Kapitel XLIII

2.7K 97 6
                                    

Wie ein Fluss, dessen Damm gebrochen war, brachen die Wellen der Erinnerungen auf mich ein.
Die Lagerhalle, das schummrige Licht, der Stuhl in der Mitte des Raumes.
All die versteckten Puzzleteile meines Gedächtnisses , welche ich seit dem Tag krampfhaft versuchte zu verdrängen, stürmten auf mich ein. Mein Kopf schmerzte und ich massierte meine Schläfen im Uhrzeigersinn.
Dante saß mir seid einer Stunde schweigend gegenüber und wartete darauf, dass ich das Wort ergriff, doch das tat ich nicht.
Ich konnte nicht, denn die Angst, mein Geständnis über Hirotos Tod würde von der Spitzte meiner Zunge springen, war zu groß.
Mit zusammengebissenen Zähnen saß ich auf dem Sofa und starrte ins Nichts, in der Hoffnung sein Befehl würde einfach verschwinden.
Du wirst mir alles erzählen, diese Worte, welche wie ein Knall mein Trommelfeld verletzten, hallten als Echo in meinem Kopf wieder.

Das Gefühl eines Dejavu breitete sich in mir aus und ich sah ein gekanntes Bild vor mir.
Ein abgeschlossener Raum, mein Mann, welcher mich mit einem aufmerksamen Blick mustert und mir die Möglichkeit gibt alles zu erzählen was ich geheim hielt.
Damals ließ ich dieses Geheimnis im Schatten, hielt er unter Verschluss, weil ich Angst hatte ihn zu verlieren.
Ich fürchtete mich davor, er könnte mir das niemals verzeihen.
Ich hatte den Mann umgebracht der hinter dem Tod seines besten Freundes stand, der ihn und Pablo gefangen hielt und folterte.
Wie könnte er mir so etwas verzeihen?
Ich verweigerte ihm seine Rache!
Gott, was mach ich jetzt?!

Meine Augen fanden Dantes und wir starrten uns einige Sekunden an, bevor ich den Blick abwandte.
Er wird nicht nachgeben, das sah ich in seinen Augen.
Ich werde aus dieser Situation nicht herauskommen, egal wie lange ich schwieg, Dante würde mich nicht vom Haken lassen.
Nicht solange er seine Antwort nicht hätte. Die Tatsache, dass er ebenfalls kein Wort sagte, verunsicherte mich. Er drängte nicht, fragte kein zweites Mal, alles was er tat war mich anzusehen. Die Stille war ebenso quälend wie die Frage an sich. Hektisch rutschte ich auf meinem Sitz hin und her, fand aber auch dadurch keine Ruhe.

Er hatte Christiano klar gesagt, dass eine weitere Suche nach Hiroto nicht nötig war, aber wieso?
Den Leichnam ließ ich dort, in der Lagehalle bei Juan Li.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Chinesen ihn dort haben liegen lassen, also kann der Fund seines Körpers nicht der Grund dafür sein.
Also was? Was hatte ihn zu dieser Annahme geführt, dass Hiroto nicht mehr zu finden war?
Oder hatte er aufgegeben? Nein! Das würde niemals passieren. Dante würde den Mörder von Pablo bis in die Hölle verfolgen!
Dann blieb nur eine Möglichkeit und die gefror mir das Blut in den Adern.
Er wusste, dass Hiroto tot war und da er mich jetzt verhörte wusste er auch, dass ich damit zutun hatte.

Machte es Sinn noch weiter zu schweigen, wenn das Seil um meinen Hals schon festgezogen wurde?
Wie durch einen starken Windstoß fielen meine Zweifel und die Hoffnung aus dieser Sache rauszukommen von mir. Alles was mir blieb, war die Wahrheit.
Ich hob meinen Kopf und guckte Dante direkt in die Augen, bevor ich den nächsten Satz über meine Lippen brachte.
"Ich hab Hiroto erschossen."
Wie ein Schluss flogen diese Worte aus meinem Mund und trafen genau auf Dante.
Erst hatte ich ihm das Messer in den Rücken gestoßen und jetzt schoss ich die Kugel direkt in sein Gesicht.
Dante regte sich nicht, atmete nicht, er bleib einfach weiter still sitzen und sah mich an.
Die Ruhige, welche sich nach meinem Geständnis zwischen uns breit machte, war schlimmer als all die stillen Minuten zuvor.

Die Zeit lief rückwärts, so kam es mir zumindest vor. Wie eine Spirale drehten sich seine möglichen Reaktionen in meinem Kopf hoch und runter und keine von ihnen war wirklich gut für mich.
"Weiter!" Plötzlich durchbrach Dante die Stille und ich glaubte mich verhört zu haben.
Er forderte mich auf weiter zu sprechen, ruhig und ohne Emotionen.
Er schrie nicht, warf keine Sachen nach mir oder verließ wütend den Raum, er saß weiter dort auf dem Sofa und starrte mich an.
Fast so, als hätte ich gerade nichts gesagt.
Anstatt ihn nach seiner seltsamen Reaktion zu fragen, fokussierte ich mich auf meine Erzählung. Vielleicht kommt der Sturm erst noch.
"Als du und Pablo in Gefangenschaft wart, bat ich um ein Treffen mit Juan Li. Nach einem Deal mit ihm bekannte er dazu bereit, euren Aufenthaltsort preiszugeben."
Am besten ich fing von vorne an, an der Stelle an welcher ich meine Stimme noch ruhig halten konnte. Je weiter ich zurück ging in meiner Erzählung, desto mehr Zeit hatte ich bis zum schlimmen Teil.

Dante hörte weiter aufmerksam zu, ließ mich das Tempo bestimmen und fragte auch nicht nach, weshalb ich fort fuhr.
"Den Ort, den er mir nannte, stimmte. Wir befreiten euch, wenn auch .." an diesem Punkt stoppte ich. Es war nicht nötig Pablos Tod noch einmal auf zurollen.
"Was wollte Li im Gegenzug haben?" Zum ersten Mal fragte Dante mich etwas, auch wenn ich seinem Ton entnehmen konnte, dass er es bereits wusste.
"Einen Gefallen."
Als meine Antwort erklang, schlug Dante mit der Hand auf den kleinen Tisch, welcher zwischen uns stand. Der Moment seiner Reaktion war gekommen.

Wie als hätte ihn etwas gestochen, sprang er von seinem Platz auf und ging zum anderen Ende des Raumes.
Verwirrt beobachtete ich ihn dabei, wie er hin und her tigerte.
Wieso sprang er erst jetzt auf?
Ich sagte ihm, dass ich den Mörder von Pablo getötet hatte, doch er regte sich nicht.
Dann erwähne ich den Gefallen und er schlägt mit voller Kraft auf den Tisch.

Der Knoten in meiner Kopf verhädderte sich immer weiter und ich glaubte bereits nichts mehr zuwissen, da drehte er sich wieder zu mir um.
Ruhig und gefasst sprach Dante die, mir bereits bekannte, Aufforderung.
"Weiter!"




Ace of Hearts IIWhere stories live. Discover now