Kapitel 8

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10 Jahre später

Jasmin

Jasmin und Poppy arbeiteten gemeinsam mit ihrer Oma, Mutter und Tante als Schneiderinnen. Poppy galt in der Familie als wahres Talent. Sie nähte die schönsten Kleider, welche die Familie sehr teuer verkaufte. Jasmin hingegen war ungeschickt. Nähen lag ihr nicht. Als Teil der Familie, war es jedoch ihre Pflicht als Näherin Geld zu verdienen. Das hatte ihr Onkel verkündet, als sie gerade ihren Schulabschluss gemacht hatte.

Nähen war ein teil ihrer Kindheit. Sie hatte es früh gelernt. Genau wie das Sticken. Jasmin konnte gut Häkeln und Stricken, aber alles andere ging ihr nicht leicht von der Hand. Doch ihr Onkel bestand darauf, dass sie nähte. Manchmal fragte sie sich, wie er sich das vorgestellt hatte. Dass sie über Nacht plötzlich an Talent dazugewann? Bereits als Kind bewies sie Ungeschick und als Teenager war es nicht viel besser. Leider verkaufte die Familie nur sehr wenig Strick- und Häkelwaren, daher konnte sie ihr Talent in diesem Bereich kaum ausschöpfen.

Jasmin wollte nach der Schule die Universität besuchen und studieren. Doch ihr Onkel verweigerte ihr dies. Und der Rest der Familie fügte sich wie üblich seiner Entscheidung. Jasmin wagte es nicht, ihm zu widersprechen. Der blick in seinen Augen war mit jedem Jahr strenger geworden. Und wenn ihm etwas nicht zusagte, brüllte er oder warf mit Geschirr. (Etwas, worüber ihre Großmutter weniger erfreut war. Und dies wiederum führte nicht selten zu weiterem Streit)

„Jasmin! Achte darauf, was du tust!", rief ihre Großmutter gerade. „Die Nähte sind ja schief und krumm!" Sie entriss Jasmin die Jacke, welche sie gerade flickte. „So können wir die Jacke der Kundin nicht zurückgeben! Das sieht aus, als hätte ein Säugling das genäht! Bist du ein Säugling?"

„Nein, Großmutter", murmelte sie leise.

„Versuch es noch einmal." Ihre Mutter nahm Jasmins Hände in die ihren. „Wir trennen das auf, und du fängst von vorne an."

„Auf keinen Fall!", rief nun ihre Tante. „Es ist besser, sie näht Stofftaschentücher! Selbst ein so dummes Ding müsste zumindest das schaffen!"

„Willow!", tadelte Jasmins Mutter leise. „Dummes Ding? Meine Tochter ist kein dummes Ding."

Doch ihre Großmutter räusperte sich. „Nein, auch das würde dieser Tollpatsch vermasseln! Kind! All die Bildung war an ihr vergebens. Sie kann Stricken! Was bringt uns das? Im Sommer? Oder Häkeln? Was? Topflappen? Die verkaufen wir nicht! Das ist unter unserer Würde. Und auch die Bestellungen bringt unsere Jasmin durcheinander."

Das stimmte leider. Auch mit den Verwaltungsangeleigenheiten der Schneiderei tat Jasmin sich schwer.

Poppy sah von dem Ballkleid auf, an welchem sie gerade nähte. Eine Bestellung der Frau des Bürgermeisters. „Jasmin wollte studieren. Nicht Nähen. Sie ist klüger als Alfie. Die beiden sollten Tauschen."

„Poppy! Sei nicht albern! Ein studierendes Enkelkind reicht mir", grollte die alte Vampirin. „Die Universität kostet Geld. All die Bücher und was Alfie noch so braucht. Zum Glück kann er sich manches in der Bibliothek ausleihen. Und dann noch die Kosten des Wohnheims!" Ihre Großmutter sah noch immer aus wie achtundzwanzig, obwohl Nima bald ihr vierhundertstes Lebensjahr erreichte. Wie die Unsterblichen hörten Vampire zwischen dem fünfundzwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr auf zu altern. Das war nichts Ungewöhnliches. Ihre Lebenserwartung war hoch, doch nicht endlos. Der älteste bekannte Vampir war mit vierhundertneunzig verstorben.

Jasmin seufzte. Ihre Mutter gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Doch Jasmins Großmutter war mit ihrem Vortrag noch nicht fertig. „Jasmin ist eine Schande für die Familie! Eine Schneiderin, die nicht nähen kann! Eine Schande. Sie hat keinerlei Zukunft in unserer Familie. Vielleicht sollte sie sich eine andere Arbeit suchen, um Geld nach Hause zu bringen. Oder gut heiraten? Willst du bald heiraten, Kind?" Forsch sah sie zu Jasmin.

VAMPIR - Schloss des BlutsWhere stories live. Discover now