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Der Fremde atmet verächtlich aus.
ᵒʷⁿ  "Dich von deinem eigenen Federvieh begraben zu lassen, zeugt auch nicht unbedingt von Intelligenz.", gibt er mir schnippisch zurück.
Damit hat er ja sogar recht. Doch einen Teufel werde ich tun, ihm hier zuzustimmen. Schließlich befinde ich mich noch in der besseren Position, das muss ich auch ausnutzen.

"Das war mein Ikran, der mich im Übrigen wieder aus deiner verdammten Falle gezogen hat." 
ᵒʷⁿ  "Achso?" 
Ich blicke nach oben zu ihm hoch und erkenne ein leichtes Schmunzeln seinerseits. Er scheint seinen ungeglückten Mordversuch wohl auch noch lustig zu finden?!
ᵒʷⁿ  "Du bist da nicht einmal selbst rausgekommen? Schwach, Waldmädchen."

Völlig fassungslos starre ich ihn an. Das ist doch wohl hoffentlich nicht sein Ernst? In welcher Welt lebt er, dass er mit Tod und Leben so einfach herumspielt, als wäre es nichts. Der muss doch bestimmt sadistische Züge haben, anders kann ich es mir nicht erklären.
Wir Na'vi, egal welchem Stamm wir zugehörig sind, zählen doch zu den friedfertigsten Wesen auf Pandora. 

Der Unbekannte scheint meine Missgunst bemerkt zu haben und verschränkt die Arme.
ᵒʷⁿ  "Hmm... habe ich da vielleicht einen wunden Punkt getroffen?", fragt er - sichtlich amüsiert.
"Tut mir leid, ich kann dich einfach nicht ernst nehmen, wenn du da so affig vor meiner Nase 'rumbaumelst.", erwidere ich nur schulterzuckend. Was bildet er sich eigentlich ein?
Daraufhin wird sein Grinsen nur noch breiter.
ᵒʷⁿ  "Mache ich dich nervös?", möchte er wissen und beginnt, ein wenig hin- und herzuschwingen. 

Ich beobachte nur, wie er sich immer mehr bewegt und in einem größeren Radius zu mir hinschwingt. 
"Pass mal lieber auf, dass da nicht zu viel Blut in deinen Kopf kommt, deine Hirnzellen sind das gar nicht gewöhnt.", entgegne ich ihm zufrieden grinsend.
ᵒʷⁿ  "Verstehe ich das richtig, dass du Durchblutung weiter unten bevorzugst?"

Schweigend starre ich sein Schaukel-Spiel weiter an. Ich brauche eine ganze Weile, um seinen Spruch wirklich zu kapieren.
Peinlich.
Mein Kopf wird hochrot, als mir auffällt, wie vulgär er sich ausdrückt. Ihm entflieht ein leichtes Grinsen, als er meinen peinlich berührten Blick bemerkt.

ᵒʷⁿ  "Das Waldmädchen ist sich zu prüde, verstehe.", meint er dann nur achselzuckend und verschränkt selbstzufrieden seine Arme.
Empört stemme ich meine Arme in die Hüften und gehe ein paar Schritte auf den Gefangenen zu. Das kann ich definitiv nicht auf mir sitzen lassen. Vor allem nicht von so einem verblendeten Poser.

"Mir gefällt dein Blut im Kopf viel mehr. So ein schöner Zufall aber auch, dann kannst du ja einfach über Kopf hängen bleiben.", erkläre ich ihm kalt, drehe mich um und mache mich langsam wieder auf den Weg Richtung Dörfchen.
ᵒʷⁿ  "Halt."
Ich bleibe widerwillig stehen und kneife ungläubig die Augen zusammen.
ᵒʷⁿ  "Mach mich los."

Wie angewurzelt stehe ich da, mitten im gerodeten Wald und kämpfe mit meiner Moral.
Einerseits würde ich ihn da nur zu gerne hängen lassen, bis ihm das Blut aus den Ohren rausläuft und er wimmernd verendet.
Andererseits...
Ich schnaube genervt, drehe mich wieder um und trotte zähneknirschend zu seiner Falle zurück. Meine Moral hat mich noch nie im Stich gelassen und just in diesem Moment sagt sie mir, den Fremden freizulassen.
Was ein Blödsinn. 
Vor allem nach dem, was er mir angetan hat.

"Du hast das Zauberwort vergessen.", erwidere ich kühl und emotionslos. 
ᵒʷⁿ  "Sofort."
Ich verdrehe verächtlich die Augen und blicke ihm direkt ins Gesicht. Sein Blick verrät mir, dass er immer noch spielt. Ihm ist die Sache einfach nicht ernst genug. 
"Bist du zufällig nicht nur sadistisch, sondern gleichzeitig auch masochistisch veranlagt oder wie?"
Daraufhin zuckt er nur mit den Schultern - sein Blick immer noch auf mich fixiert.
ᵒʷⁿ  "Find's doch raus, Waldmädchen."

Ich nicke ihm falsch lächelnd zu und deute an, den Wald aufs Neue zu verlassen. Wenn ich es doch herausfinden soll, kann ich ihn ja für eine Weile hängen und leiden lassen. Dann zeigt es sich bestimmt in null Komma nichts. 
ᵒʷⁿ  "Halt.", unterbricht er meine Bewegung erneut. "Bitte."
"Bitte was?"
ᵒʷⁿ  "Bitte hilf mir da runter.", bittet er nun, in einem etwas ernsteren Tonfall.
"Geht doch. Warum nicht gleich so?"

Zufrieden begebe ich mich zum Fremden hin und analysiere erst einmal die Situation. Er scheint an beiden Füßen festzuhängen. Das Material ist - Eywa sei Dank - nur ein dünnes Seil. Das müsste ich leicht durchschneiden können.
Ich packe mir an meinen selbstgenähten Gürtel und ziehe prompt mein kleines Schnitzmesser aus dem Schutz hervor. Erstaunt starrt mich mein baumelnder Gegenüber an.
ᵒʷⁿ  "Du trägst Himmelsmenschen-Zeug mit dir herum?", fragt er - sichtlich irritiert.

Oh verdammt.
Sowas wird er ganz sicher in seinem Metkayina-Dörfchen herumerzählen und ich bin aufgeflogen. Das war's dann.
Ich halte inne und stoppe den Vorgang, ihn vom Baum zu holen.
"Das habe ich aufgesammelt, als sie meine Mutter getötet haben.", lüge ich ihm direkt ins Gesicht. 
"Außerdem...", setze ich an, "Solltest du keinem hier von meiner Präsenz erzählen, hast du das verstanden?"

Stille.

"Ob du das verstanden hast?", wiederhole ich meine Frage energisch.
ᵒʷⁿ  "Vielleicht, wenn du mich losmachst."
Unglaublich, der Typ hat echt Nerven. Ich verliere meine gleich.
"Schwöre auf Eywa.", befehle ich mit finsterem Blick. Der Fremde verdreht die Augen und schwört dann widerwillig auf die große Mutter.

Erleichtert schwinge ich mich zu ihm hoch und klettere ein Stück an seinem Körper hoch zum Seil. Ich spüre, wie er seinen Körper mit Absicht anspannt. Ein paar Blicke fallen auf seinen definierten Oberkörper - ungewollt, wohlbemerkt. 
Der trainiert und jagt bestimmt oft unter Wasser, denke ich und kann diesen einen Gedanken von mir nicht verdrängen: Wie schön wäre es, wenn er mir das Tauchen beibringen würde...
ᵒʷⁿ  "Hey, kommst du voran?", unterbricht er meinen Gedankengang ungeduldig. 
"Ja doch.", erwidere ich gereizt und säge ein wenig am Seil herum. 

Gedankenverloren schaffe ich es endlich, das Seil durchzuschneiden. 
Dann ertönt ein lauter RUMMS.
ᵒʷⁿ  "Verdammt nochmal.", flucht der Unbekannte und fasst sich an den Kopf. "Hättest du mich nicht vorwarnen können?"
Wir sind beide auf den trockenen Waldboden gefallen - ich auf ihm drauf. Verwirrt stütze ich mich auf dem Waldboden ab und schüttle meinen schmerzenden Kopf. Als ich bemerke, dass er da unter mir liegt, erhebe ich mich sofort.

Auch der Fremde steht auf und hält sich seine Beule am Hinterkopf. Nachdem er mir einen letzten Blick zugeworfen hat, dreht er sich wortlos von mir weg und schleppt sich zurück ins Dörfchen.
Ich schaue ihm nur sprachlos hinterher. ✘

∅𝙪𝙩𝙘𝙖𝙨𝙩 ⟜ Aonung FanfiktionWhere stories live. Discover now