Kiss me at midnight

Zehn

*** Cassie ***

„Was machen wir hier nochmal?", frage ich Paul.

Es war seine Idee den Tag der offenen Tür an unserer alten Schule zu besuchen. Was hat mich nur dazu gebracht hierzu Ja zu sagen. Die Tatsache, dass ich sonst nichts zu tun habe könnte eine große Rolle dabei gespielt haben. Außerdem hat auch Tommy auf mich eingeredet, dass ich kommen soll. Ich weiß zwar nicht wieso er mich hier haben möchte, aber es muss einen Grund haben. Mein jüngster Bruder ist doch auch nur hier, weil es für ihn eine pflichtveranstaltung ist.

„Tommy braucht unsere Hilfe. Hat er es dir nicht erzählt?"

„Nein hat er nicht", antworte ich und schließe die Autotür etwas lauter als eigentlich beabsichtigt.

Paul weiß also mehr als ich. Tommy und er verstehen sich aber auch besser. Die beiden haben sich lange Zeit ein Zimmer geteilt und in den letzten paar Jahren waren sie die beiden Williams Geschwister, die zuhause gewohnt haben. Da ist es mehr als verständlich, dass Paul und Tommy sich gut verstehen.

„Tommy möchte in der Aula spontan eine kleine Impro-Aufführung machen und er braucht unsere Hilfe dabei die Leute dorthin zu bekommen", erzählt Paul mir kurz und knapp.

„Ich verstehe es nicht. Wieso ist das spontan?"

„Die Lehrer haben es nicht erlaubt, weil Tommys Vorstellung anscheinend nicht so ganz ihren Vorstellungen entspricht",meint Paul mit einem schulterzucken. „Irgendwas von wegen weil die Lehrer nicht wissen was da dann tatsächlich vorgetragen wird."

„Aha", gebe ich von mir.

Wie immer bringt mein kleinster Bruder sich in Schwierigkeiten. Gleichzeitig beeindruckt es mich, wie sehr er für das Schauspiel brennt. Ich habe keine Leidenschaft für die ich mir Ärger in der Schule eingehandelt hätte. In meiner Schulzeit habe ich mir generell kaum Ärger eingebrockt. Das einzige war, dass ich gerne mit den Lehrern diskutiert habe und natürlich, dass ich eine Affäre mit Frau Roth hatte. Wenn irgendwer das von Lina und mir herausgefunden hätte, dann hätte mir das mehr als nur ein bisschen Stress mit den Lehrern eingebracht.

Als nächstes zieht mein Bruder ein paar selbst gedruckte Flyer aus seiner Jackentasche und reicht sie mir. Ich betrachte diese kurz und muss schmunzeln. Jemand hat einfach ein paar Daten aufgeschrieben, Zeit und Ort, und es auf blauem Papier ausgedruckt.

„Hat Tommy die selbst gemacht? Die sind nämlich richtig schlecht", sage ich.

„Anscheinend. Design gehört definitiv nicht zu seinen Stärken", antwortet Paul. „Und jetzt lass uns diese Zettel unter die Leute bringen."

„Na schön", murmele ich. „Wir können dafür wenigstens keinen Ärger mehr bekommen."

Wir teilen uns auf und ich drücke Schülern oder Eltern den unprofessionell gestalteten Flyer in die Hände. Um die Lehrer, die ich noch aus meiner Schulzeit kenne, mache ich lieber einen großen Bogen. Was man nicht alles für seine Brüder macht, denke ich mir. Hoffentlich hat Tommy dann in einer halben Stunde auch eine gute Show zu bieten.

„Na wenn das nicht Cassandra Williams ist", höre ich jemand sagen und sehe mich um.

Keine zwei Sekunden später steht Herr Beringer vor mir. Genau der, der damals Lina und mich ertappt hat. Na den kann ich überhaupt nicht gebrauchen und auf Smalltalk habe ich auch keine Lust.

„Hallo Herr Beringer", antworte ich mit monotoner Stimme.

Ich hätte noch ein ‚schön sie zu sehen' hinzufügen können, aber das wäre mehr als gelogen.

„Und wie geht es dir so? Du studierst du bestimmt etwas bahnbrechendes", meint er.

„Ich mache im Moment eine Pause vom studieren", erwidere ich knapp.