Extra

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"Wie fühlst du dich?"

Ich zuckte zur Antwort mit den Schultern und tat auf locker, obwohl ich in meinem Inneren vor Aufregung fast zerbarst.

Mein Kopf brummte voller unsicherer, aufgeregter Gedanken und meine Beine bebten, was nicht den Minustemperaturen die momentan überall herrschten und der dünnen Schneedecke, die die Welt überzog zu schulden waren.

"Bist du dir sicher?"

Die warme Hand, die in meiner eigenen lag drückte sanft zu und ich blickte angespannt auf.

"Du weißt, dass wir jederzeit gehen können, wenn du das möchtest?"

Langsam nickte ich und blickte auf unsere ineinander verschränkten Finger:" Ich weiß, aber ich will hier bleiben."

Mir war bewusst, dass ich ein offenes Buch für meinen Gegenüber war. Meine Nervosität war mir nicht nur deutlich anzusehen, sondern spürte er es auch. Meine Hände waren schwitzig und meine Schulter stieß immer wieder gegen seine weil ich von einem Fuß auf den anderen trat.

"Manu."

Eine Hand legte sich an meine Wange und ich blickte in warme, braune Augen.

"Patrick," erwiderte ich und ein vorsichtiges Grinsen umspielte meine Lippen, welches sofort auf ihn übersprang, " Mir geht es gut. Ich bin aufgeregt, aber solange ich dich an meiner Seite habe ist alles gut."
"Okay. Ich vertraue dir da. Sag Bescheid sobald du Probleme bekommen solltest."

Er zog mich zu sich und verwickelte mich in eine kurze, innige Umarmung, bevor er von mir abließ.

"Dann lass uns gehen." Patrick lächelte aufmunternd, hauchte mir einen zarten Kuss auf die Wange und ging los.
Seine Hand zog mich hinter sich her und nach einigen angespannten Schritten schloss ich zu ihm auf und wir liefen gemeinsam auf den großen Platz mitten in der Stadt zu, auf dem der Weihnachtsmarkt aufgebaut war.

Es war seltsam die mit Lichtern und Sprüchen verzierten Holzhütten, die Getränke, Speisen und Schmuck anboten zu sehen.
Seit dem Vorfall mit meinem Vater hatte ich mich keinem Weihnachtsmarkt mehr bis auf hundert Meter genähert und es war ein unglaublich verwirrendes Gefühl nun einen wieder zu betreten.

"Hier gibt es sogar eine Möglichkeit Schlittschuh zu laufen," erzählte Patrick, der mit großen Augen die Hütten musterte," Wobei ich kein Freund davon bin. Schlittenfahren? Ja. Schlittschuhlaufen? Eher weniger."

Ich grinste in mich hinein, weil der Brünette genauso nervös war wie ich und dies seine Art war seine überkochenden Gefühle zu kompensieren.

Ein sanfter, aber eisiger Wind wehte mir einige Haare ins Gesicht und ich strich mir die Strähnen hinter mein Ohr.

"Lecker, da hinten gibt es Glühwein. Und einen Stand, der alle möglichen Formen von Kartoffeln verarbeitet. Ich liebe Kartoffeln," brabbelte Patrick vor sich hin und strich dabei stetig mit dem Daumen über meinen Handrücken. "Hab ich dir schon von der Geschichte erzählt als ich Kartoffeln schälen wollte und mir halb die Fingerkuppe abgeschnitten habe? Das war ein verrücktes Weihnachten sag ich dir. Ich war ungefähr sieben Jahre alt -"
Ich ließ Patrick seine Geschichte nicht vollenden und stellte mich ihm in den Weg.
Seine Augen wurden kugelrund und die helle Beleuchtung der Stände spiegelte sich in seinen bernsteinfarbenen Iriden wider.
Ein breites Grinsen legte sich auf meine Lippen, ich ergriff seine beiden Hände und trat so nah an ihn heran wie es mir möglich war.
"Ich fühle mich sicher, Patrick", murmelte ich leise. Diese Worte waren nur für ihn bestimmt. "Ich fühle mich sicher bei dir und daran wird sich nie etwas ändern. Du wirst mich nicht verlassen und das weiß ich. Deshalb fürchte ich mich nicht."

Heftig blinzelnd, um seine glasigen Augen zu überspielen hob Patrick meine rechte Hand und bedeckte sie mit einigen federleichten Küssen.
"Du glaubst gar nicht wie wichtig du mir bist."
"Mir ergeht es genau so."

Einen Moment verharrten unsere Gesichter einen Zentimeter voneinander entfernt und wir atmeten die gleiche würzig-süße, nach Essen riechende Luft ein, ehe Patrick sich nach vorne beugte und sanft unsere Lippen verband.
Der Kuss überdauerte nur einige Sekunden und ich genoss seine Wärme und meine Zuneigung ihm gegenüber, die mich jedes Mal wie eine Lawine überrolte.

Patrick zu Küssen war in den letzten Monaten zur Droge geworden und ich war der Süchtige, der nur auf den nächsten Schuss wartete.
Es war berauschend und so unglaublich gut ihm nah zu sein, auf jede erdenkliche Weise.

"Also?", fragte er schließlich gegen meine Lippen und ich spürte sein Lächeln," Wie sieht es aus mit einem Glühwein für mich und einem Kinderpunsch für dich und jeder Menge Essen?"
"Ich bin dabei."
Wie lachten beide leise, lösten uns voneinander und schlenderten auf eine der Hütten zu, die mit Speisen und Getränken warb.

Vor einigen Tagen war Weihnachten gewesen. Das erste Fest, das ich mit Patricks Familie in der Waldhütte verbracht hatte.

Ich hatte milde gesagt vor einem Herzinfarkt gestanden aus purer Nervosität.
Das erste richtige Weihnachten seit Jahren und dann noch mit der Familie meines Freundes?
Doch entgegen meiner Erwartungen hatte ich es genossen. Geliebt.

Patricks Familie war wunderbar. Ich hatte mich aufgenommen und geborgen gefühlt.
Natürlich war alles hektisch gewesen, doch davor hatte mich mein Freund zuvor oft gewarnt und ich war vorbereitet gewesen.
Die ganze Hektik hatte ihren Charme und nach einige Tagen und mindestens fünf Kilogramm mehr auf meinen Hüften hatten sich Patricks Eltern, Geschwister, Cousinen und Schwager wieder verabschiedet und uns alleine in der Hütte zurück gelassen.

Nach einem Tag alleine, der mich abgesehen von unseren Zärtlichkeiten stark an das Jahr zuvor erinnerte hatten wir beschlossen etwas zu unternehmen und waren hier geendet.

Ich lächelte in mich hinein und beobachtete den Weihnachtsmarkt, über den Menschen wuselten und dabei laut redeten oder lachten.

Noch vor einem Jahr hätte ich nicht erwartet, dass ich jemals hier stehen würde doch einiges hatte sich verändert.
Automatisch glitt mein Blick zu Patrick, dessen Augen wie bei einem kleinen Kind leuchteten.

Alles hatte sich verändert und ich war glücklich darüber.

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