[In einem anderen Leben]

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In einem anderen Leben, dachte Crowley bei sich. In einem anderen Leben wäre der Engel bei ihm geblieben. Wäre nicht gegangen. Hätte ihn nicht mit dem Kopf voller Fragen zurück gelassen. In einer anderen Zeit- ganz bestimmt.
Oder nicht?

Die Gedanken verschwammen im Kopf des Dämonen, während die Reifen des Bentleys heiß liefen und mit 90 Meilen die Stunde durch Central London rasten. Es war dem rothaarigen egal. Zumindest was ihn selbst betraf.

Sollte er bei einem Zusammenstoß entkörpert werden, würde er nicht dagegen ankämpfen. Er würde es hinnehmen und den Rest der Ewigkeit schwebend in der Leere verbringen. Da wo alles still war. Wo er nichts fühlen müsste. Nichts von all dem Schmerz, der Enttäuschung oder dem widerlichen Schatten den der Verrat seines Freundes über ihn gelegt hatte. Nichts von alle dem.

Und überhaupt. Gefühle waren ihm immer fremd gewesen. Er konnte nie so empfinden wie die Menschen es taten. Für niemanden. Für nichts. Vor dem Engel zumindest.

Crowley war nicht anwesend genug um den Bentley zu steuern. Das Auto tat es von allein. Was wahrscheinlich der einzige Grund dafür war das der Dämon es noch nicht in einen blechernen Schutthaufen verwandelt hatte.

Der rothaarige hätte sie sich nie eingestanden, diese Gefühle.  Noch hätte er den Mut gehabt es auszusprechen. Er tat es nur weil er dachte den blonden zum bleiben bewegen zu können.
Doch selbst das war nicht genug.

Crowley war schutzlos. All die Mauern die er sich mühsam über die Jahrhunderte aufgebaut hatte. Einfach verpufft. Aziraphale hatte sie Stein für Stein wieder auseinander genommen. Schicht für Schicht bis nur noch sein reinster Kern übrig geblieben war. Sein Innerstes.
Langsam aber sicher hatte der Engel es geschafft den Dämonen weicher werden zu lassen. Fast etwas menschlich.

Nur um ihn schlussendlich im Stich zu lassen.

In Crowley brodelte es. All diese Emotionen brachen mit geballter Kraft auf ihn ein. Er trat mit voller Wucht auf die Bremse. Der Bentley gab nach. Quietschend kamen die Räder auf dem Asphalt zum stehen.

„MACHT DAS ES AUFHÖRT!!!"

Rief der Dämon verzweifelt. Er hielt das Lenkrad fest in beiden Händen und ließ nun langsam den Kopf darauf sinken. Das empörte Hupen der Autofahrer hinter ihm nahm Crowley nicht mehr wahr. Sein Kopf fühlte sich an als würde er explodieren. Ihm war heiß und trotzdem zitterte er am ganzen Körper. Er ließ sich zurück in den Sitz fallen. Seine Augen brannten. Aus lauter Frust warf er seine Brille auf den Beifahrersitz. Er sah dem Glas nach welches unsanft auf dem Leder gelandet war.

Es war der Platz des Engels. Er müsste dort sitzen. Die blonden Locken die im Fahrtwind wehen. Fröhlich lächelnd aus dem Fenster schauen. So wie er es immer getan hatte. Doch er tat es nicht. Er war nicht mehr da.

Ein Tropfen fiel auf die dämonischen Wangen. Crowley blickte verwirrt an den Himmel des Wagens. Doch von dort kamen sie nicht, die heißen Tropfen. Er ließ vom Lenkrad ab und berührte seine Wange mit seiner Hand. Es waren Tränen welche sich ihren Weg über sein Gesicht bahnten. Crowley weinte. Echte Tränen.

Der Bentley stieß einen traurigen Seufzer aus. Der rothaarige hob schwerfällig seine Brille wieder auf und schob sie zurück auf seine Nase.
Er legte eine Hand auf das Armaturenbrett des Autos welches ihn schon so lange begleitete.

„Er kommt nicht zurück... wenn er wollte wäre er hier."

Seufzte Crowley traurig und trat nun endlich wieder auf das Gaspedal. Das Hupen hinter ihm stoppte und auch der Stau welcher sich gebildet hatte lichtete sich wieder. Er nahm die nächste Ausfahrt in Richtung Altstadt.

Es gab nur einen Ausweg aus diesem Labyrinth von Schrecklichkeit. Er würde es beenden.

Ein für alle mal.

GoodOmens - in another lifeNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ