🌸dreißig🌸

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2. Juli 21
„So meine liebe 10b, das war unser letztes Schuljahr zusammen. Ich muss sagen die letzten zwei Jahre mit euch haben mir wirklich viel Spaß gemacht auch wenn ihr manchmal wirklich anstrengend wart. Die allermeisten von euch werden sich sicherlich nächstes Jahr im Gang, in verschiedenen Kursen oder auch auf der Toilette treffen aber drei werden wir verabschieden Müssen. Max, dir wünsche ich ganz viel Spaß und viele schöne Erfahrungen in deinem FSJ und dass du herausfindest was du machen möchtest. Yussuf, ich glaube die ganze Klasse ist ganz schön Stolz dich hier gehabt zu haben, ich weiß noch wie ich dich vor 4 Jahren in deutsch das erste mal gesehen habe und mir dachte mit dem Deutsch will der Abi machen, wer hätte gedacht dass du vier Jahre später ein Stipendium bekommst und nach Schweden darfst, zu deinen Brüdern und auf eine sehr privilegierte Schule. Wir sind alle sehr stolz auf dich!" Frau Liebholz machte eine kurze Pause während die Klasse aplaudierte und der ein oder andere schon verwirrt nach dem dritten guckte. Die aller wenigsten wussten dass ich weg ziehe, selbst Sofia konnte es wahrscheinlich nur erahnen. „Und zu allerletzt, Ela. Ich wünsche dir viel Erfolg in München, dass du die Zeit mit deinem Vater aufholen kannst und du in deiner neuen Schule gut Fuß fassen kannst. Ich glaube du bist wirklich die von der wir alle am wenigsten erwartet hätten dass du uns auch verlässt aber du hast es nach all dem wirklich verdient wieder ruhe zu finden" mit einem zwinkern guckte meine Klassenlehrerin nun zu mir während die meisten meiner Klasse mich nur überrascht anguckten. „Du ziehst weg?" „warum?" „hä warum wissen wir nichts davon?" „oh nein Warum?" „du hast einen Vater?" Fragen und Blicke prasselten auf mich ein aber ich wusste all diesen Fragen musste ich nicht gerecht werden in einer Stunde holt mich Manu ab, wir packen meine Sachen und in drei Tagen ziehen wir um. Nach langem Suchen haben wir eine perfekte Wohnung in Giesing, ganz in der Nähe von Leon gefunden. Zusammen als Klasse spielten wir noch Spiele und redeten viel, schließlich würde ich die allermeisten nie wieder sehen. Der Abschied viel mir schwerer als gedacht, vielleicht lag es nicht nur daran dass ich die Klasse verlassen würde sondern daran dass ich Köln, meine Heimat, verlassen würde. Mit meiner Mutter hatte ich immer noch keinen Kontakt, mit meiner Oma schrieb ich mittlerweile immer mal wieder kurz aber Johannes und seine Familie waren immer noch wie abgeschottet von mir. „Machs gut Ela, ich werde dich vermissen" Lara zog mich in eine enge Umarmung die ich nur erwiederte. Lara war diejenige aus der Klasse mit der ich mich noch am besten verstand und wahrscheinlich wirklich vermissen werde. Lara war für mich da als Sofia anfing blöd über mich zu reden, sie war diejenige die alles wusste und mir half dass Sofia nichts ausplaudern würde.

Mit Tränen in den Augen verließ ich das Schulgebäude, ich hatte mich am Lehrerzimmer noch von mehreren Lehrern verabschiedet sowie auch von ein paar Schülern anderer Klassen. Heute würde ich diese Schule verlassen und als Schülerin nie mehr betreten. Auf dem Parkplatz erkannte ich Manu's Auto schon. Er wohnte zurzeit wieder mit mir bei Kai und Soph während die beiden schon im Urlaub waren bevor auch für sie ein Umzug, nach London, anstehen würde. „Wars arg schwer?" bemitleidend guckte mich mein Vater an während ich in sein Auto stieg. „Schon irgendwie" meinte ich und schnallte mich an. Die deutsche Nationalmannschaft ist leider am Dienstag gegen England im Achtelfinale rausgeflogen, so konnte Manu schon jetzt bei mir sein und meinen letzten Schultag miterleben.

3. Juli
„Bereit?" fragend guckte Manu zu mir während wir vor dem Wohnblock meiner Mutter standen. Ewig hatte ich meine Mutter nicht mehr gesehen und gesprochen aber einzelne Teile hatte ich dann eben doch noch in der Wohnung die wir mitnehmen wollten. Die meisten meiner Sachen hatten wir schon eingepackt, nur noch das wichtigste war noch außerhalb der Kartons. „Nein aber was bringts? Rein muss ich trotzdem" mit einem säufzen guckte ich zu meinem Vater der mich ermutigend anguckte. „Keine Sorge ich bin im Treppenhaus, lass einfach die Tür offen und ich bin sofort da" ermutigte mich Manu während wir beide in das Haus liefen. Zögernd lief ich die Treppen zu meiner alten Wohnung hoch. Mit zittriger Hand schloss ich die Tür auf, ich hatte keine Ahnung was mich erwarten würde. Samu hatte zwar erzählt dass sie zu nichts fähig ist aber wie dadurch unsere Wohnung aussah wusste ich nicht. „Hi, ich bins Manuela" rief ich durch die Wohnung und erwartete schon gar keine Antwort. Meine Mutter wusste dass ich komme, zumindest hatte ich ihr das geschrieben und sie hat es eigentlich auch gelesen. Ich atmete tief durch und lief ins Wohnzimmer in dem ich Geräusche hörte. Der Fernseher lief und auf der Couch lag meine Mutter, sie bewegte sich kein Stück, sie lag einfach auf der Couch und guckte wie hypnotisiert auf dem Fernseher. „Hi?" Etwas hilflos stand ich neben der Couch auf der meine Mutter lag, ihre Haare sahen sehr ungepflegt aus, ich hatte meine Mom noch nie mit Jogginghose und oversized Pulli gesehen. Ihre Augenringe waren nicht zu übersehen, es sah aus als würde sie nichts anderes tun als schlafen und Fernsehen gucken. Eigentlich müsste sie in die Klinik oder mindestens in Therapie aber sie machte nichts länger als zwei Wochen mit. „Was machst du denn hier?" emotionslos guckte mich meine Mutter an trotz des emotionslosen Gesichts hörte sich ihre Stimme fast so an als würde sie sich fast über meinen Besuch freuen. „Ähm ich hatte dir doch geschrieben. Ich wollte noch die letzten Sachen von mir holen. Wäre es auch für dich in Ordnung wenn ich die Tortenutensilien mitnehme?" zwar gehörten mir die ganzen Sachen eigentlich sowieso da ich sie selber gekauft hatte oder geschenkt bekommen habe und auch nur ich damit gebacken habe aber trotzdem wollte ich meine Mutter fragen ob es in Ordnung wäre. „Warum brauchst du die denn jetzt? Die letzten Wochen brauchtest du auch nie was von hier? Aber nehm einfach" meinte meine Mutter und guckte wieder zum Fernseher. „Naja ich zieh ja jetzt nach München zu Manu, deswegen sollte ich wirklich alles mitnehmen." erklärte ich meiner Mutter die wieder überrascht zu mir guckte, der erste Gesichtsausdruck den ich heute an ihr sah. „Wie? Wirklich? Du ziehst wirklich nach München?" verwundert guckte ich zu meiner Mutter die anscheinend nichts wusste. „Mama dir wurden sicherlich mehrere Briefe geschickt und auch ich habe dir Nachrichten geschrieben." erklärte ich meiner Mutter die mit ihren Schultern zuckte „briefe? Keine Ahnung. Ich hab lange keine Post mehr geöffnet" säufzend verließ ich das Wohnzimmer und packte all meine Sachen zusammen. Als ich fertig war kam ich am Esstisch vorbei an dem sich die Briefe nur so stapelten. Leise, um meine Mutter nicht zu stören, fing ich an die Briefe zu sortieren. Es waren manche für mich die ich noch einpackte und den Rest sortierte ich in Themen. Ein Stapel bekam den Zettel Manuela/Sorgerecht & co. Ein anderer Stapel war für alle Briefe von der Arbeit, einer für die Krankenkasse, einer für die Bank und ein Stapel mit Werbung und unwichtigen Dingen. Ich numerierte die Stapel nach wichtigkeit und schrieb einen Zettel dazu. Ich wollte nicht mehr mit meiner Mutter reden, zu sehr schockte mich ihr Verhalten.

Auf der Suche nach meinem VaterOù les histoires vivent. Découvrez maintenant