Kapitel Vier

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Aufgeregt ziehe ich meine Kapuze über, schiebe die fette Tasche unter meinen Mantel und puste die Kerze aus, die bis eben noch auf meinem Nachttisch gebrannt hatte. Dann öffne ich leise mein Fenster und schlüpfe in die kalte, dunkle Nacht. Selbst für Februar ist es wirklich eisig draußen, mit meiner freien Hand ziehe ich meinen Überwurf etwas fester.

Wann immer ich mich aus dem Anwesen schleiche, fühle ich mich ganz kribbelig. Fast ein bisschen wie eine Verbrecherin. Irgendwie aufregend. Vater und Kayo haben keine Ahnung was ich nachts so treibe, um diese Uhrzeit könnte ich mich kaum freier fühlen. Aber ich darf nie unvorsichtig werden, sonst ist das hier schneller vorbei, als es mir lieb wäre.

Im Dunkeln sieht der Ichizoku-Schrein besonders gruselig aus. Als Kind war ich nie gern hier gewesen, ich hatte jedes Mal angefangen zu weinen wenn die Onimasken, die draußen überall angebracht waren, nur in Sichtweite waren. Auch jetzt klackern sie bei jedem Windstoß aneinander, meine Gänsehaut kommt wohl nicht nur von der Kälte.

Unser Schrein ist eine kleine unauffällige Holzhütte, deren Dach jedoch wiederum so kunstvoll beschnitzt und bemalt wurde, dass man es zwischen den Bäumen gar nicht übersehen kann. Ich glaube die Hütte an sich war auch einmal so rot gewesen, die Farbe ist allerdings abgeblättert. Das muss lange vor meiner Zeit gewesen sein, dieser Schrein hier ist älter als Konoha selbst. Und mindestens genau so alt ist der Keller.

Irgendjemand muss all das vor mir schon einmal genutzt haben, und im Stillen danke ich dem Fremden jedes Mal wenn ich hier bin. Ganz hinten, linke Ecke und dann die zweite Tatamimatte nach vorn. Sie lässt sich ganz einfach lösen und momentan bin ich wohl die einzige, die davon weiß.

Dann muss man eine mit Moos bewachsene Holzplatte öffnen und schon blickt man in den dunkelsten und unheimlichsten Keller den man je gesehen hat.

Ich nehme mir eine der Kerzen von der Wand, schaue mich noch einmal um und steige dann die steinernen Stufen hinab. Wie immer ist es auch hier eiskalt und immer noch voller Spinnweben und voller Gerümpel von meinem Vorgänger. An jeder Wand gibt es mehrere überfüllte Regale, in der Mitte des Raumes einen großen, rechteckig geschliffenen Stein den ich als Tisch missbrauche. Viel Stehfläche bleibt nicht übrig, denn der Keller ist nicht viel größer als mein Zimmer. Stühle gibt es natürlich auch keine. Keine die heil sind zumindest.

Mit eiskalten Fingern stelle ich meine Umhängetasche auf die Steinplatte und krame dann nach den mitgebrachten Kerzen. Eine wird nicht reichen, dieses Kellergewölbe schluckt mehr Licht als Staub. Mit meiner Wandkerze entzünde ich die anderen, dann kommt der Rest. Der dicke Stapel an Papier, Schreibfedern und Tinte und vor allem: das Buch.

Ich fühle mich vielleicht wie eine Verbrecherin, aber ich bin keine. Tobirama Senju würde sein Buch zurück bekommen, wenn ich es abgeschrieben habe, und das so schnell wie möglich. Wie genau ich das anstelle, ist mir noch ein Rätsel, also baue ich ganz einfach darauf, dass mir in den nächsten Tagen noch etwas einfallen wird. Erst mal heißt es Schreiben. Schreiben bis morgen früh...

Es ist wieder einmal Mittags, als Kayo mich aus dem Bett wirft. Dieses Mal liege ich auch drin und nicht drunter. Trotzdem bekomme ich sofort ein Déjà-vu.

„Kannst du was für mich erledigen?", fragt sie mich während sie ungefragt meine Vorhänge aufreißt.

„Kommt drauf an.", murre ich, denn große Lust verspüre ich nicht gerade.

„Du hast es versprochen. Nach dem Geburtstag, weißt du noch?"

Natürlich erinnere ich mich. Die Tobirama Senju Sache, wie könnte ich das vergessen? Ich hatte versprochen ihr zu helfen zumindest einmal seine Aufmerksamkeit zu bekommen, damit Vater sie in Ruhe ließ. „Was genau soll ich denn erledigen? Treffen wir ihn? Soll ich mich absichtlich peinlich benehmen? Oder dumm? Oder beides, damit du neben ihm besser aussiehst? Ich kann beides."

Endlich sehe ich sie lachen. Das erste Mal seit Tagen. Das Leben in unserem Anwesen ist schon frustrierend genug, wir sollten uns das beide nicht angewöhnen.

„Du schon wieder, das hab ich gar nicht nötig." Wahr aber ich wollte es zumindest angeboten haben. „Könntest du eine Einladung für mich wegbringen? Ich habe gleich eine Anprobe, ich schaffe es sonst heute nicht."

Ich strecke fordernd die Hand aus und sie reicht mir die winzige grüne Schriftrolle.

„Das ist eine Einladung für den Hokagen.", stelle ich fachmännisch fest. „Bist du sicher, dass ich das machen sollte?" Auf keinen Fall darf ich allein auf Tobirama Senju treffen oder ich würde vor Scham sofort tot umfallen.

„Wieso?"

„Naja, du könntest mit ihm unter vier Augen reden, wenn du sie ihm übergibst. Das wäre doch ein Anfang. Und so wie du gerade aussiehst, haut es ihn sowieso direkt um da brauchst du meine Hilfe gar nicht."

„Ach sei still.", murmelt sie, während sie gleichzeitig an ihrem hübschen dunkelblauen Yukata zupft. „Ich kann ihn dir mal leihen.", fügt sie dann leise hinzu. Anscheinend habe ich Glück und sie ist nicht mehr allzu wütend auf mich, wegen der Sache mit der Hecke.

„Hmm, du solltest gehen. Ich kann gleich für dich zur Schneiderin und ihr sagen, dass sie eine halbe Stunde später kommen soll."

„Senjusama ist um diese Uhrzeit sicher nicht in seinem Anwesen. Du gehst einfach hin, gibst das hier bei seinen Hausmädchen ab und verschwindest."

„Ich treffe ihn also gar nicht?"

„Nein, keine Chance."

So ein Glück, ich könnte ihm jetzt wirklich nicht in die Augen sehen. „Okay, dann mach ich's. Dann kann ich mir auf dem Rückweg gleich etwas zu essen holen."

„Kommst du danach zur Anprobe? Du solltest dir für das Abendessen auch einen neuen Kimono schneidern lassen."

„Oh nein, muss ich dabei sein?"

„Hast du die Einladung nicht gerade eben gelesen? Uzumakisama und Familie lädt zum Essen ein, es wäre doch merkwürdig wenn nur Vater und ich dort sitzen würden."

Innerlich schüttelt es mich bei diesem Gedanken. Der Senju und Vater würden sich gegenseitig anschweigen und Kayo würde vermutlich einen Unterhaltungsversuch nach dem anderen starten nur um am Ende peinlich berührt auf den Tisch zu starren. Wäre nicht das erste Mal. Die brauchen mich unbedingt.

„Ich werd ab und zu was umschmeißen, versprochen."

„Aber nicht auf deinen neuen Kimono."

„Nein, natürlich nicht."

Wie ich aus Versehen viel zu früh einen Mann für mich fandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt