Gefährte?

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Kapitel 2

Winter

"Wenn du ein Jäger sein willst, solltest du dich dringend mit den Regeln vertraut machen", hielt ich dagegen und versuchte ihn ansonsten zu ignorieren. Was hätte ich ihm auch sonst sagen sollen?
"Wenn dein Vater mich bei sich in die Lehre lassen würde, könnte ich das auch. Du hast keinen Bruder, es gibt nur dich. Wer soll ihm nachfolgen? Ich habe ein halbes dutzend an Geschwistern, Ich muss nicht tun, was mein alter Herr tut."
Da hatte er nicht unrecht und ich musste zugeben, dass es ihn sympathischer machte, dass er, im Gegensatz zu den meisten anderen, geflissentlich ignorierte, dass mein Vater im Grunde gar keine Kinder hatte.
Ich war nur das Bündel, das er weiter westlich, tief im Wald gefunden und dann als ihr eigenes Kind großgezogen hatten.
Das war kein Geheimnis, ich war mit dem Wissen meiner wahren Herkunft aufgewachsen, meine Eltern hatten mich nie belogen und ich habe irgendwann beschlossen, dass es eh keine Rolle spielte. Ich liebte sie und sie liebten mich.
Doch manchmal tat es dennoch weh, daran erinnert zu werden. Nicht, dass es je eine andere Chance gegeben hätte, es mir oder den Bewohnern des Ortes zu verheimlichen.
Ich sah meinen Eltern alles andere als ähnlich. Eigentlich ähnelte ich absolut niemandem hier. Während die meisten Dorfbewohner helle Haare und Augen hatten, war ich das genaue Gegenteil davon.
Mein langes schwarzes Haar war dunkler als jedes Ebenholz, was ich bis jetzt gesehen hatte und auch meine Augen schienen aus purer Finsternis geschaffen zu sein, sodass manche sich fragten, ob ich überhaupt Pupillen hatte. Zudem bedeckte ein goldener Schimmer meine Haut und war weit weg von dem perfekten Porzelanweis anderer Mädchen hier.
Ich ignorierte Larsons Einwand. Allein die Vorstellung, dass jemand wie er, ohne jeden Respekt für die Natur, ein Jäger wurde, war beunruhigend. Doch im Bezug auf die Nachfolge meines Vaters hatte er durchaus recht.
Zwar gingen einige Männer des Ortes regelmäßig nach ihren Pflichten in den Wald, um kleinere Tiere zu erbeuten, doch niemand jagte wie mein Vater. Seine Aufgabe war es zur richtigen Jahreszeit, die richtige Art von Wild zu erlegen und das Dorf damit ebenfalls zu ernähren. Doch das war nicht alles. Er erlegte Getier und ...anderes.
Leider waren Kräuter, Kienäpfel und Rehe nicht das Einzige, was in den unendlichen Nadelwäldern lebte. Wölfe und Bären kamen dem Dorf ab und an bedrohlich nahe und dann musste mein Vater darüber entscheiden, ob man es vertreiben oder doch besser töten sollte. Immer darauf bedacht, nicht aus Versehen einen Hautwechsler zu verletzen, dessen Sippe dann Rache fordern könnte. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass eine Siedlung der Menschen von ihnen zerfleischt würde.
Larson würde mit seiner Art zum Jagen wahrscheinlich innerhalb weniger Monate den Untergang des Dorfes heraufbeschwören. Leider machte mein Vater seit über dreißig Jahren diesbezüglich einen so guten Job, dass viele im Dorf vergessen zu haben schienen, was in den Wäldern lauerte. Die Magie, die meine Mutter ausführte und an der ich mich stets versuchte, war der einzig wirkliche Kontakt zu den Schrecken, die diese Welt noch bereithielt. Der relative Wohlstand des Ortes hatte viele blind dafür gemacht, was es uns tatsächlich kostete. Alles, was sie hörten, waren Geschichten und Mahnungen der Älteren.
Genau wie ich.
Ich zögerte Larson diesbezüglich zu belehren. Auch wenn diese Legenden für mich, dank meiner magischen Begabung, realer waren, so hatte auch ich dieses Dorf nie verlassen. Wie könnte ich es den Dorfbewohnern also übel nehmen?
Der Rabe über mir, der sein krätziges Lied so plötzlich ausstieß, dass ich zusammenzuckte, lenkte mich für einen Moment ab und ließ eine Feder direkt vor meine Füße fallen. Ich bückte mich und legte sie zu den Kredenzen in meinem Korb. Rabenfedern waren eigentlich nur für Verwünschungen zu gebrauchen, aber ich sammelte sie dennoch ein.
"Dich kann man wirklich mit nichts beeindrucken, oder? Egal was man tut, du gibst einem ständig das Gefühl, nicht gut genug zu sein", begann Larson dann plötzlich und ich warf einen Blick über meine Schulter. Blinzelte einmal.
Nein, beeindruckend war er nun wirklich nicht. Insbesondere jetzt, wo er die Lippen aufeinander presste und mich fast schon hasserfüllt anblickte. Wie ein kleiner Junge, der einen Wutanfall bekam, weil er nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die er wollte. Doch ich beschloss, die Kritik für mich zu behalten, als wir den Rand des Waldes erreichten. Es tat mir leid, dass er sich ungenügend fühlte, das hatte ich nie beabsichtigt. Doch ich empfand es auch als äußerst unfair, dass er sein Selbstwertgefühl ungefragt in meine Verantwortung übergab. Unfair gegenüber mir und auch gegenüber sich selbst.
"Halte dich bei der Jagd an ausgewachsene Tiere und an den Jahreszeiten bevor du einen Krieg heraufbeschwört oder den Wald aus dem Gleichgewicht bringst, von dem wir leben.", war alles was ich ihm sagte, bevor ich zum Abschied eine Hand hob und mich auf den Weg zur Hütte meiner Eltern machte.
"Warte!" Larson rannte an mir vorbei und stellte sich mir in den Weg. Nun wieder mit diesem charmanten Lächeln bewaffnet.
"Tanz mit mir zum Frühlingsfest", brachte er hervor und ich zog überrascht beide Augenbrauen zusammen.
Sich mit jemandem im Vorfeld zu einem Tanz auf dem Frühlingsfest zu verabreden, war von großer Bedeutung. Das taten für gewöhnlich nur Verliebte und wenn ich und Larson eines nicht waren, dann das.
"Ich denke, das würde falsche Vermutungen wecken", erklärte ich schnell und wollte an ihm vorbei, doch aufs neue stellte er sich mir in den Weg.
"Irgendwann musst auch du heiraten, so wie wir alle, und wenn du so lange wartest wie deine Mutter sind die Guten Männer bereits vergeben", hielt er dagegen und meine Stimmung sank tiefer. Er machte es mir wirklich schwer, freundlich zu bleiben.
"Meine Mutter hat mit meinem Vater einen guten Fang gemacht, würde ich sagen." Larson schnaubte.
"Sie hätte gar keinen gemacht, wenn die erste Frau deines Vaters nicht jung im Kindbett gestorben wäre. Er war Witwer. Welche arme Frau muss sterben, um für dich ihren Mann freizumachen?", fragte er so gehässig, dass ich wirklich, seit sehr vielen Monaten mal wieder, das Bedürfnis hatte, jemandem meinen Korb ins Gesicht zu schlagen.
Als ich das letzte Mal den Sohn des Bäckers ein Zahn abgebrochen hatte, war es hitzig geworden
Nicht dass er es nicht verdient hätte, denn meine Brüste hatten den Vergleich mit seinen Teigwaren sicher nicht verdient und eine aktive Überprüfung schon gar nicht. Er sollte seine Hände lieber bei seinen Broten lassen, sonst würde er noch alle seine Zähne verlieren.
"Ich denke, das ist mein Problem und nicht deines, Larson" erwiderte ich nun deutlich frostiger, wich ihm erneut aus und war dabei schneller als vorher.
Ich spürte, wie seine Finger die Haut an meinem Handgelenk streiften. Dann verschwand ich ohne ein weiteres Wort. Es hätte auch nicht mehr zu sagen gegeben.
Ich wollte nur noch nach Hause. Ich hatte keine Zeit für Gehässigkeiten.
Aus der Ferne sah ich, wie meine Eltern vor unserer Hütte standen. Sie beobachteten den anbrechenden Abend, die Hände ineinander verschränkt.
Ich lächelte, als ich zu ihnen aufschloss, doch keiner von beiden erwiderte es, ihr Blick blieb weiter auf den Anbrechenden Morgen oder besser: Das, was dieser mit sich brachte. Eine Gruppe schwerbewaffneter Männern, erreichten gerade unseren Ort, glitten zwar friedlich aber nicht wirklich freundlich zwischen die Häuser.
Das war dann wohl das Ende der Ignoranz einiger der Dorfbewohner hier, denn ich spürte bis in den letzten Winkel meines Körpers, dass der größte von diesen Fremden, unverwechselbar der Anführer, ein Hautwechsler war. Schlimmer. Ein Alpha, seiner Art. Ein Berserker und ... meine Handflächen prickelten, als ich die Magie darin surren hörte. Mein ...Gefährte?!

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In eigener Sache: Seraphin ist erschienen 🥰

Link dazu in meiner Bio. Ich freue mich wahnsinnig und hoffe dass ihr dabei seid. ich freue mich unfassbar auf euer Feedback ^^

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Raven of DarknessWhere stories live. Discover now