𝐗𝐗𝐈𝐕 𝐙𝐮𝐫𝐮̈𝐜𝐤

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...𝐳𝐮 𝐝𝐢𝐫

Ich hatte das reichlich bedeckte Sandwich auf dem Weg nach Hause verschlungen. Nebenbei war ich durch die Dunkelheit spaziert und über getrocknete Tränen, flossen neue. Damit hatte ich ein verstörendes Bild für die Touristen abgegeben, doch selbst das war mir egal.

Mit dem Gedanken an Nelios Schmerz war ich irgendwann auf unserem Sofa eingeschlafen und nun auch wieder erwacht. Auf Milans Trost hatte ich wieder vergeblich gewartet. Auch in dieser Nacht blieben meine Träume schwarz.

Ein Blick an die Wand gegenüber verriet mir, dass es gleich sieben werden würde. Ich massierte meine Schläfen, die unter meinen Berührungen pochten. Auch wenn ich mich am liebsten wieder hingelegt hätte, stand ich auf, bevor meine Freunde es taten. Bei meiner Erscheinung hätten sie wieder darauf plädiert, den Notarzt zu rufen.

Also stieg ich unter die Dusche und genoss das warme Wasser, welches das restliche Blut und die mittlerweile getrockneten Tränen den Abfluss herunter spülte.

Nachdem ich mir ein Handtuch um meinen Körper und ein weiteres um meine Haare geschlungen hatte, lag meine Hand zitternd auf der Türklinke zu meinem Zimmer. Ich wusste nicht, wovor ich mich mehr fürchtete. Da waren all die Erinnerungen an Milan, die drohten, mich in ein Loch zu ziehen und das ganze Blut vom Vortag. Das eine zeigte meine psychische Störung, das andere meinen physischen Zerfall. Was zur Hölle stimmte nicht mit mir?

Ich ging hinein, doch mich erwartete frische Bettwäsche und ein gründlich gewischter Boden. Nichts deutete mehr auf den Wahnsinn hin, der hier regelmäßig stattfand. Außer das dahin geschmierte 'Danke' am Spielgel, welches ich einst für Milan hinterlassen hatte. Ich setzte mich davor und streichelte über die Farbe. Gott, vermisste ich Milan... Aber ich schob meine Sehnsucht zur Seite und griff zu meiner Kosmetik; schminkte mir Farben ins Gesicht, die ich nicht mehr besaß.

Das gelb-geblümte Kleid, dass sonst wie angegossen passte, hing locker bis zu meinen Knien herunter. Das lag wohl an der unfreiwilligen Diät.
Zunächst hatte ich es jedoch geschafft, die Katastrophe hinter mir zu lassen und trat wie ein neuer Mensch, zumindest äußerlich, vor die Tür.

Weil Theo und Frieda sich so herzlich um mich kümmerten, beschloss ich ein üppiges Frühstück vorzubereiten. Ich stellte die Brötchen in den Ofen, kochte Eier und backte ein paar Pfannkuchen.

"Woha wie krass." Theo stürtzte sich gleich an den Esstisch auf unserer Terrasse, ohne mich weiter zu beachten. Frieda kam erst dazu, als wir schon aßen. "Geht's dir besser?" Sie blieb hinter mir stehen und legte ihre Hände auf meinen Schultern ab. "Ja, es geht wieder." Ich drückte ihre Hand bestätigend. Als sie sich zu uns setzte, ergriff ich nochmal das Wort.
"Danke für alles!", sprach ich an die beiden aus. "Für das Sorgen machen, für's Tragen, für's Saubermachen...", zählte ich auf, während meine Augen zwischen den beiden hin und her schweiften. Frieda lächelte mir nur zaghaft entgegen.
"So einfach ist das ja nicht, Kleine. Also ich habe ganz schön was gut bei dir", verlangte Theo mit seinem Finger auf mich gerichtet, was ich wohl ergeben so hinnehmen musste.

"Kommst du gleich wieder mit zum Strand?", wollte Frieda wissen, indessen sie ihren Orangensaft leerte.
"Nein, ich habe ein Online-Meeting mit Dino", log ich schnell, obwohl es der halben Wahrheit entsprach. Sie nickte. "Richte dem Psycho-Dok schöne Grüße aus", fügte Theo noch hinzu.

Wir frühstückten fertig, dann gingen meine Freunde zum Strand und ich blieb zurück. Ich saß weiterhin draußen und genoss dabei die Sonne auf meiner Haut. Seit langem scrollte ich mal wieder durch mein Handy. Nelio schrieb mir nicht mehr. Das war's endgültig. Ich schluckte den Kloß herunter. So viel war in so wenigen Wochen geschehen.

Meine Eltern riefen auch nicht an, aber nur weil ich sie darum gebeten hatte. Urlaub hieß für mich eigentlich auch eine Auszeit vom Smartphone, doch vielleicht hatte Frieda auch hier mit ihrer Theorie Recht und ich hielt Mama und Papa nur auf Abstand.
Zuhause meldete ich mich auch kaum mehr bei ihnen, weil ich ja Vollzeit arbeitete. Ich fragte mich, ob ich ihnen insgeheim die Schuld dafür gab, dass sich mein Leben nach unserer Auswanderung so verändert hatte und lieblos geworden war.

Hinter der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt