4. Kapitel

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„Emilia, komm zu mir. Es ist wirklich wichtig. Es werden schlimme Dinge passieren, die du nicht verstehst. Du musst lernen es zu kontrollieren oder es wird dich einholen!" Ihre Oma Hannah stand vor ihr und sagte all diese Worte, doch sie machten keinen Sinn. Nichts davon. Warum sollte sie nach einundzwanzig Jahren zu ihr kommen? Schließlich war sie bis jetzt problemlos ohne sie klargekommen. Und was für schlimme Dinge würden passieren? Was sollte sie kontrollieren? All diese Fragen wollte sie ihrer Oma stellen, doch sie konnte nicht sprechen. Es ging nicht. Es war, als wäre nicht sie diejenigen die diesen Traum kontrollierte.
Traum. Moment, nur ein Traum. Sie träumte.

Sie träumte. Sie schlug die Augen auf und wünschte sich im gleichen Moment, sie hätte es nicht getan. Emilias Kopf pochte höllisch, doch es war nicht das einzige Gefühl, was ihr Sorgen bereitete. Es war auch nicht die Verworrenheit ihrer Träume, denn auch wenn sie lange davor Ruhe gehabt hatte, kannte sie es. Es war nichts Neues und es würde wieder vorüber gehen.
Nein, was ihr wirkliche Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass ihr erster Gedanke Miles Young galt. Verfluchte Scheiße.

Sie hätte am liebsten in ihr Kissen geschrien, doch dann bemerkte sie Adrien, der zur Abwechslung Mal neben ihr liegen geblieben war, statt sich am frühen Morgen zu verkriechen. Es war normal in einer längeren Beziehung, wenn man auch mal jemand anderen attraktiv findet, oder? Wenn nicht die ganze Aufmerksamkeit nur auf seinem Partner liegt? Vielleicht war es einfach ein Zeichen dafür, dass sie mal wieder... ein wenig aktiver sein sollten. Schließlich war Adriens Zeitplan so vollgestopft, dass es in letzter Zeit gar nicht dazu kamen. Ja, wahrscheinlich war das die einfache Erklärung dafür, dass sie sich plötzlich zu Miles hingezogen fühlte. Denn er strahlte genau das aus, was in ihrer Beziehung zu kurz kam. Körperlichkeit. Da kam ihr eine Idee...

Nachdem sie eine Aspirin eingeworfen hatte, kramte sie in ihrer Kommode und fand nach kurzer Zeit, wonach sie gesucht hatte. Es war ein schwarzer Body aus dünner Spitze. Damals hatte sie ihn für ein Halloweenkostüm gekauft und ihn in Kombi mit einem schwarzen Minirock als Teufelchen getragen. Vielleicht nicht ihre stolzeste Zeit. Mit einem frechen Grinsen schnappte sie sich den dünnen Stoff und ging ins Bad, um sich ein wenig zurechtzumachen.

Nach einem Blick in den Spiegel, stellte sie fest, dass der Spitzenstoff ziemlich blickdurchlässig war, doch es störte sie nicht weiter, denn sie fühlte sich wohl. Ihre Haare fielen ihr glatt über die Schultern, sie war frisch geduscht und hatte ein ganz leichtes Make-up aufgetragen. Als sie zufrieden war, trat sie selbstbewusst wieder aus dem Bad, bereit ihre Beziehung wieder in Schwung zu bringen.
Nur um im nächsten Moment innezuhalten und nach Luft zu schnappen.

Miles stand vor der Tür und starrte sie an. Oberkörperfrei. Ihr Blick wanderte über seine zahlreichen Tattoos und sie zwang sich mit aller Macht, ihm ins Gesicht zu schauen. Wie immer, war seine Miene verschlossen, doch seine Augen waren eine Spur dunkler als sonst. Emilia öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was zur Hölle er hier verloren hatte, als er ihr seine Hand vor den Mund presste und sie zurück ins Bad schob. Mit dem Fuß schloss er die Tür hinter sich und Emilia nutzte den Moment, um ihm auf den Finger zu beißen. Und zwar nicht gerade sanft. Er stöhnte leise auf vor Schmerz und ließ von ihr ab.

„Spinnst du? Lass mich sofort raus hier! Was machst du in meiner Wohnung? Hast du mich gestalkt? Du...", fing sie an, doch wurde wie so häufig von Miles unterbrochen. Warum konnte er sie nicht einmal ausreden lassen? Sie hätte so schöne Beleidigungen für ihn finden können. „Ich habe bei Harper gepennt und wollte nur aufs Klo, okay? Entspann dich, Anna. Es dreht sich nicht alles nur um dich," zischte er und trat dabei einen Schritt auf sie zu. Sie einen zurück. „Oh," machte sie. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, denn als sie Miles plötzlich vor ihrem Bad stehen sah, waren ihre Gedanken völlig durchgedreht und sie hatte nur noch schwarz gesehen. Hätte sie sich mal etwas übergezogen, denn unter Miles lauerndem Blick fühlte sie sich mehr als unwohl. Aber nie im Leben hätte sie gedacht, jemand anderem als Harper zu begegnen. Und selbst das war unwahrscheinlich, denn sie schlief Sonntags immer länger. Tja, da hatte sie wohl falsch gedacht.

„Ja, oh. Und jetzt tu nicht so, als wärst du so überrascht... Du siehst nämlich sehr bereit für mich aus, Emilia." Die Art wie er ihren Namen mit diesem Akzent aussprach, jagte eine Gänsehaut über ihren Rücken. Über ihren ganzen Körper. Das war gar nicht gut. Sie musste sofort hier raus. „Ja genau, Miles. Ich habe mich nicht für meinen Freund, der im Bett auf mich wartet, fertig gemacht, sondern für den größten Fuckboy Kanadas, der zufällig pinkeln musste," versuchte sie so beherrscht wie möglich zu kontern und wollte sich an ihm vorbei schieben. Das Problem dabei war nur, dass Miles nicht gerade schmal und das Bad nicht gerade groß war.

Gerade als sie dachte, er würde ihr Platz machen, drehte er sich zu ihr um und drückte sie gegen die Tür. „Warum gibst du dir so eine Mühe für ihn? Gibt er dir nicht, was du brauchst?", flüsterte er in ihr Ohr und presste wie zur Bestätigung seiner Worte für den Bruchteil einer Sekunde seine Hüfte gegen ihre und sie schnappte nach Luft, als sie seine Erektion spürte.
Was. Zur. Hölle.

Sie kratzte ihr letztes bisschen Selbstbeherrschung zusammen. „Mh, da liegst du leider falsch, Adrien ist wirklich fantastisch. Deshalb muss ich jetzt auch leider los, er wartet nämlich schon." Mit diesen Worten schaffte sie es unter seinem Griff zu entkommen und durch die Tür zu verschwinden. Sie warf sich ihr langes Haar über die Schultern und drehte sich nicht nochmal um. Da sah sie Adrien, der gerade aus ihrem Zimmer kam.

„Morgen," flüsterte sie und zog ihn an sich, um ihn zu küssen. „Was...was hast du da an?", fragte er verwirrt. Sie grinste und beugte sich zu ihm vor. „Ich dachte, wir hätten vielleicht mal wieder ein bisschen Zeit für...uns." Adrien grinste schmutzig. „Oh Baby. Aber ich muss leider los, tut mir leid." Er strich ihr sanft übers Haar. „Auch nicht fünf Minuten?", fragte sie frustriert. „Auch nicht fünf Minuten," erwiderte Adrien und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, bevor er die Wohnung verließ. Sie seufzte frustriert auf und fragte sich, ob sie doch nicht so begehrenswert war, wie sie sich noch vor ein paar Augenblicken gefühlt hatte.

Als würde sie sich noch nicht beschissen genug fühlen, hörte sie Miles' dunkles Lachen hinter sich. „Ich wusste es." Ohne sich zu ihm umzudrehen, zeigte sie ihm nur den Mittelfinger, bevor sie in ihr Zimmer zurückging und diesmal ihren Wunsch frustriert ins Kissen zu schreien, in die Tat umsetzte. Was für ein beschissener Morgen. Das Vibrieren ihres Handys, das eine neue Mitteilung von Instagram ankündigte, holte sie zurück in die Realität. Ein neues Konto hatte ihr geschrieben.

miles.yng: brauchst du hilfe dadrinnen?
9:37

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uhm yeahhh🫣
what do u think:))

update on monday 🫶🏼🫶🏼

the other manWo Geschichten leben. Entdecke jetzt