43. Kapitel Der Motivationsschub (Garnoks Sicht)

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"Anne, es wäre wirklich hilfreich, wenn du dich nicht wehren würdest. Ich versuche dein Gedächtnis wiederherzustellen." Ich sah Anne an. Auch sie sah mich an. In ihrem rechten Auge, das durch Pandoria gezeichnet war und ihrem hellbraunen, liefen Tränen heraus.
"Ich habe Angst, Garnok", erwiderte sie und wand ihren Blick ab.
"Das verstehe ich. Ich würde auch Angst haben." Meine Antwort ließ Anne wieder zu mir schauen.
"Wirklich?" In ihrer Stimme war Unglauben zu hören.
"Ja, Anne. Ich war in Andriks Gedächtnis und habe die Erinnerung auch an dich gesehen. Du bist immer eine starke Persönlichkeit gewesen. Andrik hat dies sehr geschätzt an dir. Mach es nicht für uns, sondern für sie."
"Kann ich Andrik sehen?" Ihre Frage war mehr eine Bitte als eine Frage.
"Ich gehe sie fragen", erwiderte ich und stand vom Stuhl, der neben ihrem Bett stand, auf und verließ ihren Raum. Ich klopfte an Andriks Patientenzimmer und öffnete sie.
Eine Vala und die Urahnin von Aurora sahen überrascht von Andrik auf. Sie schienen ihr gerade Verbände mit Kräutern um ihre Kristall bedeckten Gelenke zu legen.
Andrik sah mich mit ihrem freien Auge an.
"Anne würde dich gerne sehen, glaubst du, dass du das schaffst?"
Unter den vielen Kristallen, die auch ihr Gesicht bedeckten, konnte ich ein Zucken ihrer Mundwinkel erkennen. Sie zwinkerte mich zweimal an.
Die Vala und die Urahnin sahen mich fragend an.
"Die Soulriderin ist hier?" Die Urahnin von Aurora sah mich irritiert an. Ihre lila Augen sahen mich an.
"Ja. Ihr Gedächtnis ist fast nicht mehr vorhanden. Ich versuche, es wiederherzustellen. Sie wehrt sich aber. Ich glaube, wenn sie Andrik sieht, wird sie hoffentlich einlenken", erwiderte ich. "Verstehe, sollte sie vielleicht dann noch unsicher sein, würde ich sie gerne zu meinen Quellen bringen und es dort machen. Manchmal hilft ein Ortswechsel."

"Ich danke dir für das Angebot, Urahnin." Ich verließ den Raum wieder und ging zu Anne.

Sie saß schon auf dem Sprung. "Und?"
"Du kannst zu ihr, aber sei sachte mit ihr." Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, sprang Anne vom Bett und lief an mir vorbei.
Wie hatte Mortif sie beschrieben? Ach, ich erinnerte mich nicht mehr. Ich lief Anne hinterher, die im Türrahmen von Andriks Patientenzimmer wie zur Salzsäule erstarrt war. Sie schien geschockt.
Die Urahnin und die Vala sahen sie erwartungsvoll an. Würde Anne den Schritt wagen, zu Andrik zu gehen?
Ich legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter. Sie erschrak nicht einmal.

Eine gefühlte Ewigkeit sagte niemand etwas, bis Serac die Stille brach.
"Anne, geh zu ihr, sie wird müde." Sein Blick ging zu Anne.
Durch Anne ging ein Ruck und sie bewegte sich langsam auf Andrik zu. Sie lief an der Vala vorbei. Andriks sah sie mit ihrem einzigen Auge an.
"Es tut mir leid, Andrik, ich hätte mehr für dich kämpfen müssen." Annes Stimme zittert.
Andrik sah Anne müde an. Ihr Auge fiel immer öfter zu. Sie kämpfte wirklich, um wach zu bleiben.
"Was würdest du in meiner Situation machen?" Anne griff nach Andriks Hand, die voller Kristalle bedeckt war.
"Ich würde mir helfen lassen." Andriks Stimme erschrak uns alle. Sie schloss die Augen und schlief ein. Diese Art von Kommunikation hatte sie bis jetzt nie genutzt. Aber ich erkannte, warum sie es nicht nutzte. Es war für sie zu anstrengend.
Anne legte Andriks Hand auf die Decke.
Einen Moment lang blieb Annes Blick noch auf Andriks Gesicht, bis sie mich entschlossen ansah.
"Ich habe mich entschlossen. Ich möchte Andrik helfen. Mein Gedächtnis wird sehr wahrscheinlich der Schlüssel dafür sein."
Erleichterung durchflutete den Raum.

Anne und ich gingen zurück in ihr Patientenzimmer. Darko stand an der Wand gelehnt. Seine Augen waren geschlossen. Seine Magiesignatur sagte mir, dass er gerade mit jemandem über unsere Verbindung sprach. Es war anscheinend ein sehr tiefgründiges Gespräch, sonst hätte er nicht die Augen geschlossen.
Darko öffnete seine Augen.
Anne setzte sich auf das Patientenbett. In ihren Augen sah ich, wie ihre Entschlossenheit ins Wanken geriet. Sie erinnerte sich nicht an Darko. Vielleicht war es auch im Moment besser so.
"Ich habe mit Katja gerade gesprochen, sie wird vorbeikommen. Wir können schon einmal mit den Vorbereitungen beginnen." Darko sah erst mich und dann Anne an, die auf dem Bett immer unruhiger wurde.
Ich nickte.
Wir würden Anne nicht bei Bewusstsein versuchen, das Gedächtnis herzustellen. Sie würde sonst dabei zu sehr leiden. Deswegen war es von Anfang unser Plan gewesen, sie in einen tiefen Schlaf zu setzen. Darko würde ihr ein Schlafmittel geben, dies würde ihren Geist und ihren Körper in einen ruhigen Zustand versetzen. Somit würde sie nichts mehr mitbekommen.
"Ich hole das Schlafmittel." Darko nickte mir zu und verließ das Patientenzimmer.
"Schlafmittel?" Anne sah mich verwundert an.
Ich ging zu ihr und setzte mich auf den Stuhl, auf dem ich vorher schon gesessen hatte. "Wir werden dich in einen tiefen Schlaf versetzen. Du wirst, während wir deine Erinnerungen wiederherstellen, nichts mitbekommen. Es ist für dich besser so."
"Okay", antwortete sie.

Es klopfte an der Tür. Die Urahnin von Aurora öffnete diese. Annes Blick und der, der Urahnin begegneten sich. "Hallo Soulriderin. Da ist jemand, der dich gerne kennenlernen würde." Die Urahnin ging zur Seite und eine alte Frau mit hölzernem Gehstock kam herein. Diese Aura erkannte ich, es war dieselbe, die auch noch schwach von Anne ausging. Es war ihre Urahnin. Sie hatte grau-weißes Haar und ihr Körper war von dem Alter gezeichnet. Die braune Tunika, die sie trug, ließ sie gedrungen wirken.
Wieso war sie gealtert? Jeder, der Magie in sich trug, konnte nicht altern.
Ich stand auf.
"Hallo Nachfahrin."


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