Lauf!

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Winter

Ich wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln, während der kalte Abendwind an meinem Rock zerrte und mich dazu zwang, die Arme fester, um meinem Körper zu schlingen. Es war verrückt ohne Mantel oder Umhang das Haus zu verlassen, aber ich würde dadrinnen keine Sekunde länger aushalten.
Ich hatte immer geglaubt, dass meine Eltern mir vertrauten, dass es keine Geheimnisse zwischen uns gab, aber die eiskalte Mauer des Schweigens, gegen die ich gestoßen war, als ich Antworten verlangt hatte, erschütterte mein Weltbild komplett.
Alles schreien und drohen hatte nichts gebracht.
Mein Vater hatte die Lippen aufeinander gepresst und meine Mutter stur weiter Tränke gemischt, während ich einfach dagestanden hatte, wie die größte Idiotin aller Zeiten. Ich liebte sie ehrlich, aber in diesem Moment hatte ich keinen von ihnen wiedererkannt.
Es hatte mir das Herz gebrochen und ein Urvertrauen in Stücke gerissen, von dem ich immer geglaubt hatte, es sei unerschütterlich.
Das Einzige, was ich zu ihrer Verteidigung anbringen konnte, war, dass sie nicht versucht hatten mich direkt zu belügen, dass sie nicht abgestritten hatten, von dem ich tief in mir wusste, dass es stimmte.
Rabenkind.
Scherge der Hexenkönigin.
Es rumorte in meinem Magen.
Stimmte das wirklich?
Ich wollte es nicht wahrhaben und hatte keine Ahnung was ich mit dieser Information anfangen sollte. War ich wirklich eine Gefahr für alle, die ich kannte? Alle die ich liebte. Erneut wurde mir bei dem Gedanken speiübel und ich beschleunigte meinen Schritt. Ich floh genauso wie ich hatte fliehen wollen als ich so plötzlich die Hütte verlassen hatte. Meine Mutter hatte, hatte mir noch nachgerufen, doch ich hatte meine Schritte Richtung Dorf nur weiter beschleunigt und irgendwann die brummige Stimme meines Vaters gehört, der meinte, dass sie mich gehen lassen solle, denn ich bräuchte die Zeit.
Zeit.
Ja. Ich brauchte Zeit. Doch Zeit würde mir keine der unendlich vielen Fragen beantworten, die gerade meinen Geist über vielen wie eine feindliche Streitmacht.
Was bedeutete es ein Rabenkind zu sein? Was bedeutete das für meine Zukunft, die Zukunft dieses Ortes. War ich böse? Würde ich leid über diese Welt bringen? Und wenn ja, was sollte ich tun? Gehen? Mich verstecken?
Würde die Hexenkönigin kommen und mich holen.
Der letzte Gedanke ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Die Hexenkönigin war das ultimative böse. ich hatte so viele Horrorgeschichten über sie gehört. Sie stahl Magie, erstickte sie und damit alles leben. Sie war der leibhaftige Tod.
Ja. Ich brauchte Zeit um mir zu überlegen, wie ich mich dagegen wappnen konnte einer ihrer Schergen zu werden.
Der beißende Wind auf meiner Wange, die Kälte die langsam immer tiefer in meine Knochen vordrang, das alles brauchte ich jetzt.
Würde ich meiner Heimat tatsächlich schaden? Meiner Familie? Mir selbst?
Ich hatte nie das Gefühl in meinem Leben gehabt, irgendetwas zu vermissen. Das ich nicht wusste, woher ich kam, war immer egal gewesen, denn schließlich hatte ich immer gewusst, wo ich hingehörte. Doch jetzt?
'Sie wird Euer Tod sein'
Angst packte mein Herz und rückte es schmerzhaft zusammen.
Ich wollte niemandes Tod sein, doch die Gewissheit, dass es so wahr, ließ meine Kehle rau und eng werden. Lächerlich.
Ich war nicht böse, hatte nie jemanden irgendetwas getan und liebte meine Eltern. Niemand konnte wissen, was ich in Zukunft tun oder nicht tun würde. Es war dumm sich so verrückt zu machen! Es waren nur Worte...nur Worte und diese Gewissheit in mir.
Ich hatte sie gehört und wusste, dass es so sein würde, ich hatte sie gehörte und WUSSTE es. Deswegen schmerzte mir die Brust, deswegen war ich weggelaufen, deswegen hatte ich solche Angst.
Als ich meinen Kopf hob, fand ich mich direkt vor dem Gasthaus wieder. Welches unheilige Band mich ausgerechnet hier hergezogen hatte, wussten nur die Götter selbst.
Es war laut auf der anderen Seite der Tür und das beständige Klopfen in meiner Schläfe, das vor ein paar Stunden angefangen hatte, löste sich langsam auf. Scheiße.
Ich hatte überall hingehen wollen. Überall. Nur nicht hier her.
Panisch registrierte ich, wie nahe ich diesen Männern gekommen war, von dem einer von ihnen mein Gefährte war und ich war gerade dabei panisch die Flucht zu ergreifen, als sich plötzlich die Tür öffnete und ... er da stand.
Er.
Verfluchter Mist!
Für eine Sekunde starrten wir uns beide an. Wobei ich mehr zum starren hatte als er, denn dieser Mann war groß. Sehr groß. Er war gezwungen den Kopf zu beugen, um durch die Tür zu passen und seine mächtigen Schultern waren fast so breit wie der Türrahmen selbst. Dickel Muskeln, gestählt von Krieg und Kampf wölbten sich an seinen Oberarmen, an seiner Brust und den Beinen, die in einer engen Lederhose steckten.
Sein Oberkörper war beunruhigend nackt. Nur ein breites Lederband zog sich über seine Brust und ich sah hinter seinen Rücken einen Doppelseitige Axt aufragen. Furcht durchfloss mich bei dem Gedanken, dass dieser Mann wirklich dazu in der Lage war, dieses mörderische Teil zu schwingen. Wahrscheinlich könnte er ein Pferd mit nur einen Hieb in zwei teilen.
Brutal, Roh, Barbarisch.
Als sich unsere Blicke nach der gegenseitigen Musterung wieder trafen und sich seine Nasenflügel bebten, spürte ich diesen Ruck durch meinen Körper, der mich dazu brachte einfach loszurennen.
Es war das dämlichste, was ich machen konnte. Das wusste ich. Hautwechsler waren Jäger. Jäger mir einem Jagd Instinkt. Doch mein Fluchtinstinkt war geweckt und so rannte ich von ihm davon, so schnell mich meine Füße trugen und einen kurzen finsteren Fluch später, hörte ich wie er mir folgte.
Scheiße. Scheiße, Scheiße!
Ich beschleunigte, sog Luft ein und stieß sie wieder aus. Raffte im Spurt meine Röcke um mich besser bewegen zu können, schlug einen Haken um ein Haus herum und stürzte kurz hinter den Brunnen in Richtung Wald.
Blut rauschte in meinen Ohren, Luft brannte in meinen Lungen wie Salz in einer offenen Wunde. Wenn ich es nur bis zum Wald schaffte, könnte ich mich durch das Dickicht kämpfen und verschwinden.
Er war groß und schwer, mein Vorteil war die Geschwindigkeit und...ein Schatten huschte an mir vorbei. So groß, mit Flügeln, dass ich kurz glaubte, es wäre nur einer der Raben, die mir auffällig oft folgten. Doch als dann vor mir ein Drachentier landete und mir den Weg abschnitt, stolperte ich zurück, taumelte, fiel und landete mit meinen Hintern auf den kalten Boden.
"Du bist schnell Rabenkind, aber nicht schnell genug", hörte ich hinter mir eine tiefe Stimme und ich sah, dass er näher kam. Wie gedacht war er langsam, wohl auch weil er diesem monströse Ding auf den Rücken aber seine Beine waren lang und hatten so mithalten können.
Mist Mist Mist.
Ich rappelte mich wieder auf, wollte in eine andere Richtung stürmen, doch da fegte ein Feuerschweif an mir vorbei und verhinderte es. Ich konnte gerade noch einen Schritt zurück machen damit mein Rock kein Feuer fing. Dieses Vieh!
Der Schnee war von den Stellen verschwunden, wo der Feueratem den Boden gestreut hatte und ich verkniff mir einen Fluch, wollte zu einer erneuten Flucht ansetzten, als sich eine Pranke um meinem Oberarm schloss.
Fest und unerbittlich, wie Ketten.
"Schluss!", donnerte die Stimme erneut voller Befehlsgewalt und dem absoluten Wissen, dass man ihr folge leistete.
Normalerweise.
Ich blickte zu ihm auf, musste meinen Kopf in den Nacken legen um seinen eiskalten, blauen Augen zu begegnen und ihn hasserfüllt anfauchen.
"Nimm die Finger von mir, Barbar!", fauchte ich und sein Blick wurde noch todbringender.
"Ganz sicher nicht, denn erst einmal wirst du mir sagen, welcher mieser Zauber das hier ist und ihn von mir lösen! Verfaulte oder nicht: Ich ziehe dir bei lebendigem Leib die Haut ab und schick sie deiner Königin zurück, wenn du es nicht tust!" knurrte er und wieder meldete sich mein Bauchgefühl.
Er sagte die Wahrheit, das Problem ist nur: Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete!

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Raven of DarknessWhere stories live. Discover now