Kapitel 3

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Theo

Ich wartete, bis Maja aus meinem Sichtfeld verschwunden war, erst dann stand ich auf und versuchte mein linkes Bein zu belasten. Auf keinen Fall wollte ich von ihr dabei beobachtet werden, wie ich zurück nach Hause humpelte. Niemand musste wissen, wie schlecht es um meine Gesundheit stand. Ich war unserem Trainerteam mehr als dankbar dafür, dass sie nach meinem Unfall keine Details an die Presse gegeben und mich in den letzten beiden Monaten von der Öffentlichkeit abgeschirmt hatten. Natürlich waren genug Menschen beim Spiel anwesend gewesen und hatten mitbekommen, wie ich, vor Schmerzen bewusstlos, von der Eisfläche transportiert wurde. Und natürlich war allen aufgefallen, dass ich seitdem nicht wieder aufgetaucht war und die meisten hatten ihre eigenen Schlüsse gezogen. Als Wyatt mich kurz nach dem Unfall im Krankenhaus besucht und mir strahlend erzählt hatte, dass die Scouts ihn weiter im Blick behalten wollten und auch Interesse an mir geäußert hatten, war der Schmerz in meinem Knie für einen Moment kaum zu spüren gewesen. Umso mehr hatte war die Diagnose der Ärzte drei Tage später geschmerzt. Mindestens sechs Monate, bis ich das Knie wieder normal nutzen konnte. 12 Monate, bevor ich wieder auf die Eisfläche durfte.

Mit vierzehn Jahren hatte ich gewusst, dass ich professionell Eishockey spielen wollte. Jede freie Minute hatte ich ins Training gesteckt, war öfter in der Eishalle gewesen als zuhause. Meine Mühen wurden belohnt. Während meines letzten Jahres an der Highschool waren die Scouts einiger Colleges auf mich zugekommen und hatten mir Stipendien angeboten. Aus akademischer und finanzieller Sicht hatte ich College nie in Betracht gezogen. Doch ich wusste natürlich, dass die meisten NHL Spieler während ihrer Spielzeit in der College-Liga entdeckt wurden. Meine Eltern, die mir einen College-Besuch niemals aus eigener Tasche hätten finanzieren können, waren ganz aus dem Häuschen. Von meinen Träumen, mein Geld mit Sport zu verdienen, waren sie nie wirklich überzeugt gewesen, doch sobald dieser Sport mir auch eine weiterführende Bildung ermöglichte, sah die Sache für sie anders aus.

Das erste Semester am College war die beste Zeit meines bisherigen Lebens gewesen. Ich fand schnell Anschluss, trainierte härter und effektiver als je zuvor und wurde immer besser. Schon bald wurden Gerüchte laut, nach denen Scouts von NHL Vereinen sich einige unserer Spiele ansehen wollten, da einige Spieler aus unserem Team ihre Aufmerksamkeit erregt hatten. Mein Traum schien langsam aber sicher zur Realität zu werden, meine Zukunft nahm Form an. Und dann war der Traum zerplatzt wie eine Seifenblase.

Ich hatte die Straße fast erreicht, als ich jemanden in den Feldweg einbiegen sah. Ich erkannte meinen Bruder sofort. „Hier steckst du also", sagte er, sobald ich in seiner Hörweite war. „Dad hatte schon Sorge, dass du dich seinetwegen überanstrengt hast."

„Mir geht's gut, ich bin fit", presste ich hervor und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie viel Mühe jeder einzelne Schritt mich kostete. Nate schnaubte. „Klar bist du das. Fit wie ein Turnschuh."

Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, bevor ich an ihm vorbeiging, weiter in Richtung Straße. „Haben sie dich jetzt ernsthaft geschickt, um nach mir zu suchen? Ich bin kein kleines Kind mehr."

„Nein, aber du bist verletzt und unfassbar wütend auf alles und jeden. Du hast dich drei Tage lang nicht aus deinem Bett bewegt, da kann es dich doch nicht wirklich wundern, wenn Mum und Dad sich Sorgen machen."

„Es wundert mich nicht, es nervt mich."

„Meinst du nicht, dass es besser und einfacher für uns alle wäre, wenn du mal in Ruhe über deine Gefühle sprichst, anstatt alles in dich reinzufressen und uns blöd anzumachen?", schlug Nate vor. Klar, ich wollte unbedingt über meine Gefühle sprechen, ich konnte mir nichts schöneres vorstellen.

„Wenn ihr mich einfach in Ruhe lasst, mach ich euch auch nicht blöd an", konterte ich. Unser Haus war endlich in meinem Sichtfeld aufgetaucht. Nur noch ein paar Schritte, dann hatte ich es geschafft und konnte zurück in mein Bett und die Welt ausblenden. Doch bevor ich die letzte Hürde, in Form der Stufen zur Veranda, nehmen konnte, legte Nate mir eine Hand auf die Schulter und hielt mich zurück. „Mum hat panische Angst, dass du dir etwas antust, Theo. Dein Unfall und die vielen Operationen haben sie echt fertig gemacht. Seit Monaten macht sie sich Sorgen um dich und dein Verhalten seit du hier angekommen bist, ist wirklich besorgniserregend, da gebe ich ihr absolut Recht."

FALLEN FROM GRACEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt