Oberhand

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31. Juli 1588, Spandau:

POV Dag

Nachdem sie einige Tage die gruselige Burg des Grafen von Erbenstein beobachtet und ausgekundschaftet hatten, ist heute nun der Tag des geplanten Überfalles gekommen. Dag tat etwas, das ihm immer zuwider war. Er mobilisierte alle verbliebenen Ritter, welche einen Tag nach der schrecklichen Tat aus einem Gefecht zurückkehrten. Es war nicht viel Manipulation nötig, da die meisten Männer sofort auch Rachegedanken entwickelten. Lediglich ein Hinweis, dass diese Vincent und Dags Vorgehensweisen nicht infrage stellen sollen.

Thea zeigte ihnen alle Vorteile des Unsterblichseins. Unmenschliche Kraft, Schnelligkeit, besseres Reaktionsvermögen, ausgeprägtere Sinne und natürlich Impulsivität. Der letzte Punkt klingt natürlich erstmal negativ, allerdings hilft dieser bei ihrem Vorhaben. Dag möchte nicht groß nachdenken, wenn er dem Mörder seiner Eltern gegenübersteht. Er möchte dessen Leben kaltblütig beenden. Gefühle sind hierbei nur ein Hindernis.

Der Lockenkopf blickt etwas angespannt durch zwei riesige Zinnen auf der Ringmauer zum Wald vor der Burganlage. "Dag, bist du soweit? Wir sollten aufbrechen, um in der Dämmerung dort zu sein", reißt ihn Vincent aus seinen Gedanken. Oh ja, er war sich noch nie so sicher, wie heute. Auf dem Weg zurück in das Untergeschoss erkundigt sich Dag: "Sind unsere Männer auf ihren Posten?" Sein bester Freund antwortet: "Ich gehe davon aus. Sie sind rechtzeitig losgeritten."

Auf der Treppe kommt ihnen Thea entschlossen in einem Kettenhemd entgegen. "Was wird das? Du möchtest doch nicht mitkämpfen oder?", hakt Vincent überrascht nach. Die Blondine kommt auf sie zu und erklärt: "Oh doch. Ich lasse euch doch nicht alleine." Falten bilden sich auf der Stirn des Fragers und er antwortet: "Nein, Frauen kämpfen nicht. Untersteh dich." Seit ihrer Verwandlung ist sein bester Kumpel irgendwie nicht mehr so schüchtern und meinungslos.

Es scheint, dass er seinem Vater nacheifern möchte. Dieser war wie Dags eigener ein Verfechter von Tradition und den gängigen Rollenbildern. Ihre Freundin ist mit einem Satz ganz nah vor Vincent, kneift die Augen zusammen und zischt: "Schreib mir nie wieder vor, was ich zu tun habe! Das weiß ich selbst gut genug! Ihr seid zwar junge Unsterbliche, aber vergesse nicht, dass ich euch einige Jahrhunderte voraus bin! Dementsprechend bin ich stärker! Also fordere mich nie wieder heraus, mein Freund!"

Dag staunt, aber in seinen Augen hat sie schon recht. Er hatte nie verstanden, warum die Frau dem Manne untertan sein sollte. Als die feindliche Burg vor ihnen auftaucht, beginnt sein Herz doch ganz schön zu pochen. So groß seine Wut und Entschlossenheit auch ist, irgendwie kommt jetzt Panik in ihm auf. Wird das gut gehen? Was, wenn man sie pfählt oder ihren Kopf abtrennt? Dann haben sich die riesigen Schmerzen und der Tod nicht gelohnt.

Thea ergreift das Wort, als sie von ihren Pferden steigen: "Ihr habt Angst. Das spüre ich sehr deutlich. Aber ihr müsst dieses Gefühl wegsperren und eure Wut überwiegen lassen. Ich erzähle euch das ungern, aber es gibt eine Möglichkeit, eure Gefühle abzuschalten. Dann seid ihr kaltherzig und zu allem fähig. Doch seid gewarnt. Der Weg zurück ist langwierig und wird opferreich sein." Was echt? Das Risiko geht er in diesem Fall gerne ein. "Wie soll das funktionieren?", fragt er die Blondine.

"Denkt ganz fest an euren Schmerz und den Verlust und schließt die Augen. Irgendwann bemerkt ihr einen Art Schalter und den legt ihr mit viel Willen um", erklärt sie. Vincent und er machen ihre Augen zu und denken intensiv an die Wunde, die der Graf hinterlassen hat. Mit einem etwas komischen Gefühl öffnet der Lockenkopf wenig später wieder die Augen. Sein Ziel ist jetzt nur noch dem kleinen Büchsenscheißer ganz viele Qualen zu bereiten.

"Tod dem Grafen von Erbenstein!", spricht Vincent aus und sie reiten nach Absprache mit den Rittern auf die Burg zu. Vollkommen überrumpelt werden die Wachen am Eingang von dem Pferden zu Boden getrampelt. Sie können gar nicht reagieren. Im Innenhof springt Dag von seinem Araber und zückt sein Schwert. Dem ersten Gegner rammt er direkt blitzschnell die Waffe durch die Brust, es folgt ein Gerangel mit einem weiteren, welchem er die Hundsgugel vom Kopf reißt und zubeißt.

Der (Lady)KillerDonde viven las historias. Descúbrelo ahora