6 | Vorstellungsgespräch 2.0

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"Probier es einfach. Schlechter als beim letzten Mal wird es schon nicht werden", meinte meine Mama zuversichtlich.

Ich hatte sie noch schnell abgefangen, bevor sie sich auf den Weg zum Friseursalon machte. Nun standen wir gemeinsam in der Küche und ließen die Kaffeemaschine laufen. Sofort erfüllte der angenehme Duft der Kaffeebohnen den Raum.

"Ich lag die halbe Nacht wach, aber weiß einfach nicht, was die richtige Entscheidung ist. Einerseits reizt es mich schon sehr, andererseits ist dieser Viktor so kalt wie ein Stein."

"Zu Trixi war er lieb", warf meine Mama sofort ein.

Augenrollend gab ich ihr recht. "Aber ansonsten ist er ein Idiot. Frauen haben in unserer Firma nichts zu suchen. Oder, Ich hatte recht, sie ist im Kindergartenalter", äffte ich ihn nach. "Er ist so ungehobelt, arrogant und einfach ..." Unbeholfen gestikulierte ich irgendetwas mit meinen Armen in der Luft. "Er bringt mich sowas von zur Weißglut. Er ist echt ein Arsch."

"Sami." Die Stimme meiner Mutter klang ganz sanft und beschwichtigend.

"Hm?"

"Ich gebe zu, das was er alles gesagt hat, war nicht richtig. Aber er ist es, der dir noch eine Chance geben will. Vielleicht versuchst du es einfach. Wenn es heute wieder nicht passt, musst du den Job ja nicht annehmen. Aber ich bin stark dafür, dass du es wenigstens nochmal versuchst."

"Ja, ich meine ... Vermutlich hast du recht."

"Natürlich habe ich das. Ich muss jetzt leider los, Sami." Meine Mama leerte sich den Kaffee in einen Coffee-to-go Becher und drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn. "Aber halte dich bitte heute mit deiner Ausdrucksweise etwas zurück."

"Mal sehen", nuschelte ich, doch meine Mutter hörte es nicht mehr. Sie war schon im Vorraum verschwunden, um sich die Schuhe anzuziehen.

Dieser Job reizte mich deswegen so sehr, weil ich vor Trixis Geburt als Eventkoordinatorin gearbeitet hatte. Jackson hatte seinen eigenen kleinen Betrieb gehabt, jedoch hatte er erstaunlicherweise immer genug Aufträge erhalten. Sie hatten uns mehr als nur gut über Wasser gehalten. Erstaunlicherweise deswegen, weil nach seinem Tod einfach alles diesbezüglich den Bach runtergegangen war. Aber dies war ohnehin nur mehr eine Frage der Zeit gewesen ...

Als ich Jackson kennengelernt hatte, war es noch mein Wunsch gewesen, Ärztin zu werden. Doch Jackson hatte manchmal zusätzlich jemanden in seinem Betrieb gebraucht, also hatte ich ihm einige Male ausgeholfen, und er hatte mich angelernt.

Mit der Zeit wurde ich richtig gut in diesem Job, und ich merkte auch, wie es mir von Mal zu Mal besser gefiel. Ich liebte es, für die Abstimmung von Planung und der Durchführung des Events zuständig zu sein. Mir gefiel es, wie abwechslungsreich es stets war. Also hatte ich meinen damaligen Traum als Ärztin an den Nagel gehängt. Zwar hatte ich nie ein Studium bezüglich der Arbeit als Eventkoordinatorin angefangen, aber Jackson hatte nie ein Problem damit gehabt.

Im Moment allerdings bereute ich es, keine Ausbildung dafür gemacht und schon abgeschlossen zu haben. Ich konnte mich lediglich auf meine praktische Erfahrung stützen, und dies war den meisten Unternehmen leider zu wenig.

Ob sich Viktor Ark meine Bewerbung wohl durchgelesen hatte? Hatte er mich trotz meines fehlenden Studiums ein weiteres Mal für das Vorstellungsgespräch eingeladen? Oder wäre es beim Gespräch heute, sollte ich hingehen, eine Überraschung für ihn geworden?

~~~

Ich hatte Trixi im Kindergarten abgeliefert, zuhause das Badezimmer geputzt - wohlgemerkt, um mich abzulenken -, und nun stand ich unschlüssig vor genau diesem Spiegel im Bad und guckte mich an. Mein Blick wanderte weiter zur kleinen lautstark tickenden Uhr auf dem Schrank. Wenn ich das Vorstellungsgespräch machen wollte, musste ich nun anfangen mich herzurichten. Und zwar sofort.

Zwischen den Sternen | ✔️Donde viven las historias. Descúbrelo ahora