Im Stich gelassen

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Ich hatte dich angeschmachtet wie in einem schnulzigen Liebesfilm.
Du warst alles für mich.
Doch du hast mich stehts ignoriert.

Ein Mobbingopfer wie ich würde niemals einen Freund haben.
Wer war ich, so etwas zu denken?
Keinesfalls würdest du dich auf meine Seite stellen.
Viel zu groß die Angst, selbst gemobbt zu werden.

Aber ich konnte nicht von dir lassen.
Du sahst gut aus und hast dir selbst von den Lehrern nichts vorschreiben lassen.
Wieso war es beim Mobbing anders?
Wieso reichte mir niemand die Hand, um mir zu helfen?

Alles Wehren brachte nichts.
Immer und immer wieder musste ich es ertragen.
Schubsen
Auslachen
Sprüche
Schulsachen im Klo

Weinen
Verzweiflung
Was hatte ich falsch gemacht?
Lag es denn an mir?

Ich war dick - fett traf es wohl eher.
120 Kilo auf 1,75 m.
Viele Diäten hatte ich schon versucht, keine hatte etwas gebracht.
Wer würde sich auch schon auf meine Seite stellen?
So fett und hässlich wie ich war.

Emotionales Mobbing ist die schlimmste von allen Arten.

Eines Tages wollte ich dir meine Gefühle gestehen, aber du wolltest mir nicht zuhören und bist weggerannt.
Ich bin dir gefolgt und habe dir meine Gefühle entgegen geschrien.
Doch du bist wieder weggerannt. Wieso eigentlich? Das wüsste ich gern.
Aber darum geht es nicht.
Hinter mir standen 2 Mitschülerinnen, die herzlich darüber gelacht hatten.
Als die Schulglocke läutete, gingen sie an mir vorbei und schubsten mich.
Ich fiel hin und war ... gebrochen.
.
.
.
Schon als kleines Kind war ich immer dick und wurde deshalb gehänselt und schon früh gemobbt; aus der Gruppe ausgeschlossen.

Vorurteile musste ich über mich ergehen lassen.
Du frisst doch 24/7!
Du bemühst dich nur nicht richtig!
Du stinkst, wasch dich mal ordentlich!

Doch zumindest der Gestank kam nicht vom Übergewicht.
Niemand hatte es interessiert.

Wir hatten nicht viel Geld.
Baden war nur 1 x in der Woche drin, sonst Katzenwäsche oder gar nicht.
Deo? Parfüm?
Damals Luxus.

Früher hatte ich kaum ein Wort herausgebracht.
Schon immer.
Vor anderen Menschen sprechen?
Anderen Menschen in die Augen sehen?
Hölle!
Anzeichen von leichtem Autismus, die von allen ignoriert wurden.

Lernen war eine Qual.
Bei vielem bin ich nicht mitgekommen.
Konzentrationsprobleme.
Das einzige sehr gute Fach: Deutsch.
Nun stellte sich nach Jahren heraus:
Lernschwäche.

Ich bin vergesslich, habe depressive Phasen, reagiere emotional über.
Oft bin ich schnell gelangweilt von einer Sache, daher auch unruhig und mein Kopf ist niemals still.
Immer schwirren die Gedanken von einer Überlegung zur nächsten.

Kennt ihr!, sagt ihr?
Dann habt ihr vermutlich wie ich: ADHS.
Darüber hinaus auch noch: Borderline.

Ende vom Lied:
ADS mit Anzeichen von Borderline, Autismus sowie Lernschwäche.
Wunderbare Diagnosen, oder nicht?
...

Ich frage mich immer wieder, wieso es nicht schon früher aufgefallen war.
Immer schon fühlte ich mich "anders".
Wieso wurde ich nur so im Stich gelassen?

Heute nach den ganzen Diagnosen und entsprechenden Therapien geht es mir besser.
Ich habe gelernt auf andere Menschen zuzugehen und offener zu sein.
Dennoch ist es noch immer schwer für mich im Mittelpunkt zu stehen.
Das Mobbing damals hatte noch zur Verschlimmerung und zu "Minderwertigkeitskomplexen" geführt, die sich tief in meinem Wesen verankert haben.

Außerdem bin ich auf gutem Wege zum Normalgewicht.

Doch das alles wird niemals gut.

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