07 | Albtraum

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A M A L I A

Alles was ich sehe ist Miguel.

Seine pechschwarzen Augen, die mich anstarren. Er lacht mich aus. „Ich habe dir alles genommen!"

Ich schüttelte kräftig den Kopf. „Du hast mir gar nichts genommen!" verteidigte ich mich und doch war es so. Er hatte mir alles genommen. Er war der Grund, weshalb ich von zuhause abgehauen bin, und nichts mehr hatte. Er hat mir meine Identität gestohlen.

Als er mir näher kommen wollte, gingen all meine Alarmglocken an, weshalb ich anfing zu rennen. Noch einmal wird er mich nicht kriegen.

Ich rannte und rannte und rannte, bis ich gegen jemanden geknallt bin. Ich schaute hoch und sah das Gesicht meines Vaters.
Ich schluckte meine Unsicherheit herunter, da ich nicht wusste, ob ich Angst vor ihm haben sollte oder nicht.

Würde er mich vor ihm beschützen?

„Dad." hauchte ich erleichtert, während mir die Tränen kamen. Auch wenn ich eine große Unsicherheit in mir verspürte, war er doch nach alldem immer noch mein Vater, oder?

Er würde mich doch trösten, wenn ich ihm erzählen würde, was passiert war. Er würde mich nicht anschreien, sondern mich in den Arm nehmen und mich trösten. Er würde mich wieder nachhause bringen, damit ich ein Dach über dem Kopf habe und mich nicht hier alleine zurück lassen.

Oder?

„Miguel..." fing ich an, bevor ich schlucken musste und wieder nach hinten sah. „Miguel.. er hat mich..." sprach ich weiter, während ich mit zittrigen Händen auf mich zeigte. „..angefasst..."

„Weil du es verdient hast?" kam es plötzlich von ihm. Ich glaubte meinen Ohren kaum. Hatte er das gerade wirklich gesagt?

„Was?"

„Du hast es doch verdient, du-"

„Nein.. er.. ich.. keiner verdient so etwas." unterbrach ich ihn und war völlig neben der Spur. Mein eigener Vater gab mir die Schuld, was er mir angetan hatte.

„Da bist du ja." ertönte eine laute Stimme hinter mir, die ich zutiefst hasste. Ich schaute flehend meinen Vater an. Er sollte mir doch helfen. Und anstatt das zutun, ließ er einfach zu, wie Miguel mich von ihm wegzerrte.

Er ist doch mein Vater.

Ich schrie nach ihm, doch er half mir nicht.

Ich schrie nach ihm, doch er sah nur zu.

Ich schrie verzweifelt nach meinem Vater, der einfach so rumstand und zuschaute, als wäre er nie mein Vater gewesen.

„Du hast das verdient."


Wie im Schweiß gebadet, riss ich die Augen auf, während mein Herz wie wild pochte.
Als ich mich aufsetzte, schlangen sich zwei Arme um mich. Und plötzlich bekam ich wieder Panik, da ich vergaß wo ich hier eigentlich war. Ich bekam seine schwarzen Augen wieder vors Gesicht, genauso wie sein teuflisches Lachen.

„Alles gut, ich bin's." Nachdem ich zuordnen konnte, wem die Stimme gehörte, konnte ich mich endlich wieder sicher fühlen. Doch der Schock, steckte noch immer tief und fest in mir, weswegen ich nicht mit dem Weinen aufhören konnte. Seine Hand streichelte behutsam meinem Rücken. Als ich mich daran erinnerte, wie Miguel mich anfasste, entzog ich mich sofort der Umarmung.

Domenico schaute mich verwirrt und schockierend gleichzeitig an.
„Es... es tut mir leid." entschuldigte ich mich, doch er hob leicht seine Hände, als würde jemand eine Waffe auf ihn halten.

„Ich bin nicht Miguel." Seine Augen waren weit aufgerissen. Er sprach ruhig aber dennoch so deutlich, als würde er wollen, dass ich jedes seiner Worte verstehe.

Ich schüttelte den Kopf.

„Sprich mir nach. Ich bin nicht Miguel."

„Du bist nicht Miguel."

Er nickte langsam und senkte seine Hände immer weiter nach unten, was dazu führte, dass ich schlucken musste. „No, schau mir in die Augen, Amalia."

Ich schaute ihm in die Augen.

„Es war nur ein Traum." sprach er und berührte leicht meine Hände. Er schaute mich so an, als wäre ich etwas besonderes. Als würde er sich um mich sorgen machen.

„Es war nur ein Traum." wiederholte ich und langsam beruhigte sich mein Herzschlag.
Domenico drückte sanft meine Hände und platzierte sie dann auf meinen Armen.

Mein Nicken symbolisierte ihm, dass es mir gut ging, also legte er seine Arme wieder ganz um mich und zog mich näher zu sich.

Ich konnte dieses Mal meine Augen schließen, ohne wieder Miguel zu sehen. Ich konnte wieder normal aufatmen, ohne dass mir jemand die Luft zuschnürt.

Ich spürte nach langer Zeit wieder Wärme, die ich von ihm bekam.

„Mein Vater wird mich suchen." flüsterte ich.
Und ich habe mächtig Angst davor, was noch kommen kann. Er wäre zu allem imstande. Ihm würde ich alles zutrauen. Domenico versuchte mich zu beruhigen, als er mich stärker an sich drückte.

„Er wird dich nicht finden."


















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Lies (Lügen)Where stories live. Discover now