PROLOG (1)

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Auch der Kühne flieht, sobald er nahe sie das Totenreich

Wenn man sich der Frage stellt, was der Tod mit sich bringt, verliert man sich oftmals in den Tiefen der Gedanken. Schlimmer wird es wenn man sich das ganze Leben damit beschäftigt und glaubt mir, ich lebe schon lange.

Die menschlich aussehende Person setzte einen Punkt hinter den Satz und legte seine Schreibfeder weg. Das Wesen schloss die Augen und gähnte einmal laut, wobei es seine Arme ausstreckte. Sein rechter Arm stieß gegen den Tintenbehälter und stieß ihn um. "Verflixt", knurrte es und wischte mit einem Tuch über den sich immer mehr ausbreitenden dunkelblauen Fleck. Mit der anderen Hand stellte es das Tintenfass wieder gerade hin und rückte es noch ein wenig zurecht.

"Na?", die fremde weibliche Stimme überraschte ihn so sehr, dass der Schatten das Tintenfass erneut umschubste. Nun verteilte sich auch der kleinste Rest auf dem Tisch und dem beschriebenen Blatt. Um nicht zu fluchen, biss es sich von innen auf die Unterlippe. Der ungebetene Besucher, hieß Lani.

"Du hast hier nichts zu suchen", zischte es angespannt. Lani legte ihm eine Hand um die Schulter und platzierte ihren Kopf auf der anderen Seite. "Sei nicht so Han", versuchte sie ihn gut zu stimmen, "Ich wollte doch nur fragen, ob du dir deinen Nächsten Kämpfer ausgesucht hast..." Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie von unten seinen Arm hoch. Es war so kalt, aber was anderes sollte man von der Königin der Toden erwarten? Die dünnen Armhärchen stellten sich bei jeder Berührung auf.

"Ich habe noch Zeit", antwortete die Person trocken. "Vielleicht", flüsterte sie und löste sich von ihm. Als wäre sie erschüttert hielt sie sich eine Hand an die Stelle wo eigentlich ein Herz sein sollte. "Du bist mir doch nicht böse, weil ich deinen letzten Champion besiegt habe?", hauchte sie mit einer gebrechlichen Stimme.

"Doch, genau das nehme ich dir übel", erwiderte es und stand dabei auf. Der alte Holzstuhl kippte bei dieser abrupten Bewegung um. Der Knall erfüllte den Raum und hinterließ eine eisige Stille. "Du hast betrogen!", rief das Wesen verächtlich. Das künstliche Lächeln auf Lanis Lippen gefror und verwandelte sich dann zu einer grimmigen Grimasse. "Hab ich nicht", verteidigte sie sich. Dann hob sie eine Augenbraue und fügte zischend hinzu: "Vielleicht war er einfach nur schwach?" Die merkwürdige Kreatur lief einige Schritte auf sie zu und die menschliche Form begann ein wenig zu bröckeln. "Du!", es bohrte seinen Zeigefinger in ihre weiße Haut, "Gewinnst dieses Mal nicht. Sie ist stark!"

Sie schaute ihn interessiert an. "Sie?", fragte sie. Mist, Mist, Mist! Es hatte zu viel verraten. Die Frau riss das Wesen aus den Gedanken "Bringe ich dich so sehr in Verzweiflung, dass du nicht mal deine Form halten kannst?" Lani stupste es an und sofort verfärbte sich die Haut schwarz, die menschlichen Beine brachen unter ihm zusammen und das Geschöpf verwandelte sich. Die Frau ihm gegenüber lachte laut und es schallte noch lauter im Raum nach. "Es ist lächerlich", meinte sie grinsend, "Du siehst aus wie irgendetwas, was man angeekelt wegwerfen würde."

In seiner richtigen Form sah das Wesen sie an. "Lach nicht Lani, wenn du dich nicht immer als Mensch maskieren würdest, würdest du so wie ich aussehen", knurrte das Wesen. Es war eigentlich fast nichts, schwarz gelber Rauch umhüllte ein leuchtendes Inneres. Keine Augen, oder ein Herz. "Kannst du nicht gehen? Hast du nicht bessere Sachen zu erledigen als dich mit mir abzugeben?" Genervt schnaubte es und drehte sich erneut seinem Tisch zu. Dieser verblasste allmählich und verwandelte sich zu feinem Nebel, ehe er gänzlich verschwand. Selbst das kleine Zimmer um sie löste sich langsam auf.

Traumtänzer - Todbringende TräumeWhere stories live. Discover now