05 | Termin.

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„Guten Morgen Elena.“

Ich war gerade dabei gewesen, konzentriert einige Daten von neuen Mandantenverträgen am PC abzutippen, als ich meinen Blick hob und lächelnd zu Erika sah, welche eben ins Büro gekommen war und an ihrem Schreibtisch gegenüber von mir Platz nahm.

Die Ältere seufzte theatralisch, was ich nur schmunzelnd beobachtete.

Es war bereits neun Uhr an diesem Mittwochmorgen. Ich hatte heute schon etwas früher als üblich begonnen – der allbekannte Monatswechsel lieferte uns allen wie immer mehr Arbeit als sonst und ich wollte vor Ende der Woche noch den größten Teil aus dem Sekretariat wegarbeiten.

„Du bist aber schon fleißig heute.“, bemerkte Erika, als sie über die vielen Akten auf meinem Schreibtisch scannte und ich lächelte stolz.

„Ich habe schon mal angefangen. Du kennst ja Frank. Da wird sicherlich noch mindestens ein solcher Schwung folgen.“, meinte ich schulterzuckend, woraufhin die Ältere nur wissend ihre Augen verdrehte.

„Guten Morgen ihr zwei.“

Markus, welcher gerade aus seinem Büro gekommen war, blieb bei uns stehen und Erika grüßte ihn ebenfalls kurz. Der Blonde hatte einen fetten Ordner unter seinen Arm geklemmt und kam die wenigen Schritte zu mir rüber, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken, was meine ältere Kollegin nicht unkommentiert ließ.

„Ihr zwei..“, murmelte sie nur, während sie grinsend den Kopf schüttelte und sich gleichzeitig an ihrem PC anmeldete.

Markus streckte seiner Sekretärin noch kindisch die Zunge entgegen, bevor er sich wieder ernster an mich wandte.

„Auf mich wartet dieser Herr Rulap unten am Empfang.“, fing er an und seufzte genervt. „Ich muss vorher noch zu Moritz, weil er mir ein paar Belege ausdrucken muss, die ich für diesen Termin noch brauche. Ich weiß, dass ihr viel Arbeit habt..“, meinte er und ich neigte meinen Kopf ein Stück zur Seite. „.. aber kannst du ihn vielleicht schon mal in mein Büro hochbringen und ihm einen Kaffee anbieten? Olivia kümmert sich gerade um die Post und der wäre eigentlich schon vor fünf Minuten dran gewesen. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, welchen Aufstand der Typ gleich wieder machen wird.“

Der Blonde rollte mit den Augen und sah mich dann wieder an.

Ich strich ihm reflexartig seine Haare nach hinten, was ihn sanft lächeln ließ.

Klar doch. Ich geh gleich nach unten.“

„Danke, Baby.“, hauchte Markus leise, ehe er sich wiederholt vorbeugte und sich nochmals einen Kuss stahl.

„Hoffentlich bringt er mich nicht zum weinen.“, witzelte ich noch unwissend, was den Blonden durch die Nase lachen ließ, bevor er mir anzeigte, dass ich mitkommen sollte.

Ich begleitete ihn noch bis zur Buchhaltung, wo ich auch Anna und Thomas - vielleicht etwas zu euphorisch für diese Uhrzeit – zuwinkte, nur um dann im Aufzug zu verschwinden und damit ins Erdgeschoss fuhr.

Dort sah ich schon von weitem einen etwas für meinen Geschmack viel zu gestriegelt aussehenden Herrn, der mit verschränkten Armen in der Lounge wartete.

„Herr Rulap?“

„Na endlich.“, entgegnete Besagter sofort genervt und erhob sich von dem Sessel im Empfangsbereich. „Wozu vereinbare ich eigentlich Termine mit van Theumer Junior, wenn er sich nicht daran halten kann?“

Stutzig wich ich ein Stück mit meinem Kopf zurück.

Dass dieser Mandant Markus schon öfter den letzten Nerv geraubt hatte, war mir durchaus bekannt. Doch dass der Herr mittleren Alters sich so unsympathisch geben musste, ging mir nicht in die Birne.

„Herr van Theumer lässt sich gerade noch Ihre aktuellen Unterlagen geben.“, versuchte ich sofort, den Mann zu besänftigen. „Sie dürfen mir aber schon mal gerne in sein Büro folgen.“

Ich machte eine einladende Handbewegung in Richtung Aufzug und lächelte nervös, als der Herr wortlos an mir vorbei ging und sich bockig zum Aufzug begab.

Die wenigen Minuten alleine mit dem Mandanten waren mehr als unangenehm für mich gewesen und ich war heilfroh, als wir kurze Zeit später vor Markus‘ Büro ankamen. Die Tür stand einen Spalt weit offen, was mir Bestätigung dafür gab, dass der Blonde noch immer bei Moritz in der Buchhaltung war und somit nicht hinter seinem Schreibtisch saß.

Herr Rulap folgte mir in das helle Zimmer und ich deutete auf einen der freien Stühle vor Markus‘ Bürotisch. „Nehmen Sie doch bitte schon mal Platz. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten oder woll…“

„Ich wäre Ihnen mehr als dankbar, wenn Sie endlich dafür sorgen würden, dass Herr van Theumer hier auftaucht. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“, unterbrach der Kunde mich schnippisch, was mich sofort verstummen ließ. „Und Ihren Kaffee als Entschuldigung für meine vergeudete Zeit können Sie sich gleich sparen, junge Frau, das verbessert den Eindruck, den ich von dieser Kanzlei nebst Geschäftsleitung habe nämlich auch nicht mehr.“

Der Ton des Herrn war so bissig und stumpf, dass ich überhaupt nicht damit umzugehen wusste. Wie von selbst wurden meine Augen feucht und ich blinzelte ein paar Mal hastig hintereinander; auf keinen Fall wollte ich vor diesem Arschloch auch noch zu heulen beginnen.

„Sie können Ihre Wut gerne an mir auslassen, aber beherrschen Sie sich doch gütiger Weise im Umgangston mit meinen Angestellten.“

Noch immer total verunsichert drehte ich mich ein Stück um, damit ich zur Tür sehen konnte, in welcher plötzlich Markus stand, und diese durch einen kurzen Schubser ins Schloss fallen ließ.

Der Blonde kam zu mir und strich mir einmal bemüht unauffällig über den Rücken, während ich kurz zittrig ausatmete.

Hier stecken Sie. Ich dachte schon, wir müssen mein Anliegen erneut verschieben. Ihr Vater wollte sich die letzten Monate pátu nicht darum kümmern und hat regelrecht darauf bestanden, dass ich warten soll, bis Sie wieder von Ihrem kleinen Trip zurück sind. Finden Sie drei Monate Urlaub nicht ein wenig grenzwertig als Geschäftsführer?“

Ich konnte spüren, wie sich Markus‘ Körper neben mir anspannte und am liebsten hätte ich seine Hand genommen, um ihn zu beruhigen.

„Wie Sie wissen, läuft ein Unternehmen nicht von selbst. Die Kanzlei in Amsterdam mal so eben nebenbei zu managen, ist kein Zuckerschlecken. Aber darum soll es ja heute nicht gehen.“, antwortete der Blonde versucht entspannt.

Der unbeeindruckte Blick des Mandanten fiel wieder zurück auf mich und er nickte einmal. „Das stimmt wohl. Dann würde ich doch einen Kaffee nehmen.“ Herr Rulap sah erneut zu Markus. „Mit Milch, kein Süßstoff. Ich hoffe, Ihre kleine Sekretärin ist kompetent genug dafür.“

Au weia.

Der 27-Jährige neben mir presste sauer seine Lippen aufeinander und ballte seine freie Hand zu einer Faust, woraufhin ich jegliche Professionalität über Bord warf und meine eigene Hand auf seinen Unterarm legte. Mein Daumen strich ein paar Mal über die erhitzte Haut und ich ignorierte den verwirrten Blick des älteren Herrn vor uns.

„Lass gut sein, alles okay..“, flüsterte ich noch kaum hörbar, ehe ich mich umdrehte und zur Tür ging, um den scheiß Kaffee zu holen.

Bevor ich komplett aus dem Büro verschwand, konnte ich noch hören, wie etwas unsanft ein Ordner auf der Schreibtischplatte abgelegt wurde und bei Markus‘ nächsten Worten, konnte ich das kleine Lächeln auf meinen Lippen nicht vermeiden.

„Meine Frau ist eigentlich viel zu kompetent, um sich mit Leuten wie Ihnen rumschlagen zu müssen.“

Das L(i)eben danach...Where stories live. Discover now