VII. Ein Herz im Käfig

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VOM TODE UNBERÜHRTVII

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VOM TODE UNBERÜHRT
VII. Ein Herz im Käfig

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Nach dem Morgen dieses Tages, der mit Flammen begrüßt wurde, hatte sich die Angst in Lasow wieder ein wenig gelegt, besänftigt durch die Worte des Priesters. Zum ersten Mal wusste Chaja seine Bemühungen zu schätzen. Aber was immer er auch tat, es diente nur seinen Zwecken.

Nun, im Kerzenlicht des bereits schlafenden Hauses, löste Chaja Majdas Zopf und entwirrte die Strähnen, die wie goldene Seide zwischen ihren Fingern hindurchflossen. Die sanft leuchtende Farbe war noch nicht von einem eisgrauen Schleier bedeckt, anders als ihr eigenes Haar.

Ulja und Ilja hatte Majda zuvor in den Schlaf gesungen – denn Geschichten hatten sie in den letzten Tagen genug gehabt –, was der Hauptgrund für die jetzt herrschende Stille war. Nach einem leisen Gespräch mit Majda am Feuer, von dem die meisten nichts bemerkten, und diejenigen, die es taten – mit Ausnahme von Chaja spürten – registrierten es mit Zufriedenheit, gingen Davor, sein Herr und der Rest der Familie ebenfalls zu Bett und ließen damit die letzten Geräusche verstummen.

„Wacholder", flüsterte Majda. Ihr Blick fiel auf die Stickerei, die Chaja in der Nacht, als die Fremden gekommen waren, zur Seite gelegt hatte. Seitdem hatte sich keine Gelegenheit geboten, sie wieder aufzunehmen und der Stoff war ohnehin durch ihr Blut ruiniert.

Chaja biss die Zähne zusammen; ihre Hände zitterten. Sie wollte nicht antworten, nur ein paar Augenblicke schmerzhaften, schnellen Herzschlags und ohrenbetäubender Stille abwarten, bis Majda sie selbst nicht mehr ertragen würde und mit einem anderen Thema füllen würde. Aber das Schweigen wurde ihr zu schnell unerträglich.

„Für den Karatschun-Tag", krächzte Chaja.

Majdas Schultern fielen, lösten sich von der Spannung einer unsichtbaren Last. „Du bist immer noch wütend, nicht wahr? Dein Plan, Karatschun zu bekämpfen ..."

„Wie könnte ich nicht wütend sein? Er hat sie uns weggenommen." Die Antwort drängte sich aus ihrem Mund – nein, aus ihrem Herzen – noch bevor Chaja selbst sie begriff. Sie war zu tief in ihr vergraben gewesen, sorgfältig weggesperrt und unter Schichten von Ruhe und Gelassenheit verborgen. All die vergangenen Jahre, nachdem Majda ihre Hand gedrückt hatte, hatte Chaja sich tapfer aufrecht gehalten, ganz die herzliche Nichte und Cousine und Tochter, aber selbst die die stärksten Bäume, die vom Sturm geschüttelt werden, kam der Moment, in dem sie zerbrachen.

„Es wird sie nicht zurückbringen."

Chajas Hände zitterten und sie klammerte sich an Majdas langes Haar wie an ein Seil, das sie vor dem Versinken im Chaos bewahren sollte.

Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und Chaja konnte die Liebe und das Mitgefühl, die in den Augen ihrer Cousine glühten, kaum ertragen. „Ich vermisse sie doch genauso. Sie war auch meine Großmutter", flüsterte Majda.

Vom Tode unberührtWhere stories live. Discover now