ᴷᴬᴾᴵᵀᴱᴸ 8

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Als ich am nächsten Morgen wach wurde, hörte ich Jörg auf der Straße herumbrüllen.

Mit einem diabolischen Grinsen stand ich auf und schob den Vorhang ein wenig beiseite, durch den ich dann linste.

Den Zettel für Engel hatte ich nachts bereits abgenommen und somit konnte ich sehen, wie der werte Herr unten, wie Rumpelstilzchen wütend auf- und absprang, als er die Sauerei an seinen Fenstern anhand seines cholerischen Gekreisches der ganzen Straße mitteilte.

Imaginär und stolz klopfte ich mir auf die Schulter.

Als Vincent mich nach Hause gefahren hatte, kamen wir zwei auf die Idee seine Fenster mit Eiern zu beschmeißen. Schließlich war meine Mutter nicht da und musste somit die Sauerei auch nicht beseitigen. Das konnte der Idiot demzufolge dann Selbermachen.

Mit seinem dicken Schädel, den er vom Saufen hatte, war es eine Genugtuung für mich.

Ich sah rüber. Engel war nicht zu sehen. Sie schlief bestimmt noch.

Gestern hatte ich den Drang gehabt, bei ihr zu klopfen, weil einfach so eintreten wollte ich nicht ... aber ... ich hatte es gelassen.

Ich wollte sie schließlich auch nicht nerven. Es war spät gewesen und sie hatte mit Sicherheit geschlafen ... oder war gar nicht da.

Ich ging in mein Badezimmer und machte mich fertig. Danach schlich ich die Stufen hinunter, damit der Idiot mich nicht hören konnte, schnappte mir mein Fahrrad und radelte zum Bäcker.

Vincent hatte mir Geld geliehen, weil er wusste, wie knapp es momentan bei mir aussah und da ich auch noch Maries 5-Gänge-Menü bezahlt hatte, war es minimaler als sonst, was mein Portemonnaie so hergab.

Trotz allem bestellte ich sogar für Engel etwas, als ich den Bäcker erreicht hatte. Obwohl ich gar nicht wusste, was sie mochte. Sie war ein Mädchen, also nahm ich süßes Zeugs, mit der Hoffnung sie würde es mögen.

Waren die nicht alle so?

Nachdem ich wieder in unsere Straße fuhr, erkannte ich Jörg, der irgendeinem Nachbarn von der Schweinerei erzählte.

Ich lächelte beide an und brachte mein Fahrrad ins Innere, ehe ich aufs Neue hinausging.

»Dein Sohn?« , hörte ich den Mann fragen, als ich die Straße geradewegs zu Engel überquerte.

»Von meiner Frau.«

»Hey Junge.«

Ich rollte mit den Augen und drehte mich um. »Ja.«

»Willst du da rein?«

Ich runzelte die Stirn. »Und wenn?« , fragte ich den Mann, der wesentlich älter als Jörg zu sein schien.

»Na ja ...« Er verließ den Idioten, der wieder ins Haus stampfte und trat näher an mich heran. »... pass auf, dass dich niemand sieht. Ich weiß so ein Kasten ist verlockend, aber der Eigentümer sieht das bestimmt nicht gerne.«

Ich zeigte den Schlüssel. »Keine Sorge. Ich hab die Befugnis.«

»Ach ... du kennst den alten Ferber?« Ich nickte, obwohl ich ihren Vater nie gesehen hatte. Aber ich hatte auch keine Lust, dem fremden Kerl hier eine Erklärung abzugeben. »Schon schlimm, was damals geschehen ist.« , fügte er dem noch bei.

»Oh ja. Da sagen Sie was.« , antwortete ich abermals, ohne einen Einblick zu haben, von dem Geschwafel, was er da von sich gab.

»Ich hab' nie verstanden, wieso er das Anwesen danach gekauft hatte.« , sagte er weiter. »Ich meine, er könnte es wenigstens an eine Familie vermieten, oder nicht?«

»Ich weiß nich'.« Ich zuckte mit den Schultern und näherte mich dem Eingang. Der Mann blieb stehen und sah mich weiterhin mit einem lächelnden Gesicht an.

Ich entschied mich, den Schlüssel zu nehmen, auch wenn ich es unhöflich Engel gegenüber fand, aber irgendwie wollte ich dem Typen zeigen, das ich wahrlich kein Einbrecher oder so war und schon ein gebetener Gast.

Er verweilte ohne Scheiß da, bis ich ins Haus ging und diese hinter mir schloss.

Was für ein seltsamer Kerl.

»Engel?« , rief ich und blieb an Ort und Stelle stehen. »Ich bin's. Dag.«

Nichts.

Ich verharrte weiterhin und bückte mich etwas, um ein wenig mehr von oben sehen zu können, als sie plötzlich und unerwartet aus dem Wohnzimmer trat. »Hallo.« Sie lächelte.

Ich glaube, sie wusste gar nicht, wie hübsch sie aussah, wenn sie lächelte.

»Ich hoffe, es ist okay, das ich einfach so reingekommen bin.« , entschuldigte ich mich dennoch.

Ihr Lächeln blieb. »Du hast doch den Schlüssel.«

»Ja trotzdem.« , sagte ich und folgte ihr hinauf. Wir steuerten ihr Atelier an und ich setzte mich auf das kleine Sofa.

»Wie war dein Auftritt?« , erkundigte sie sich bei mir.

»Gut.« , antwortete ich. »Schade, dass du nicht konntest.«

Ihre fröhliche Mimik änderte sich. »Es tut mir leid.«

»Hey, so meinte ich das nicht.« Jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen. Es sollte schließlich kein Vorwurf sein. Ich fand es wirklich schade. »Vielleicht kannst du ja beim nächsten Mal.«

Ihr Gesichtsausdruck blieb und sie nahm auf dem kleinen Hocker platz. »Du hast deine Gitarre gar nicht bei.« , fiel ihr auf.

»Nein.« Ich wedelte mit der Tüte vom Bäcker herum und zeigte ihr den Inhalt. »Ich hab uns aber dafür Frühstück mitgebracht.«

»Oh ... ehm ... ich hab' kein'n Hunger.«

»Vielleicht später?«

Sie nickte ... aber unentschlossen. Möglicherweise hatte ich doch falsch gewählt und sie mochte all den süßen Kram nicht.

Wenn ich ihre Nummer gehabt hätte, wäre das nicht passiert. So hätte ich sie anrufen können und nachfragen, was ihr lieber gewesen wäre. »Ehm ... was hältst du davon, wenn wir Handynummern austauschen?« Kurz hielt ich meins in die Höhe.

Engel schüttelte den Kopf. »Ich ... ich hab kein Handy.«

»Gar keins?«

Ihre Kopfbewegung blieb. »Es tut mir leid.«

»Du musst dich nicht andauernd entschuldigen.« , sagte ich. »Ich dachte nur, das es uns einfacher machen könnte ... in Kontakt zu stehen.«

Sie blickte traurig in eine andere Richtung.

Das habe ich nicht gewollt. Vielleicht durfte sie ja kein Handy haben. Manche Eltern fanden nicht so gefallen an den neumodischen Sachen. Da fiel mir ein, dass ich ihr Alter gar nicht wusste.

»Wie alt bist du eigentlich?«

»Achtzehn.«

»Wie ich.« , entgegnete ich.

Sie lächelte ein wenig.

Doch wie bekam ich sie ... wieder fröhlich?

Ich stand auf und sah aus dem Fenster. Die Sonne schien. »Wir haben schönes Wetter heute, findest du nicht?«

Sie trat neben mich und blickte ebenfalls hinaus. »Ja.«

»Hast du vielleicht Lust auf einen Spaziergang?«

Engel schüttelte zum wiederholten Male den Kopf. »Nein, das geht nicht.« Somit entfernte sie sich auch direkt vom Fenster.

»Ist alles in Ordnung bei dir?« , hakte ich vorsichtig nach. Schließlich wollte ich nicht erneut irgendwas Falsches von mir geben.

»Können wir nicht einfach hierbleiben?«

Ich lächelte sie an. »Klar, wenn du möchtest. Das war nur ein Vorschlag. Ob hier oder draußen. Ich wollte den Tag mit dir verbringen. Wo, spielt keine Rolle für mich.«

Nun hoben sich ihre Mundwinkel an. »Wirklich?«

Ich nickte und setzte mich wieder auf das Sofa. »Ja. Wirklich.«

Du und ich, nur wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt