Kapitel 20

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Ihre Sicht

Ich riss meine Fäuste nach oben und überfuhr die Ziellinie. Es war still. Es gab kaum eine Regung auf den Tribünen und trotzdem war ich überglücklich. Ich hatte es geschafft. Ich hatte gewonnen. Ich hatte es geschafft Therese auf den letzten drei Kilometern den Zahn zu ziehen. Ich hatte sie einfach stehen gelassen und war davon gezogen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und jetzt stand ich hier und wartete darauf, dass die anderen Athletinnen auftauchen würden. Eine halbe Minute nach mir sprinten Therese und Natalja auf die Zielgerade. Ihre Skier schieben sich über die Ziellinie und ihre Blicke schnellen zur Anzeigetafel. Es ist noch kein Ergebnis zu sehen. Meiner Meinung nach hat Therese gewonnen. Ich glaube wirklich, dass ihre Schuhspitze zuerst über der Linie war. Dann leuchten die Namen auf der Tafel auf. Und dann bewahrheitet sich meine Vermutung. Ich laufe zu Therese und umarme sie. Sie hat stark gekämpft. Anschließend beglückwünsche ich auch Natalja. Danach stürzen sich die Fotografen auf uns und erwarten, dass wir eine Reihe an Posen einnehmen. Als wir endlich entlassen werden löse ich mich von den beiden Anderen und begab mich in die Mixed Zone um mich endgültig umziehen zu können. Ich stand schon viel zu lange in meinem Rennanzug in der Kälte. In der Mixed-Zone schnappte ich mir meinen Rucksack und verschwand in die Katakomben. Ich zog mich schnell um und wollte gerade verschwinden, als der Pressetyp unseres Verbandes mich aufhielt.

„Oh Liva, Schätzchen. Warte. Du musst nach oben. Die Presse erwartet dich oben. In einer viertel Stunde ist die Flower Ceremony. Danach ist die Pressekonferenz. Los, Los." Er ist ein unangenehmer Typ.

„Erstmal, nenn mich noch einmal Schätzchen und ich sorge dafür, dass sie ihren Job verlieren. Und zweitens entscheide ich, wann ich wo hin gehe. Aber Dankeschön für die Hinweise." Ich sehe ihn noch einmal an und verschwinde dann nach draußen.

Ich muss mich einer Reihe an Interviews stellen. Die Stelle, an der die deutschen Medien ihre Mikros aufgebaut haben, umrunde ich großzügig, auch wenn sie sofort nach mir rufen um ein Interview zu bekommen. Ich will weitergehen, doch der Pressesprecher hält mich auf.

„Das deutsche Fernsehen will ein Interview. Los, gehen sie hin." Er ist mir viel zu aufdringlich.

„Ich haben ihnen doch gerade gesagt, dass ich alleine entscheide, was ich mache. Und außerdem habe ich ein persönliches Problem mit dem deutschen Fernsehen, also suchen sie sich jemand anderen, den sie mit ihren klugen Hinweisen belästigen können." Ich muss dringend bei Inga nachfragen, wer diesem typen einen Job geben konnte.

Als ich aus dem Strudel der Interviews frei bin, binde ich mir meine Haare neu und mache mich dann auf den Weg Richtung Sammelstelle für die Flower Ceremony. Inga und Therese sind schon da.

„Liva. Wie waren die Interviews?" Inga sieht mich grinsend an.

„Eigentlich sehr gut. Aber mal ernsthaft. Wer ist dieser neue Pressetyp? Er ist furchtbar." Ich sehe sie an.

„Das ist eine gute Frage. Mich hat er auch schon genervt." Therese sieht zu Inga.

„Das ist Sivert. Er ist der beste, denn wir seit Jahren haben. Er hat Biss." Erklärt sie.

„Der Kerl ist übergriffig. Er hat mich Schätzchen genannt. Er ist ekelhaft."

„Ja." Therese stimmt mir zu. „Er hat mich Baby genannt."

„Okay, okay, Mädels. Ich rede mit ihm, aber jetzt ab zur Flowerceremony mit euch. Freut euch mal ein bisschen." Sie grinst und wir folgen den Hostessen zum Podest. Es ist immer noch arschkalt. Aber ich freue mich. Erstes Rennen erste Medaille. Besser geht es kaum.

Zuerst ertönt die Musik. Es ist irgendeine um die Prozedur zu eröffnen. Dach wird Natalja aufgerufen und dann Therese. Danach bin ich dran. Es wird über die Lautsprecher in Englisch, Französisch und Chinesisch bekannt gegeben, dass ich die Olympiasiegerin bin, bevor mein Name erklingt und ich auf das Podest hüpfe und meine Arme in die Luft reiße. Als mir dann Erik Roeste ein norwegisches Mitglied bei der FIS diesen Astronauten Panda übergibt verliere ich doch noch die Fassung. Mir steigen die Tränen in die Augen. Ich habe es geschafft. Entgegen aller Möglichkeiten habe ich es geschafft. Corona hat mich nicht klein gekriegt. Ich habe es wirklich geschafft. Und dann passiert etwas womit ich nicht gerechnet habe. Therese kommt zu mir nach oben und nimmt mich in den Arm.

„Ich weiß, wie viel dir dieser Sieg bedeutet. Herzlichen Glückwunsch." Flüstert sie.

„Danke. Dir auch. Das war ein guter Kampf." Ich grinse und winke dann auch Natalja zu uns nach oben, damit wir Fotos zusammen machen können. Bevor wir wieder vom Podest steigen, um noch Fotos mit den Astronauten Pandas zu machen. Zumindest finde ich, dass sie aussehen, wie Astronauten.

Anschließend werden wir von einem Shuttle ins Pressezentrum gefahren, wo die Pressekonferenz stattfindet. Wir setzen uns an den langen Tisch, an dem wir von Plexiglassscheiben getrennt wurden.

„Liva, herzlichen Glückwunsch. Wie fühlen sie sich?" die Leiterin der Pressekonferenz sieht mich an.

„Dankeschön. Ich fühle mich sehr gut. Ich bin ein bisschen überwältigt, wenn ich ehrlich bin." Gebe ich zu.

„Warum sind sie überwältigt? Sie sind doch bereits Olympiasiegerin. Was macht diesen so besonders?"

„Die gesamte Vorgeschichte. Ich hatte nach Corona lange Angst, dass ich es nicht mehr zurück schaffe. Das ich hier bei den Spielen zum ersten Mal wieder ganz oben stehe, seit Corona ist einfach crazy." Beantworte ich ihre Frage.

„Was haben sie noch vor bei diesen Spielen?" diese Frage hatte ich durchaus erwartet.

„mein Fokus liegt auf den 10km. Das ist meine Lieblingsdistanz. Da würde ich schon gerne eine Medaille gewinnen." Führe ich aus.

Danach beantworte ich noch ein paar Routinefragen von Journalisten, bevor es mit Therese weitergeht. Ich höre den Fragen zu und versuche nicht einzuschlafen. Die 15km haben schon ganz schön geschlaucht.

Gerade wird Natalja befragt, als Therese an meine Scheibe klopft und mir ihr Handy hinhält. Verwirrt sehe ich sie an, bevor ich auf das Display sehe.

„Ja!!" ich habe es schneller gerufen, als ich merke, dass wir noch in der Pressekonferenz sitze.

Alle sehen mich an und natürlich werde ich gefragt.

„Was bereitet ihnen denn eine solche Freude?"

„Entschuldigen sie bitte. Aber mein Lebensgefährte ist gerade auch Olympiasieger geworden und ich freue mich einfach sehr für ihn." Erkläre ich meinen kleinen Gefühlsausbruch.

„Na dann, herzlichen Glückwunsch. Das war dann ja ein erfolgreicher Tag für die Familie." Sie lächelt und wendet sich dann wieder Natalja zu.

Wettkampf 1 ist jetzt für uns beide geschafft und ich hoffe, dass es noch viel besser wird.

Ufullkommenhet er en Form av Frihet 2Donde viven las historias. Descúbrelo ahora