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CLOVE

Cato Augen mustern mich von Kopf bis Fuß, während ich ihm weiterhin ins Gesicht starre. 

Die dünne schwarze Jacke schirmt mich eher schlecht als recht vom strömenden Regen ab, in meinen Stiefeln sammelt sich das Wasser. Einige widerspenstige lange Haare haben sich aus meinem Zopf gelöst und kleben mir im Gesicht. Ich zittere bereits am ganzen Körper, als ich endlich durch das Tor ins Dorf laufe. Meine müden Füße tragen mich zum Haus meines Vaters. Es ist spät, vermutlich schläft er bereits, wie man es um diese Uhrzeit tun sollte. Er hat mir bereits direkt nach meinem Sieg heute gratuliert. Die Akademie hat nie so lange geöffnet, wie an den Bewerb-Tagen. Der Himmel ist tiefschwarz, kein einziger Stern lässt sich heute blicken. Als ich die Treppen hinauflaufe, fällt mein Blick auf die breite Statur meines blonden Nachbars. Die weiße Wolke kämpft gegen die großen Tropfen, als er sie aus seinem Mund in die Nacht bläst. Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen Moment, bevor ich durch die Tür ins Haus schlüpfe. 

Enobaria lehnt mit ihrer Hüfte lässig an der schmalen Theke, auf der alle möglichen Glas Behälter mit verschieden farbigen Flüssigkeiten stehen. Ein massives Holzbrett, auf dem ein Laib Brot liegt, zugedeckt mit einem weißen Tuch, liegt daneben, ebenso wie ein edles Brotmesser, dessen Griff feinste Gravuren aufweist. In ihrer Hand hält sie ein Weinglas, das sie abwesend schwenkt, während ihr Blick ins Leere geht. 

>>Hey Cato<<, Jenners Stimme ertönt dicht neben mir. Cato Augen bewegen sich hin zu dem Jungen, den er seit seiner Geburt kennt. Jenner grinst über das ganze Gesicht, als er ihm die Faust hinstreckt. Ich sehe zurück zu dem blonden Sieger, der mir gegenüber sitzt und mustere ihn. Sein Adamsapfel hüpft hoch und runter, als er schluckt und schließlich drückt er Jenners Hand hinunter.

>>Setz dich Jenner<<, Cato Anweisung überrascht mich. Jenner zieht die Augenbrauen zusammen, scheinbar vor den Kopf gestoßen, als er sich in den Stuhl neben mir fallen lässt und zu Boden sieht. Ich kann das leichte Schmunzeln, das sich auf meine Lippen schleicht, nicht aufhalten. 

Cato räuspert sich und sieht zwischen uns hin und her. Jenner blickt immer noch zu Boden. Die harte Realität trifft ihn nun ebenso wie mich gestern. Seit gestern Nachmittag feststand, dass ich mit dem Akademie-Erben in die Spiele ziehen würde, habe ich mein Leben etwas an mir vorbeiziehen sehen. Es spielt keine Rolle, dass ich die vielversprechendste 18-Jährige Thronanwärterin meines Distrikts bin. Ohne die Unterstützung meiner Mentoren erschwert sich mein Weg zum Sieg erheblich. Doch nun ist Jenner an der Reihe für seinen Realitäts-Check.    Sein vermeintlicher Bruder ist nun nicht mehr dieser. Zumindest dem Anschein nach. 

>>Wir sind in wenigen Stunden im Kapitol. Bevor wir noch etwas zu Mittag essen, möchte ich mehr über eure Fähigkeiten erfahren. Mir ist bewusst, dass ihr was drauf habt, sonst würdet ihr nicht hier sitzen. Einiges konnte ich auch gestern beim Bewerb beobachten. Hat jemand von euch den Überlebens-Strategie-Kurs belegt?<< 

Natürlich hat er zugesehen. Der Bewerb ist das Spektakel schlecht hin am Tag vor der Ernte. Jeder mit Rang und Namen erhält eine Einladung, um uns Spitzenanwärtern dabei zuzusehen, wie wir um unseren Platz in den Spielen kämpfen. Seine Anwesenheit ist jedoch komplett an mir vorbeigegangen. 

>>Ich nicht. Mein Vater hat mich aber gewisse Dinge gelehrt. Ich kann Feuer machen und bin auch ziemlich gut im klettern<<, antworte ich. 

>>Dann sieh zu, dass du mir davon kletterst, bevor ich dich umlegen kann<<, Jenner flüstert seine Worte dem Boden entgegen, als würde er laut denken.

Ich mustere ihn still von der Seite, von unseren Mentoren kommt kein Mucks. 

>>Würdest du das nochmal wiederholen Jenner? Ich hab dich leider nicht verstanden, wo du so in den Boden hinein flüsterst.<< 

Sein Blick schnellt zu mir herüber, seine braunen Augen erfüllt mit Hass. 

>>Ich sagte, sieh zu, dass du mir davon kletterst, bevor ich dich umlegen kann<<, seine Spucke klatscht mir ins Gesicht, als er seine Worte wiederholt. Langsam hebe ich meine Hand und wische seinen Speichel von meiner Backe. 

Im nächsten Moment sitze ich rittlings auf ihm, das zackige edle Brotmesser an seine Kehle gedrückt. Ich starre ihm so tief in seine kacke-braunen Augen, dass ich die Angst in ihnen beinahe schmecken kann. Das Aufblähen seiner Nasenflügel ist hektisch und sein Atem beschleunigt sich nervös. Die Zacken des Messers schneiden leicht in die dünne Haus seines Halses ein und hinterlassen kleine blutige Punkte. 

>>Seid ihr fertig?<<, Enobarias Stimme trieft vor Langeweile. Ihr Weinglas klirrt, als sie es auf der Theke abstellt. Ich spüre den Luftzug, als sie sich hinter mir in den Stuhl neben Cato setzt. Jenner gibt keinen Mucks von sich, er umklammert lediglich die Stuhlarme, sodass seine Knöchel weiß hervortreten. 

>>Lektion Nummer 1<<, Catos Stimme ist überraschend entspannt und ich zucke leicht zusammen, als ich seine großen Hände an meiner Taille spüre. Das Messer immer noch fest umklammert hebt er mich wie eine Feder von meinem Mittribut herunter und platziert mich zurück in meinen Sessel. Seine Finger nehmen mir das Messer so sanft aus der Hand, dass ich kurz vergesse, wie tödlich sie sind. >>Lebend seid ihr euch in der Arena nützlicher. Es wird Zeiten geben, wo ihr ineinander mehr Vertrauen finden werdet, als in sonst jemandem dort drinnen.<< 

Jenner greift auf die Stelle seines Halses, an die ich ihm vor wenigen Sekunden noch ein Messer gedrückt habe. Wenn Cato denkt, dass ich auch nur eine Minute Schlaf finden werde, wenn Jenner Wache hält, täuscht er sich gewaltig. Himmel, ich bin mir nach seiner Morddrohung nicht einmal mehr sicher, ob ich überhaupt ein Bündnis mit ihm eingehen soll.

>>Ihr Kinder müsst noch einiges lernen, bevor es in die Arena geht. Mit dieser Arroganz und dem Temperament könnt ihr froh sein auch nur 2 Tage zu überleben<<, Enobarias Worte sind hart und doch glaube ich ihr, ohne Zweifel. Meine Augen schweifen zögerlich zu Jenner neben mir, der ebenso langsam seinen Blick zu mir wandern lässt. Schließlich streckt er mir die Hand hin.

Ohne ein weiteres Wort zu wechseln schütteln wir uns zum zweiten Mal an diesem Tag die Hand. Jedoch glaube ich keine Sekunde, dass er seine Meinung geändert hat. Wenn überhaupt hat er seine Mordpläne ein paar Tage nach hinten verschoben. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass ich ganz oben auf der Abschussliste meines Distriktpartners stehe. 

Anders als Jenner hatte ich nie vor, diejenige zu sein, die ihm das Leben nehmen wird. Mein Vater ist seit Jahren bemüht, den Frieden mit den Gründerfamilien zu wahren. Die Beziehung ist ein wackeliges Gerüst, das auf einem unebenen Fundament erbaut wurde. 

Nachdem meine Mutter starb, ist das Band der Familie gar explodiert. Ein Selbstmord ist ein ehrenloser Tod in Distrikt 2. Dass ein Mitglied einer Gründerfamilie aufgrund seiner verdrehten Ansichten auf die Spiele einen solchen Weg aus dem Leben wählt, ist an Absurdität nicht zu übertreffen. 

Eliana Griffin hat sich trotz ihrer Abneigung gegen die Spiele Hals über Kopf in den frisch gebackenen Sieger Brutus Kentwell verliebt. Es war die Liebesgeschichte des Jahrzehnts. Als Archer schließlich 6 Jahre alt wurde und damit alt genug für die Akademie war, meine Mutter einen Ring am Finger trug und mein Vater sein Trauma Jahre nach seinem Sieg überwunden hatte, kam der siegesdurstige Karriero wieder zum Vorschein. Nachdem meiner Mutter klar wurde, dass mein Vater wirklich alles dafür tun würde, um Sieger aus ihren Kindern zu machen, erkannte sie ihren schwerwiegenden Fehler. 

Der Mann, dessen Wunden sie Jahre leckte und der allem Anschein nach durch seine Erlebnisse ihre Ansichten teilte, war nach all ihren Bemühungen ihn zu heilen zur Personifizierung ihres Albtraums geworden. 

Ein paar Tage vor Archers erster Ernte fand Brutus Kentwell seine Frau von der Decke baumelnd auf dem Dachboden seines Hauses. 

Es ist also kein Wunder, dass die Gründerfamilien nichts mehr mit uns zu tun haben wollten, schon gar nicht Familie Griffin. Sie kannten die Ansichten meiner Mutter. Es zweifelte also keiner daran, dass sein Durst nach einem Thronfolger ihre geliebte Eliana in den Tod trieb. Dass Jenner Griffins Hass mir gegenüber somit zum Teil erlernt ist wundert mich kein Stück. 

Es war auch nicht meine Wunschvorstellung mit meinem Cousin in die Spiele zu ziehen und das einsturzgefährdete, wacklige Gerüst mit einem Mord an ihm in die Luft zu sprengen. 






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⏰ Last updated: Apr 02, 2023 ⏰

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