Pulverschnee

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Winter

Der Rabe landetet auf einen Zweig über mir und ließ etwas von dem frischen Pulver schnell auf mich herabrieseln. Seit die Temperaturen letzte Nacht so tief gesunken waren, würde er auch nicht wieder verschwinden. Dennoch ließ ich mich nicht davon abhalten durch den Wald zu stampfen und einige Köpfe der sanft zugeschneiten Winterkrokusse zu sammeln, die ich in Kürze brauchen werde.
Mit Einbruch der Kälte, unerbittlichen Kälte, hier im Süden begann in meinem Heimatdorf auch die Grippe-Saison und ich hatte nicht vor, weitere Kinder an diese finstere Jahreszeit zu verlieren.
Meine Mutter hatte wohl recht: Ich nahm es zu persönlich, wenn jemand aus unserer kleinen Gemeinde eine Krankheit nicht überstand, aber dennoch fühlte ich mich stets wie eine Versagerin, wenn mir ein viel zu junger Dorfbewohner unter der Hand hinwegstarb. Besonders wenn ich diese selbst mit auf die Welt geholt hatte, was Mittlerweile auf jedes Kind unter fünf Jahren zutraf.
Fünf Jahre. Unfassbar. Solange schon war ich bei jeder Geburt in der Gemeinde dabei gewesen, hatte meiner alten und lahmenden Mutter assistiert und übernahm die Rolle der Hebamme seit fast zwei Jahren so gut wie allein. Die Knie meiner Mutter würden nie wieder so gut funktionieren wie früher und manchmal war es so schlimm, dass sie nicht einmal mehr das Haus der Schwangeren rechtzeitig erreichte. Doch sie hat mich gut ausgebildet und so übernahm ich diese Verpflichtung gerne. Diese und andere.
Ein frischer Wind erhob sich, als ich das kleine Feld zwischen den alten Tannen erreichte und sah, wie sich weitere kleine lilane Krokusse durch die weiche Schneeschicht schoben. Zum Glück schien es dieses Jahr davon mehr zu geben als sonst, bereits auf dem Weg hier herhatte ich welche sammeln können und so zog ich mir die Kapuze tiefer ins Gesicht und wischte mit meinen behandschuhten Händen sanft den Puderschnee beiseite, um die Knospen zu inspirieren.
Ich würde nicht alle nehmen, nur die bereits aufgebrochenen. Nur so viel, wie ich heute verarbeiten konnte und selbst von denen würde ich der Natur einige lassen, auf dass sie sich nächstes Jahr aufs Neue genau an dieser Stelle ausbreiten würden.
Gleichgewicht war wichtig beim Sammeln. Man durfte nur so viel nehmen wie die Erde erübrigen konnte, ansonsten versiegte die Quelle langfristig. Eine Weisheit, die nicht nur für das Sammeln von Kräutern galt, sondern auch bei der Jagd und jeden anderen Aspekt des Lebens. Ignorierte man das, endete es im Chaos und Leid.
Die Erde verdorrte, die Wälder und Tiere verschwanden und übrig bleiben würde eine Eiswüste, beraubt jeden Lebenswillen und dem letzten Tropfen Magie, wie die Gefilde der Hexenkönigin oben im Norden.
Ein sanftes Prickeln surrte durch meine Finger, als ich die weichen Blütenblätter berührte, es wärmte meine Haut und strömte in mich, um mir zu verraten, ob der Krokus bereit war von mir geerntet zu werden oder nicht. Er war es. Also zwickte ihn vorsichtig mit einem Fingernagel ab und legte ihn kopfüber zu den anderen. Die anderen Blüten dieser Pflanze würde ich ihr lassen.
Vor noch wenigen Jahren, als mir meine Mutter im Sammeln unterrichtete, hatten wir noch zwei oder mehr nehmen können, doch die Magie war schwach geworden. So schwach, dass die normalen Menschen sie gar nicht mehr wahrnehmen konnten und so oft zu vergessen schienen, dass sie überhaupt existierten. Eine Katastrophe für alle Länder der Ewigkeit.
Immer wieder kamen Flüchtlinge durch unser Dorf, die Geschichten von blutgetränkten Schneehügeln, vereisten, unfruchtbaren Feldern und leidenden Kreaturen aller Art mit sich brachten.
Im Norden, so hieß es, gab es kein Leben mehr. Die Hexenkönigin entzog jedem Stein, jedem Baum und jedem auch nur ansatzweise magisch begabten Lebewesen seine Macht. Nahm den Sterblichen damit gleichzeitig ihre Lebensgrundlage und sorgte für eine nie dagewesene Völkerwanderung. Sie alle zogen immer weiter in den Süden, durch die philosophische Meerenge, hinein in die ungewissen Länder der Andersheit. Wo die Schatten angeblich gnädig sind und zumindest die Magie begabten Aufnehmen.
Diese Geschichten wurden von Jahr zu Jahr immer schrecklicher und vor allem: Sie kamen näher. Es hatte mich beunruhigt zu hören, dass auch die Flüchtlinge auch bereits aus den Ländereien des Grabens kamen, wo die Städte an der großen Bergkette eigentlich vor der Macht der Hexenkönigin sicher sein sollten.
Wie es aussah, hatte man sich geirrt. Sehr.
Als mein Korb sich langsam füllte und ich mich vergewissert hatte genug Krokusse gesammelt zu haben, trat ich den Rückweg an.
Es war noch so früh am Morgen, dass die Sonne den Himmel noch immer in ein wunderschönes Rot tauchte und der eisblaue Mond noch immer deutlich am Horizont thronte.
Ein Rehkitz rauschte davon, als der Wind sich erneut erhob und es die Äste der mächtigen Nadelbäumer über mir ächzen ließ. Vielleicht hatte ich Glück und ein Ast würde sich lösen und frische Pinien oder ähnliches abwerfen. Es war schwer, an sie heranzukommen, ohne sie dem Baum mutwillig zu entreißen. Wenn die Bäume sie aber unter normalen Umständen abgeworfen, waren sie meist bereits zu trocken und aufgebrochen, damit sie ihre Samen auf dem Boden verteilen konnten.
Für mich machte sie das unbrauchbar. Doch sollte die Natur einen Ast abbrechen, konnte ich mich an den jungen Kienäpfeln bedienen, ohne das Gleichgewicht zu stören.
"Verflucht, du hast es vertrieben!" schimpfte eine Stimme plötzlich hinter mir und ich drehte mich etwas überrascht zu Larson um, der mit einer Armbrust noch immer das Rehkitz verfolgte, aber nicht abdrücken würde. Die Pfeile waren zu kostbar und Kitz zu weit weg, um auch nur einen Versuch zu unternehmen, es zu erlegen. Dennoch stellte ich mich zusätzlich genau in seine Schussbahn und verschränkte missbilligend die Arme vor meiner Brust.
"Es war nicht mal annähernd ausgewachsen, das hätte dir der Wald übel genommen!", entgegnete ich vorwurfsvoll und hörte sein genervtes Stöhnen noch bevor ich ganz ausgesprochen hatte und er endlich die Armbrust herunternahm.
"Dummer Aberglaube! Spätestens dann, wenn der Braten auf deinem Teller ist, Winter", erklärte er gelassen und befestigte das Jagdinstrument auf seinem Rücken.
Larson gehörte zu den eher ungestümen jungen Männern im Dorf und ich hatte schon immer meine Probleme mit ihm gehabt. Wie sein Vater auch, war er davon überzeugt, dass es so etwas wie Magie nicht gab, auch wenn er täglich mit dem Gegenteil konfrontiert wurde.
Es gab Menschen, die Verleugneten selbst das, was sich direkt vor ihren Augen abspielte, weil ihr verstand, zu beschränkt war, um mit der Wahrheit klarzukommen. So zumindest hatte es mir meine Mutter erklärt.
Mir wäre lieber gewesen, er würde sich damit einfach konsequent von allem magischen fernhalten. Inklusive mir. Aber zu meinem Leidwesen hatte Larson seit dem letzten Sommer scheinbar einen Narren an mir gefressen.
Ich war seit nun fast zwei Jahren im heiratsfähigen Alter und langsam bemerkte ich, wie sich die Männer um mich herum allgemein anders verhielten.
Ihre Blicke ruhten vermehrt auf meinen, vom Mieder abgeschnürten, Brüsten oder meiner Kehrseite. Ich war mir der Bedeutung durchaus bewusst. Ich wusste durch meine Arbeit ganz genau, wie Babys gemacht wurden und war bei weitem nicht so naiv wie andere unverheiratete Mädchen in meinem Alter. Doch das bedeutete nicht, dass ich dafür zur Verfügung stand.
Mein, mir vorbestimmter Weg war nicht der, einer Ehefrau und Mutter. Ich würde die Rolle als Heilerin des Dorfes übernehmen und sehr viel später heiraten als die anderen - wenn überhaupt. Und wenn es so weit war, würde ich keinen dahergelaufenen, ignoranten, halben Jungen ehelichen, sondern einen erwachsenen und ernsthaften Mann, der mit beiden Beinen im Leben stand. So wie meine Mutter es bei meinem Vater getan hatte.
"Die Lagerräume sind voll, Larson. Es besteht kein Bedarf zu jagen. Zudem kann ich mich nicht daran erinnern, dass der Bürgermeister dir das gestattet hätte. Du gehörst nicht zu den Jägern. Du bist Händler", erwiderte ich und meinte das alles andere als abfällig. Als Sohn eines Händlers, würde er wie jedes Kind hier irgendwann das tun, was seine Eltern getan hatte. Jeder hatte seine Rolle, jeder hatte seinen vorbestimmten Platz, so, dass alles im Gleichgewicht war.
"Mein Vater ist Händler, doch ich werde sicher nicht wie mein Vater werden", erwiderte er trotzig und holte zu mir auf.
"Ein ehrbarer Mann, den es an nichts mangelt?" fragte ich, weil ich wusste, dass es ihn ärgerte, und ich war gerade nicht um Stimmung freundlich zu sein. Ich habe Larson nie gemocht, aber dass er das Gleichgewicht in diesem Wald, hatte direkt stören wollen, ließ ihn noch tiefer in meiner Anerkennung sinken.
"Ein Stubenhocker, der ständig nur über Gewürze und Geld redet. Es gibt so viel Wichtigeres, oder nicht?", fragte er und glaubte damit offensichtlich Pluspunkte bei mir machen zu können. Er irrte sich.
Geld war ein notwendiges Übel in der Welt und sein Vater brachte Wohlstand in das Dorf. Versorgte uns mit all den Dingen, die wir selbst nicht herstellen konnten. Wichtige Dinge wie Roheisen für den Schmied, für Wägen und das Beschlagen von Pferden. Oder fehlende Zutaten gegen Krankheit und Leid. Larsons Vater war kein schlechter Mann und auch nicht gierig oder ähnliches.
Ich sollte Larson dafür tadeln, aber ich erwiderte nichts. Es würde sowieso nichts bringen. Also schritt weiter meinen Weg voran, ignorierte, wie er seine Kapuze zurückschlug und sich mit der schmalen Hand durch sein helles Haar fuhr. Er war hochgewachsen, schlank und mit seinen eher spärlichen Bartwuchs definitiv noch nicht ganz herangereift. Es war einzig und allein sein Lächeln, dass einige Mädchenherzen im Dort höher springen ließ, mit der Ausnahme von meinem und genau das schien das Problem zu sein. Ich zeigte kein Interesse und war deshalb interessant für ihn. Nur leider hatte ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.

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Hallo udn herzloich willkommen zu meiner neuen Geschichte^^

Für alle Gestaltwandler-Fans, die eher raue Männer aus dem hohen Norden und biestige Protagonistinnen mögen. 

Die Geschichte erhält abjetzt jeden Freitag ein Update und wie ihr das schon seit Jahren von mir gewohnt seid: ich bin zuverlässig war das angeht

LG

Raven of DarknessWhere stories live. Discover now