ᴷᴬᴾᴵᵀᴱᴸ 24

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Ich bekam Vincent so weit, am frühen Abend, nachdem wir die Mädels abgesetzt hatten, mit mir gemeinsam bei Engel vorbeizuschauen.

Noch standen wir vor ihrer Haustüre.

»Willst du nicht erst alleine rein? Sie vorwarnen?!« , schlug er fragend vor. »Ich bin schließlich ... ein Fremder.«

»Quatsch. Sie hat dich ja schonmal gesehen.«

»Wann?«

»Ja bestimmt vom Fenster aus. Und das eine Mal, als du mich auch hier abgesetzt hast.«

Er sah mich verdutzt an. »Okay?«

Ich öffnete die Türe. Mein bester Freund blieb trotzdem genau im Türrahmen stehen, als ich bereits einige Schritte hineingegangen war. »Engel?«

»Was machst du hier?« , hörte ich sie von oben sagen und blickte hinauf. Da stand sie. Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute sie kurz zu Vincent.

»Ich wollte dir meinen besten Freund vorstellen.«

»Das hättest du nicht tun dürfen.« , sagte sie.

Ich runzelte meine Stirn. Ja, ich hätte vielleicht vorher mit ihr reden sollen, aber ich verstand nicht, was jetzt wieder ihr Problem sein könnte.

»Sie scheint nicht da zu sein.« , meinte Vincent hinter mir.

Irritiert drehte ich mich um. »Was?«

»Ja entweder versteckt sie sich, oder sie ist nicht da.«

»Was laberst du?« Ich zeigte nach oben. »Da steht sie doch.«

Vincent ging in die Hocke und sah dann anschließend wieder zu mir. »Dag, da ist niemand.«

Ich gab ein seltsames Lachen von mir, weil ich nicht wusste, ob er mich verarscht. Doch Engels Blick sprach Bände. »Er kann mich nicht sehen.« , sagte sie.

»Was?«

»Da ist niemand.« , wiederholte Vincent, der dachte, ich würde mit ihm sprechen.

»Wieso nicht?« , fragte ich dennoch Engel.

»Wie, wieso nicht? Weil da niemand ist.« , antwortete wieder mein bester Freund, der sich wie gehabt normal hingestellt hatte und mittlerweile neben mir stand.

Ich sah zu Engel. Was lief hier?

»Es tut mir leid Dag. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst.« , sagte sie mit einem traurigen Blick und ging rückwärts in das Atelier hinein, da, wo ich sie dann auch nicht mehr sehen konnte.

»Warte.« , kam eindringlich bittend aus meinem Mund.

Vincent runzelte die Stirn und blickte abwechselnd auf mich und die Stelle wo Engel eben noch stand. »Geht's dir gut?«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein.« , dann sah ich ihn an. »Du hast sie nicht gesehen? Gehört?«

Er blickte abermals hinauf und schüttelte unter dem Umstand seinen Kopf. »Nein. Du?« , fragte er vorsichtig nach, obwohl er die Antwort ja bereits wusste. Mein Nicken kam zeitverzögert. »Dag, ich glaube, wir sollten ... zu dir gehen. Und da reden wir in Ruhe.«

»Aber sie ... Engel?« , rief ich verzweifelt laut nach oben.

»Hier ist niemand.« Vincent zog an meinem Arm. »Lass uns rübergehen. Lass uns da reden, okay?!«

»Aber sie ist hier. Wirklich. Ich lüge nicht.«

»Ich glaub' dir ja.« Er zog wie bisher an mir. »Komm jetzt.«

»Aber ...?« Völlig verwirrt ließ ich mich von ihm aus dem Haus ziehen. Er entwendete mir den Schlüssel und schloss ab. Weiterhin, mich wie an der Leine führend, bugsierte er mich über die Straße zu meinem Wohnhaus hin.

Ich blickte immer noch zu Engels Haus. Sie stand an ihrer Fensterscheibe und sah mich an.

Als wir in meiner Wohnung ankamen, war mein erster Schritt zum Fenster hin. »Siehst ... du ... sie?« , hakte Vincent nach.

Ich nickte. »Ja. Oben rechts.«

Er drehte mich um und schüttelte seinen Kopf. »Da ist niemand. Wirklich nicht.«

»Aber ich seh' sie. Deutlich.«

»Ich ... ich glaub' dir ja, das du glaubst, etwas zu sehen, aber ...« Er schüttelte weiterhin seinen Kopf. »... in der ... Realität ... ist niemand da. Wirklich nicht.«

»Nein. Sie ... ich seh' sie doch. Ich spüre sie und höre sie ... ich ... ich ...«

Er führte mich zu meinem Bett und als ich mich hingesetzt hatte, kniete er sich vor mich. »Dag, ich glaube, du brauchst Hilfe.«

Ich erkannte die Sorge in seinen Augen und nickte deshalb auch. »Sie ist wirklich nicht da?« , fragte ich angstbesetzt.

Vincent stand extra auf und ging erneut ans Fenster. »Nein. Ich sehe niemanden.«

»Was ist denn los mit mir?«

»Ich weiß es nicht.«

»Was soll ich jetzt tun?«

»Du ... du gehst doch noch in Therapie oder?«

»Nicht regelmäßig. Ich hab zwei Termine sausen lassen.«

»Dann ... mach das du wieder hingehst. Und ... rede mit ihm ... über die Sache. Also erzähl, was du ... glaubst zu sehen.«

»Der wird mich doch für verrückt halten.«

»Nein, er wird dir helfen.«

Ich stand auf und ging nochmal ans Fenster. Engel sah mich traurig an ... dann drehte sie sich um und entfernte sich. »Bin ich verrückt?« , fragte ich nun Vincent.

»Nein.«

»Aber es ist so ... real. Ich rede doch mit ihr und ... ich ...«

Ich hatte mit ihr geschlafen ...

Oder?

War das eine Einbildung?

Wenn sie gar nicht existierte, konnte ich auch nicht mit ihr geschlafen haben.

War ich so durchgeknallt, dass ich da alleine zugange mit mir war und mir einbildete, es wäre ein junges hübsches Mädchen bei mir gewesen?

»Du gehst einfach zur Therapie. Er wird dir helfen.« , startete Vincent umstandslos nochmal von vorne.

Doch allein der Gedanke irgendjemanden davon zu erzählen ängstigte mich noch mehr, als der Umstand das ich die ganze Zeit über in diesem Haus gewesen war ... solo.

Ich dachte an die Frau, die mich einmal am Eingang gesehen hatte und mich seltsam betrachtete.

An Vincents verwunderlichen Blick, als er mich dort abgesetzt hatte und ich mit Engel gemeinsam an der Türe stand.

Und ... Marie.

Ich hatte ihr erzählt, dort würde meine Freundin stehen ... und niemand war da. Sie hatte keine Menschenseele gesehen und ich verstand nun ihren Wutausbruch. Sie muss gedacht haben, ich wollte sie einfach nur loswerden.

Ich erinnerte mich an diesen Viktor, wie er ins Haus kam und ich im Schrank hockte. Natürlich hatte Engel nicht geantwortet ... weil sie nur in meinem Kopf existierte.

Obwohl ...

Mit wem hatte er dann geredet?

Ich war vollkommen fertig ... und wusste nicht, ob ich jetzt wirklich noch Antworten haben wollte.

Du und ich, nur wir beideWhere stories live. Discover now