Melina
Unsicher ziehe ich die Unterlippe zwischen meine Zähne. Ob Coach Vlad schon Bescheid gesagt hat und sie deswegen anruft? Gamó das kann ja jetzt was werden. Ich atme noch ein letztes Mal tief durch, ehe ich den Anruf entgegen nehme. "Melina, geht es dir gut?" Der besorgte Blick meiner Mutter bohrt sich in meine Haut. "Soweit ja." Noch kann ich nicht beurteilen, ob sie einfach wegen meines Aussehens fragte, oder ob sie es schon weiß. "Ich mach dieses kleine blonde Miststück kalt." Okay, Frage beantwortet. "Weiß Dad schon davon?" Mom schaut mit einem unruhigen Blick zu ihrer rechten und dreht dann die Kamera. "Ja, ich weiß davon." Die Stimme meines Vaters klingt wie ein tiefes Grollen und sein Blick spricht Bände. Mich würde es nicht wundern, wenn er dafür sorgen würde, dass er Stella im Tartaros foltern kann. So ist mein Vater eben. Beschützer durch und durch. "Wo ist Xavier?" fragt er etwas zu wütend. "Bleib ruhig, Dad. Er holt uns Frühstück aus der Kantine, damit ich nicht runter muss. Und Tyler hat mir auch schon geschrieben, dass Stella sich gerade voll in die Opferrolle schiebt und es gut ist, dass ich nicht da bin." "Melina, ich weiß, dass dir die Nevermore sehr wichtig ist, aber so ein Verhalten kann ich nicht dulden." Mein Herz macht einen schmerzhaften Satz. Ich liebe meine Familie, aber das kann er mir nicht antun. Heftig schüttle ich den Kopf, was meinem Vater ein Seufzen entlockt. "Ich weiß mein Engel, aber ich kann dein Leben nicht so in Gefahr lassen. Du weißt warum." Natürlich weiß ich warum. So wie Stella die Herrschaft des Olymps übernehmen muss, werde ich die Unterwelt übernehmen. Ich bin die älteste und stehe somit in der Erbschaftsliste an erster Stelle. "Ich weiß, Dad. Aber wann darf ich endlich mal für mich selbst entscheiden? Ich möchte hier bleiben. Warum muss ich immer die Konsequenzen von Stellas handeln tragen?" "Sie hat Recht, Hades. Wenn wir unsere Tochter jetzt wieder woanders hinschicken, wird sie sich wieder unglücklich in ihrem Zimmer einbunkern. Nichts für ungut Süße." Mom hat Recht. Ich würde warscheinlich über Monate nicht mit Ihnen reden. "Und was schlagt ihr dann vor?" Mom überlegt. "Wir schicken Apollo." "Wie bitte?" sagen Dad und ich gleichzeitig und haben dabei auch den selben verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht. "Natürlich müsste er sich verwandeln und ich kenne Stella gut genug um zu wissen, dass sie es nicht bemerken würde." "Die Idee ist gut Liebling, aber ich kann meinen Neffen doch nicht als Teenie verwandelt an irgendeine Schule schicken." "Willst du es selbst machen?" Mein Vater schluckt. "Nein." "Also, wir holen A.." "Kyla!" sage ich. "Was?" meine Eltern sehen verwirrt aus. "Mit Apollo hat Stella nicht viel am Hut, das stimmt. Aber ich denke, dass sie ihn trotzdem erkennen würde. Allein schon an dem Geruch seiner Magie. Und da sie nicht viel mit Apollo zu tun hat, warum schickt ihr nicht einfach Kyla?" Mein Vater überlegt. "Die Idee ist gar nicht mal so schlecht. Apollos Freundin kennt Stella nicht und somit würde es nicht auffallen." "Aber durch die Medien wird sie sie erkennen. Und wenn Apollo seine Magie auf sie anwendet, dann sind wir wieder beim selben Punkt wie eben gerade." "Mom...es gibt aber einen Gott, dessen Magie nur wir aus der Unterwelt riechen können." "Thanatos! Melina, du bist brillant!" "Ich weiß, ich hatte einen tollen Dad, der mir das alles beigebracht hat." Ein Lächeln zuckt über seine Lippen und Dad verschwindet aus dem Bild. "Gut, ich werde dir schreiben, wenn alles geklärt ist." Sagt Mom und beendet nach unserer Verabschiedung den Anruf.
Als Xavier mit einem gut befüllten Tablett zurück ins Zimmer kommt, springe ich auf. "Her damit, ich hab Hunger." Schnell nehme ich ihm das Tablett ab und stelle es auf den Schreibtisch. Ich setze mich im Schneidersitz auf den Stuhl davor. "Du hast dich ja noch gar nicht umgezogen." fällt meinem Freund auf, als er Tylers Schreibtischstuhl zu uns rüber zieht. "Meine Sachen sind noch in meinem Zimmer. Ich schreib Annie nachher, dass sie was vorbeibringen soll." Genüsslich beiße ich in die mit Lachs belegte Brötchenhälfte und stöhne auf. Diese Brote sind so geil, wirklich. "Der Coach hat gefragt wie es dir geht und ob sich deine Eltern schon gemeldet haben." Xavier nahm sich ein Brot mit Käse und biss ebenfalls genüsslich hinein. "Ja, wir haben einen Plan." "Erzähl mir alles." Und ich tat es. Ohne Hintergedanken. Ich redete einfach drauf los. Ich wusste, dass Xavier ein guter Mensch ist und eine gute Seele hat. "Wow...das klingt nach einem guten Plan." "Ja." "Du hast mir aber die andere Frage nicht beantwortet." Ertappt sah ich zu ihm auf. Mist, er hatte es bemerkt. Natürlich, immerhin reden wir hier von Xavier Thorpe. "Ich...ich weiß nicht. Ich fühle mich komisch." gab ich zu. Seine Hand berührte meine nackten Knie und lösten ein Kribbeln aus. Wie kleine Stromschläge fuhr die Berührung durch meinen ganzen Körper. "Das kann ich verstehen. Aber wir päppeln dich wieder auf." Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Sie waren so schön voll, dass sich in mir das Verlangen vergrößerte, diese Lippen zu erobern und ihn zu küssen. Xavier öffnete seinen Laptop und startete YouTube. Gemeinsam aßen wir unsere Brote und schauten uns irgendwelche Streamer-fails auf YouTube an.
Xavier
Ich brachte das Tablett zurück in die Kantine und traf wieder auf die Anderen. "Hey Xavier." grüßte mich Ajax. Er hielt mit Enid Händchen. "Ich denke, ihr werdet heute nicht mit uns abhängen?" fragte das Werwolfsmädchen und schmiegte sich an den Arm ihres Freundes. "Nein. Ich muss erstmal dafür sorgen, dass es Mel wieder besser geht." "Richtig, ich auch." Annie stellte sich neben mich und grinste. "Gebt ihr eine Umarmung von mir, ja?" Enid und Ajax gingen davon und wir nickten. "Bevor du mit zu uns kommst, solltest du für Mel noch ein paar Klamotten aus eurem Zimmer holen. Sie läuft noch in meinem Shirt rum." Verlegen kratzte ich mich im Nacken. "Aber klar doch, kein Problem. Du kannst auch kurz mitkommen." Ich nickte. Gemeinsam gingen wir auf ihr Zimmer und holten die Sachen. "Ich nehme noch ihr Buch mit." sagte ich und hob den dicken Welzer von ihrem Nachttisch. "Ja, gute Idee. Wie weit ist sie mit dem Buch?" Ich drehte es und schaute auf die Stelle, an der das Lesezeichen steckte. "Ungefähr bei der Hälfte." "Gut, dann nimm ihr noch ein zweites mit." Ich ging rüber zum Regal. Meine Güte, dieses Mädchen hat echt eine Menge Bücher. Das Regal ist bis auf den letztem Millimeter mit Büchern vollgestellt. Und ich dachte ich lese viel. Ich klappte kurz das Buch in meiner Hand auf um zu sehen, ob dieses Buch zu einer Reihe gehörte. Und tatsächlich. Ich suchte nach dem zweiten Teil, schnappte ihn mir und ging mit Annie zurück zu Mel.
Im Zimmer angekommen sah ich Mel, wie sie auf dem Bett lag, ihren Orca fest an sich drückte und in Richtung Fenster starrte. "Oh meine Süße!" sagte Annie, ließ die Klamotten achtlos fallen und stürmte zu ihrer Freundin. Die beiden nahmen sich in die Arme und Mel begann wieder zu weinen. "Warum Annie, warum? Warum kann ich nicht wie jeder andere sein?" Beruhigend streichelte die Angesprochene den Rücken ihrer Freundin. "Ich weiß, das wurmt dich. Aber du hast nun mal dieses Trauma. Da kannst du nichts für." Ein Schniefen kam als Antwort. Ich ging vorm Bett in die Hocke und sah zu meiner Freundin. Ihr Kopf ruhte jetzt auf Annies Schoß, welche ihr den Kopf krauelte. "Hier, ich hab dir ein paar Bücher mitgebracht." Mit einem Funkeln in den Augen griff sie nach den beiden Büchern. "Danke." Ich kam näher und gab ihr einen Stirnkuss. "Ihr zwei seid echt zuckersüß." kam es von Annie, die dafür einen leichten Schlag von Mel kassierte. "Hey, ich sag nur die Wahrheit." Mel setzte sich kopfschüttelnd auf. "Habt ihr mir nichts zum anziehen mitgebracht?" "Doch, aber ich hab es fallen gelassen." Schnell sprang Annie wieder auf um die Sachen aufzuheben. Sie reichte sie ihr und Mel verschwand im Bad. "Also, was ist dein Plan, Blondie?" "Erstens, nenn mich nicht Blondie. Das kannst du bei Stella machen, aber nicht bei mir. Und zweitens, wie wäre es mit einem Picknick im Wald?" "Das hört sich schonmal ganz schön an." "Was hört sich schön an?" Mel stand in einer hellgrauen Jogginghose, einem schwarzen Shirt und ihrer violetten Nevermore-Sweatjacke im Türrahmen des Badezimmers. "Ein Picknick im Wald." Annie lächelte. "Aber dann muss ich ja rausgehen." Ich unterdrückte ein Lachen und kassierte einen bösen Blick von Annie. "Du kannst dich nicht hier einbunkern, nur weil das gestern passiert ist. Ja, du hast ein Trauma und ja, es war Stellas Schuld, dass es passiert ist, aber du kannst dich nicht einfach davor verstecken. Weglaufen kann jeder. Aufstehen, durchhalten und kämpfen, das nicht!" Annie hatte die Hände in die Seite gestemmt und sah streng zu ihrer Freundin. "Aber..." "Nein, kein 'aber' Melina. Wir gehen heute an die frische Luft." Mel blickte hilfesuchend zu mir. "Annie, sie scheint wirklich nicht raus zu wollen. Wie wärs, wenn wir stattdessen in meine Hütte gehen?" "Ja!" Mel war von der Idee hellauf begeistert...Annie eher weniger. "Aber frische Luft!" "Die bekommt sie trotzdem, weil wir ja erst einmal dahin laufen müssen." Mel sprang auf meinen Schoß und kuschelte sich an mich. Grinsend legte ich einen Arm um ihre Hüfte. Sie ist irgendwie niedlich, wenn sie so drauf ist. "Na gut, aber wir gehen langsam!"
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Healing Souls - Xavier Thorpe FF - Wednesday
FanfictionGriechische Mythologie trifft auf "Wendesday". Melina hat es als Tochter von Hades nicht immer leicht. Oft wird sie ausgegrenzt und somit entscheiden Hades und Persephone, sie auf die Nevermore zu schicken. Seit ihrer letzten Beziehung hat sie besch...