.ೃ࿐ Oktober 🍂🍂

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Nach diesem Vorfall wäre wohl jeder andere für ein paar Tage der Uni ferngeblieben, nicht so Beomgyu. Er sah zwar aus, als hätte ihn eine Planierraupe überfahren, aber er stapfte mit grimmiger Entschlossenheit von Vorlesung zu Vorlesung. Da er somit selbst dafür sorgte, dass ihn jeder zu sehen bekam, blieb es ihm wohl erspart, dass das demütigende Video die Runde machte, zumindest kam mir nichts dergleichen zu Ohren. Und weil jeder sehen konnte, wie Sangwoo ihn zugerichtet hatte, blieben auch die körperlichen Attacken vorerst aus. Das bewahrte ihn nicht gänzlich vor Angriffen seiner Kommilitonen, aber jetzt beschränkten sie sich wieder mehr auf die kreativ-demütigenden Versionen. Regelmäßig hingen an seinem Spind rosa Schleifchen, Lätzchen und Babyschnuller, sie bekritzelten seinen Rucksack, klauten seine Unterlagen oder ließen die Luft aus den Reifen seines Fahrrads.

Manchmal flogen wieder seine Schuhe aus dem Fenster, seine Jacke war nicht mehr auffindbar, oder sie versteckten seine Brille.

Hin und wieder riss ich gemeine Deko von seinem Spind, beleidigende Gedichte, widerliche Bilder oder Sticker. Doch das alles brachte natürlich nichts, denn ganz gleich wie stoisch Beomgyu all die Gemeinheiten ertrug, die weisen Worte gib ihnen keine Angriffsfläche, dann wird ihnen langweilig und sie hören auf, griffen in dem Fall nicht. Sie wurden einfach nicht müde, den Jungen zu drangsalieren und nach einer Weile nahmen auch die körperlichen Attacken wieder zu. Er wurde herumgeschubst, man schlug ihm Bücher und Essen aus der Hand und kippte ihm dafür Cola in den Schoß oder Kaffee in den Rucksack. Im Grunde konnte er keinen Flur entlang gehen, ohne dass irgendwo getuschelt wurde, jemand ein höhnisches Liedchen anstimmte oder Papierkugeln, Flaschendeckel und Kaugummis nach ihm geworfen wurden. Ein wenig besser war es nur, wenn er nicht allein unterwegs war, er sich mit einem der Professoren unterhielt oder ich zufällig neben ihm herlief, weil wir den gleichen Weg hatten. Dann gab es zwar immer noch reichlich Getuschel und obszöne Gesten, aber die Wurfgeschosse blieben aus. War ich deswegen in der Pflicht, ständig auf ihn aufzupassen? Wir kannten uns doch gar nicht!

Trotzdem fühlte ich mich schlecht, wenn ich mitbekam, dass er wieder zur Zielscheibe geworden war.

An diesem Nachmittag fiel das Training aus, weswegen ich die Gunst der Stunde nutzte und mich mit Taehyun im Skaterpark verabredete. Das war eine Leidenschaft, die immer zu kurz kam, nicht zuletzt, weil man weder Kai noch Soobin auf Skateboards stellen konnte, ohne eine mittelschwere Katastrophe auszulösen. Kai nicht, weil er Angst hatte sich zu verletzen und striktes Verbot von seinen Eltern hatte, irgendeinen Sport auszuüben, der eine potenzielle Gefahr für seine Hände darstellte, Soobin nicht, weil er entgegen seiner Ansage jeden Sport meistern zu können, auf einem Skateboard aussah, wie ein Höhlentroll auf Rädern. Also blieb dieses Vergnügen etwas zwischen Taehyun und mir.

Eine Weile donnerten wir also über diverse Rampen, feilten etwas an unseren Tricks und genossen es, zwischendurch einfach nur herumzugammeln und die anderen zu beobachten, während wir höchst ernsthafte Männergespräche führten. Das hieß, wir sprachen über Jiae. Na ja, eigentlich quatschen Kerle nicht über ihre Mädchen, schon gar nicht, wenn es Probleme gab, also eigentlich nur, wenn sie total verliebt waren und ihnen die Hormone das Gehirn zerschossen hatten oder so. Und an diesem Punkt war Tae wohl. Sah man davon ab, dass er permanent so blöd grinste, wenn er nur ihren Namen aussprach, war alles andere, was er so losließ, auch nicht besser. Um es kurz zu machen: Jiae war der helle Wahnsinn in jeder Beziehung – zumindest, wenn man Tae glauben wollte. Und gerade seufzte er so theatralisch, dass ich mich lachend zu ihm umwandte.

„Alter! Reiß dich zusammen."

„Ach hör doch auf", maulte Taehyun. „Ich warte nur darauf, bis du mal so richtig verliebt bist, dann werden wir ja sehen, ob du dich nicht auch blöd benimmst."

Das wiegelte ich ab. „Kein Bedarf." Mein Blick glitt wieder hinüber zur Halfpipe, wo sich ein paar Neue eingefunden hatten. Einer davon jagte gerade durch die Rampe landete einen perfekten Frontside 180 Kickflip und ich blinzelte überrascht. Es war nicht das Skaten an sich, das mich gerade in den Bann zog, sondern viel mehr der Kerl auf dem Board.

„Das gibt's nicht", murmelte ich.

Taehyun, der wohl weitergeplappert hatte, auch wenn ich nichts davon mitbekommen hatte, schnaufte. „Sag nicht immer, die gibt's nicht! Natürlich gibt's da draußen auch irgendein Mädchen für dich, das dich umhaut, wir müssen sie nur noch finden. Notfalls auch schnitzen."

„Hm?" Irritiert wandte ich mich zu ihm um. „Was?"

„Mädchen?" Taehyun verdrehte die Augen. „Du weißt schon, hübsche Wesen, lange Haare, kurze Röckchen, süßes-"

„Also eigentlich sollte sie eher witzig sein", murmelte ich vor mich hin. „Nichts gegen süß, aber ich glaube mit jemanden Spaß zu haben und lachen zu können, ist mir lieber."

„Na gut", lenkte Taehyun ein. „Dann für dich eben eine witzige und süße ..."

Aber ich war schon wieder abgelenkt. Das konnte doch echt nicht wahr sein, oder? Aber der Typ, der da voller Begeisterung durch die Halfpipe jagte, war eindeutig Beomgyu. Die langen Haare, zusammengebunden zwar, die aber trotzdem bei jeder Drehung im Wind flatterten. Das Cappi schief auf dem Kopf, die Baggyjeans – okay, vermutlich war es wieder eine Latzhose, nur sah man das nicht, weil er heute einen pinken oversized Sweater darüber hatte, der ihm locker fast bis zu den Oberschenkeln hing. Er war es, kein Zweifel.

„Sag mal", raunte Taehyun und rammte mir den Ellenbogen in die Rippen. „Hörst du mir überhaupt zu?"

„Jah! Ich bin nur schon vollkommen ausgetrocknet. Ich hol uns was zu trinken, okay?" Damit ließ ich Taehyun sitzen und umrundete ein Stück des Parks, wo ein kleiner Kiosk war. Ich kaufte Getränke, trödelte ein wenig herum, immerhin war ich jetzt auf der anderen Seite und hielt nach Beomgyu Ausschau, der just in diesem Moment zu einer kleinen Bank in der Nähe rannte, wo ein Rucksack stand. Ich nutzte den günstigen Augenblick und schlenderte in seine Richtung.

„Hey ..."

Erst sah er nur auf, dann schob er das Cap höher und ich sah, wie seine Augenbrauen überrascht hochruckten. Aber er grinste, das war wohl ein gutes Zeichen.

„Hätte dich nicht für einen Skater gehalten."

„Tja, ich dich auch nicht", gab ich schmunzelnd zurück und drehte mich kurz nach den Rampen um. „Sah auf alle Fälle cool aus. Das ist also deine Welt, ja?"

Beomgyu nickte. „Hier werden Kämpfe anders ausgefochten", meinte er, griff sich eine Wasserflasche aus dem Rucksack und schloss ihn wieder. „Ich ...", damit wies er zurück auf die Gruppe von Leuten und nickte.

„Alles klar, wir sehen uns." Ich wusste nicht, ob das seine Freunde waren, oder nur Leute, die er hier traf und die ihn so akzeptierten, wie er war. Tatsache für mich war jedoch auch, dass ich da nicht dazu gehörte.

Als ich mich bereits umgedreht hatte, wurde ich allerdings nochmal aufgehalten.

„Hey, Yeonjun ..."

„Hm?"

„Danke ..." Er strich sich ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. „... für neulich."

Darauf wusste ich nichts zu sagen, also nickte ich nur, verabschiedete mich mit einem stillen Gruß und kehrte zu Taehyun zurück.

Der sah mich mit großen Augen an. „War das etwa Beomgyu, mit dem du gerade gesprochen hast? Der Kleine, den sie immer so fertigmachen?"

„Mmh", machte ich, reichte ihm eine Cola und setzte mich wieder. Ich mochte nicht darüber reden und schon gar nicht darüber, wie ich ihn letztes Mal gefunden hatte.

„Wer hätte das gedacht", murmelte Taehyun unterdessen neben mir. Beomgyu war jetzt wieder in der Halfpipe. „Der Kleine ist echt gut."

Ja. Das auch.

.ೃ࿐ ❤

Lover = LoserWhere stories live. Discover now