« Erwartungsvoll folgte ich Dimitri zu einem alten still gelegten Bahnhof. Groß. Einer Kirche gleich. Sie lag zwischen Hafen und Industriegebiet.
Innen war es dreckig, grau und gruselig. Hier hatte wohl eine der Bomben die New York in den letzten Monaten trafen, einiges verbrannt.
Ein paar Leute standen in der großen Halle. Der Laden, war alles andere als einladend aber mit dem Licht der Scheinwerfer, konnte man irgendwie was Schönes, selbst an diesem Ort finden. Vor allem der Klang der Stimmen beeindruckte mich.
Es war tierisch kalt und ich rieb meine Hände aneinander. Zwischen der Gruppe Menschen, fiel mir ein Mann sofort auf. Das helle Haar, die helle Haut. Sie waren schon nicht mehr blond, sondern weiß. Seine Augen fixierten mich aus der Ferne. Als wäre ich eine Bedrohung. Er hatte ähnlich wie Dimitri, eine einnehmende Aura. Der Mann hatte Einfluss, ein abnormal großes Ego und wirkte sehr gepflegt. »Komm schon...« Ich war stehen geblieben. Dimitri wirkte nervös. Das war nicht typisch für ihn.
Dante. Der Mann tauchte hin und wieder in Dimitris Leben auf, wie ein Geist. Hin und wieder war er im Kiss Dimitris Gast gewesen.
Doch er stand nirgends in den Listen, das machte mich neugierig aber auch vorsichtig.

Mir fiel schnell auf, dass das Treffen hier und dieser Mann von Bedeutung waren. Ich musterte ihn während sie einige Worte auf Russisch wechselten. Sowohl Dimitri, als auch der Fremde schienen die Sprache perfekt zu beherrschen und waren aufgebracht. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass es jemanden geben könnte, der noch selbstbewusster als Dimitri war. Dieser Mann war es. Die Anspannung zwischen ihnen machte auch mich nervös. Ich merkte ja, dass ich der Grund war. Meine Aufmerksamkeit galt daher kurz der Kulisse und ich schaute zu den grauweißen Milchglasfenstern. Sie hatten ein dunkles Mosaikmuster und mit dem Licht das gesetzt wurde, zeichneten sie ein unglaubliches Bild auf den staubigen, alten Steinboden. Die Jungs von Sin hatten mich schon gesehen und alberten rum.

Gefesselt von dem Lichtspiel spürte ich Dimitris Hand auf meinem Rücken die uns unterbrach.
»Angel? Hörst du mir zu?« Ich erstarrte kurz und schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid. Dass sieht einfach unglaublich aus mit dem Licht. Sag mir das ich hier tanzen darf...« Er räusperte sich.
»Nein, zum Tanzen bist du nicht hier«, sagte er und deutete auf den Mann, der mich nachdenklich anstarrte. Er hielt eine Kamera in den Händen. Irgendwie dämmerte mir Schreckliches.
»Das ist sie also«, seufzte er schwer. Er war für einen Moment so ernst wie Dimitri.
»Das ist sie.« Das kritische Mustern war nicht sonderlich angenehm. So wirklich mit mir befassen, wollte sich der Fotograf nicht aber da war dieselbe animalische Wildheit in seinen Augen.  
»Süß. Ganz hübsch aber kein Model für mich. Warum sollte ich sie fotografieren wollen?« Ich hatte nicht das Gefühl, dass er traurig darüber war mich zu fotografieren. Meine Anwesenheit an sich war ein Problem. Ich blitzte von ihm zu Dimitri.
»Ich soll vor die Kamera? Ernsthaft?« Das mir das nicht gefiel, war deutlich rauszuhören. Auch wenn das nicht meine Absicht war.

Schweigen. Als ich ansetzte weiter zu reden, hob Dimitri abweisend seine Hand.
»Halt den Mund Angel. Du weißt nicht, was gut für dich ist.« Mir brannte der Widerspruch geradezu auf den Lippen. »Er ist der beste Fotograf den ich kenne und er wird dich fotografieren. Zusammen mit den Jungs. Du wirst mit ihnen auf dem Cover des neuen Albums sein.«
»Aber...«
»Kein Aber!«, sagte er. Sein Tonfall war dunkel und bestimmend. Ich hasste es, wenn er so war. Wenn wir alleine gewesen wären, hätte ich ihm deutlich gemacht, was ich davon hielt.
»Ich...«, setzte ich an. Er zuckte bloß warnend mit der Augenbraue und verbot mir Widerworte. Wortlos und verärgerte, entwich mir ein Fauchen. Ich kochte innerlich und steckte ihm die Zunge raus. Auf einmal grinste der Fotograf. Und dieses Grinsen galt sowohl Dimitri als auch mir.
»So viel verstecktes Temperament. Würde ich es nicht sehen, hätte ich es nicht geglaubt. Ich dachte die Männer übertreiben. Kaum zu fassen. Ein Mädchen, dass so stur ist, wie der König.« Der blonde Mann lachte. Dieses Lachen war viel wärmer als ich es zunächst für möglich gehalten hätte.

Loyalty - heart virus (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt