36| Heesung

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Wir haben uns darauf geeinigt, dass Minjun uns zuerst zu meiner Wohnung fährt, damit ich ein paar Sachen zusammenpacken kann. Sumi und ich sitzen auf der Rückbank nebeneinander. Während ich die Fahrt über fast nur raus schaue, bemerke ich, wie sie ab und zu zu mir schaut. Doch sobald ich zu ihr schaue und ihren Blick erwidern möchte schaut sie ganz schnell weg und tut, als wäre nichts. Auch wenn ich sie noch nicht so lange kenne, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Eigentlich kann ich mir aber auch schon denken, was es sein könnte. Dank Minjun weiß sie zum Glück nicht was vorgefallen ist. Jedoch muss ich mir überlegen, was ich ihr sagen werde, da ich ihr auf gar keinen Fall die Wahrheit über den Abend erzählen möchte. Sie wird mich anderes sehen, mich eventuell abstoßen und höchstwahrscheinlich Bemitleiden, und darauf kann ich echt verzichten. Ich finde es zwar schön, dass sie jetzt bei mir ist, doch mir währe Dal oder Ji-hu im Moment etwas lieber. Sie würden mir nämlich keine Fragen stellen, sondern wüssten, was passiert ist. Immerhin hat mein Vater, als ich noch zur High-School ging immer und immer geschlagen, sei es weil er gerade danach Lust hatte, oder weil ich mich zwischen ihn und meine Mutter gestellt hatte. Meine zwei haben mir immer und immer wieder fragen gestellt, sodass ich mich ihnen irgendwann anvertraut habe. Schnell versuche ich diese Gedanken zu vertränken, da ich mich nicht gerne daran erinnern möchte. Während ich Versuche diese Gedanken zu ignorieren, werde ich plötzlich hellhörig, als Sumi plötzlich neben mir Gähnt. Sofort huscht mein Blick zu ihr und erst jetzt fällt mir auf, wie müde sie überhaupt aussieht. Sie trägt noch immer meinen Pullover, dich anscheinend hat sie sich schnell eine Jeanshose angezogen. Ihre Haare sind etwas unordentlich, so als ob sie schon im Bett gelegen und geschlafen hat. Wieder gähnt sie und mein Blick, mit welchem ich sie anschaue wird besorgter. Scheiße, sie muss morgen zur Uni und hat kaum geschlafen. Schuldgefühle machen sich in mir breit, wobei ich Minjun in Gedanken dafür Ohrfeige, dass er sie angerufen und somit um ihren Schlaf gebracht hat. Etwas zögerlich hebe ich meine Hand an und lege sie auf ihren Kopf ab. Ihr Kopf huscht zu mir und schaut mir dabei tief in die Augen. Während ich meine Hand auf ihrem Kopf bewege und diesen sanft streichelt flüstere ich ihr zu, dass sie sich an mich lehnen und versuchen soll zu schlafen. Jedoch schüttelt sie sofort mit dem Kopf, woraufhin ich sie nur besorgt und fragend zugleich anschaue.

>>Ich möchte dir nicht weh tun.<< flüstert sie mir ein paar Sekunden später entgegen, wobei mein Herz in meiner Brust verräterisch zieht.

Wieso um alles in der Welt muss sie nur so süß sein? Sie ist völlig übermüdet und macht sich trotzdem sorgen um mich, dass sie mir weh tun könnte. Sie ist so ein einfühlsamer Mensch, sodass ich sie überhaupt nicht verdient habe.

>>Ist schon okay, du solltest dich etwas ausruhen.<< versichere ich ihr.

Um ihr zu zeigen, dass ich es wirklich ernst meine übe ich etwas Druck mit der Hand auf ihren Kopf aus und lege diesen auf meiner Schulter ab. Wiederwillig lässt sie es über sich ergehen und schließt auch sofort nachdem ihr Kopf auf meiner Schulter liegt die Augen. Es sind ungefähr zehn Minuten seitdem vergangen und Minjun hält vor meiner Wohnung, stellt den Motor ab und schaut über den Rückspiegel zu mir nach hinten.

>>Ich werde für dich ein paar Sachen einpacken.<<

>>Schon gut, ich mach das.<<

>>Lass die kleine etwas schlafen. Wenn du jetzt aufstehst, ist sie wieder wach. Außerdem solltest du nach dem Vorfall von vorhin nicht sofort wieder in deine Wohnung.<< erklärt er mir, wobei ich ihn nur mit hochgezogener Augenbraue betrachte.

>>Glaubst du ich bin immer noch der kleine naive Junge von damals, der nichts aushalten kann?<<

>>Hör jetzt auf über sowas zu sprechen. Ich hab ja nicht gesagt das du zusammenbrechen wirst, doch ich möchte nicht, dass du das Durcheinander dort oben siehst.<<

>>Auf einmal sorgst du dich um mich?<<

Wütend schlägt er auf das Lenkrad und starrt mich an.

>>Ich habe mich immer um dich gesorgt!<< zischt er mir entgegen, wobei ich genau weiß, was für eine Anstrengung es für ihn ist mich nicht anzubrüllen.

>>Ach ja? Und warum hast du dann nichts unternommen?<<

>>Heesung! Was willst du hören? Das ich zu feige damals war? Ja das war ich! Was soll ich jetzt deiner Meinung nach machen?<<

Wir beide leisten uns einen Blickduel durch den Rückspiegel. Wieder schlägt er auf das Lenkrad vor sich, ehe er sich durch die Haare fährt. Er schenkt mir noch einen letzten Blick bevor er sich abschnallt und aussteigt. Ich blicke ihn noch so lange hinterher, bis er aus meinem Sichtfeld und ins Gebäude verschwunden ist. Frustriert fahre ich mir mit der Hand durch die Haare, wobei ich versuche mich nicht als zu sehr zu bewegen, da ich Sumi nicht aufwecken möchte. Minuten um Minuten vergehen, bis Minjun mit einer Tasche zurück kommt und diese in den Kofferraum legt. Danach steigt er wieder vorne ein und fährt los, nachdem ihm Sumis Adresse durchgegeben habe. Die Fahrt über reden wir kaum ein Wort. Sumi schläft friedlich auf meiner Schulter, wobei ich mittlerweile meinen Kopf an ihren gelehnt habe und einfach nur ihre Nähe genieße.

Wenige Minuten später stehen wir auch schon vor Sumis Gebäude und Minjun schnallt sich ab. Er dreht sich um und schaut erst zu mir und dann zu Sumi.

>>Soll ich sie hochtragen?<< fragt er mich, wobei ich kurz das Gesicht verziehe.

Ich möchte ihm gerade erwidern, dass das nicht nötig ist, als Sumi sich plötzlich bewegt und sich etwas aufrichtet. Ich hebe meine Kopf an und schaue zu ihr. Sie setzt sich vorsichtig auf und fährt sich mit den Händen übers Gesicht, ehe sie in meine Richtung schaut. Vorsichtig lächle ich sie an, was sie leicht erwidert, ehe sie aus dem Fenster schaut. Kurz schaut sie nochmal in meine Richtung, bevor sie die Tür öffnet und aussteigt. Verdutzt schaue ich ihr hinterher, wobei mein Blick zu meinem Bruder gleitet, welcher mich ebenfalls anschaut.

>>Ich glaub sie ist angepisst. Du solltest ihr erzählen was passiert ist. Es wäre das Richtige, wenn du sie nicht verlieren möchtest.<<

Ganz toll! Ist er jetzt auch noch Wahrsager, oder was?

>>Ich glaube ich entscheide für mich selber was das richtige ist und was nicht.<< platzt es aus mir heraus.

Wütend schnalle ich mich ab und schwinge mich aus dem Auto. Ich gehe zum Kofferraum, hole meine Tasche heraus und folge Sumi nach oben.

In spite of everythingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt