Kiss me at midnight

Zwei

** Cassie **

Mir geht Lina nach wie vor nicht aus dem Kopf, obwohl schon fast zwei Wochen vergangen ist seitdem ich sie gesehen habe. Ich kann einfach nicht aufhören an sie zu denken. Immer wieder muss ich daran denken, wie ich mich als sechzehnjährige gefühlt habe, wenn wir beide zusammen waren.

„Noch einen bitte."

Ein junger Typ am Tresen deutet mit einem Nicken auf sein leeres Glas.

„Klar", erwidere ich.

Ich schenke ihm noch einen Whiskey ein und schaue mich dann in der Bar um. Ein paar Leute sitzen an den Tischen, trinken, unterhalten sich und scheinen Spaß zu haben. Ich bin ganz froh, dass ich heute den Dienst hinter der Bartheke habe. Ich mag es nicht in der Bar zwischen den Gästen herumzulaufen, zu fragen ob alles in Ordnung ist und Tische abzuräumen. Man bleibt hinter der Bar zwar auch nicht vor Gesprächen verschont, aber meistens gehe ich nicht darauf ein. Wenn Leute ihren Ballast los werden wollen, sollen sie zu einem Therapeuten gehen und nicht einer Barkeeperin die Ohren volljammern.

„Du weißt, dass du wenn du möchtest immer noch gerne jederzeit bei mir wohnen kannst oder?", erinnert mich Alex, die sich über den Tresen lehnt, um dort ein paar Gläser abzustellen.

Ich hätte vielleicht nicht gleich am ersten Tag erwähnen sollen, dass ich zuhause wohne und meine Familie mir unheimlich auf den Keks geht. Alex hat das gleich als Möglichkeit gesehen, um mir näher kommen zu können. Wie sie gemerkt hat, dass ich auf Frauen stehe weiß ich nicht, aber sie hat es. Alex macht es offensichtlich für mich, dass sie auf mich steht und flirtet hemmungslos mit mir. Ich habe schon mehrmals darüber nachgedacht auf ihr Angebot einzugehen, aber damit würde ich ihr nur Hoffnung machen. Alex sieht nicht schlecht aus mit den rotbraunen Haaren, ihrem Sidecut und der sportlichen Figur. Mein Typ ist sie aber trotzdem nicht. Ich mag Frauen, die femininer sind. Trotz allem habe ich schon mehr als einmal darüber nachgedacht ob ich vielleicht nicht doch etwas mit Alex anfangen sollte.

„Ich weiß", erwidere ich.

„Sag mir einfach Bescheid", meint sie und zwinkert mir frech zu.

Ich nicke lediglich und wische mit einem Lappen über die Bartheke.

„Einen Tequila bitte", ruft jemand und lässt sich auf einem der Hocker nieder. „Die Zitrone und das Salz können sie weglassen."

Ich zucke bei dem Klang der mir allzu bekannten Stimme zusammen. Es kann doch nicht wahr sein, dass ich Lina innerhalb kürzester Zeit zweimal antreffe. Es gibt so viele Bars in der Stadt, wieso muss sie gerade in die spazieren in der ich arbeite?

„Hallo? Kriege ich jetzt meinen Drink oder nicht?", beschwert Lina sich, da ich nicht sofort reagiere.

Sie nuschelt etwas und hört sich nicht mehr ganz nüchtern an. Vielleicht ist das hier nicht die erste Bar in der sie heute Nacht einen Tequila bestellt. Ich bete, dass sie schon so betrunken ist, dass sie mich nicht erkennt. Wer weiß was passieren würde, wenn sie mich sieht. Darauf bin ich nicht vorbereitet und werde es wahrscheinlich auch nie sein.

„Ja kommt sofort", sage ich.

Ich nehme eine Flasche aus dem Regal und ein Glas, ehe ich mich zu ihr umdrehe. Das Glas stelle ich vor ihr ab und schenke ihr ein. Während ich das tue versuche ich sie nicht anzusehen.

„Cassie?", murmelt sie.

Als sich unsere Blicke dann doch treffen, sieht Frau Roth mich mit großen Augen an. Lina wirkt noch perplexer als ich bei der Aufführung meines kleinen Bruders. Heute sieht sie wieder mehr nach der Lina aus, die ich damals kannte. Das schwarze T-Shirt, die Lederjacke und die Sneaker passen viel besser zu ihr als das schicke Outfit. So vieles ist aber anders an ihr. Äußerlich sind es die kürzeren Haare und sie scheint gefallen daran gefunden zu haben roten Lippenstift zu tragen. Beides steht ihr und sieht unheimlich sexy aus.
Ihre Gegenwart sorgt dafür, dass ich nervös werde und nicht mehr klar denken kann. Es fühlt sich beinahe so wie früher an.