Teil 1

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Langsam öffneten sich meine Augen. Meine Glieder taten weh, was höchstwahrscheinlich daran lag, dass ich in der unbequemsten Position überhaupt im Auto eingeschlafen war. Gähnend fuhr ich mir durch die Haare und streckte mich, so gut es halt im Auto ging. Ich nahm meine Kopfhörer ab, nur um Mum mich rufen zu hören. Schätzchen? Leah?!" Ich zuckte kurz zusammen. Anscheinend hatte sie mich schon öfter gerufen. Mhm?" Oh Madame antwortet!" Mark verteidigte mich: Lass sie doch. Sie hat dir ja schließlich geantwortet." Ich sah Mum im Rückspiegel ihre Augen verdrehen: Jaja, auf jeden Fall sind wir gleich da, ok? Pack doch schon mal deine und Linus Sachen zusammen." Ich nickte nur und machte mich an die Arbeit. Ich sammelte so gut es ging, ein paar Spielzeuge von meinem Bruder ein und packte meine Sachen in meine Tasche. Keine 10 Minuten später kamen wir an. Mark stoppte den Wagen vor einem schönen weißen Haus. Es befand sich ein kleiner Balkon in Richtung Straße und es gab mehrere Fenster, was hieß, dass es drinnen schön hell sein würde. Ich mochte es jetzt schon mehr als in diesem engen Mehrfamilienhaus! Im Vorgarten waren kleine Sträucher mit Rosen und hinter dem Haus erkannte man dichten Wald. Ich grinste und nahm mir vor ihn in der nächsten Zeit irgendwann zu erkunden.

Ich zog mir meine Tasche über eine Schulter und knallte die Autotür hinter mir zu. Linus, der gerade noch auf Mums Arm geschlafen hatte, wachte auf und rieb sich seine Augen. Morgen Kleiner!" Ich wuschelte ihm durch seine Locken. Gut geschlafen?" Er nickte. Er würde noch schlafen, wenn du nicht so laut wärst." Ja, Mum. Sorry." Ich biss mir auf die Zunge um nicht mehr zu sagen. Er war halt ihr Liebling. Zusammen gingen wir rein. Das nötigste war schon eingerichtet. Küche, Wohnzimmer und ein paar Matratzen lagen in den einzelnen Zimmern. Ich schlenderte mit Linus durch das zweistöckige Haus. Mum und Mark holten unterdessen ein paar Kartons. "Ich will das Zimmer!!" verkündete Linus und verschwand in einem der Zimmer. Es war von innen komplett grün und der Boden bestand aus hellem Holz. Störrisch setzte sich Linus auf den Boden und verschränkte die Arme: "Meins." Ich musste bei dem Anblick grinsen und setzte mich neben ihn. "Okay. Gute Wahl. Es ist schön hier." Linus nickte, so dass seine Locken hin und her wippten. Es klopfte kurz und ich richtete meine Aufmerksamkeit zur Tür. Mum stand mit zwei Kisten in der Hand an der Tür: "Na? Gefällt es euch?" Anstatt zu antworten nahm ich ihr eine Kiste ab. Linus sprang fröhlich auf: "Jaaaa! Muuuum bekomm ich das Zimmer?!" Sie tat so als würde sie nachdenken. Klar würde sie Linus das Zimmer überlassen, schließlich war ihr und Marks Zimmer direkt nebenan. Ich bekam nicht mit wie er sich freute, denn ich war schon längst aus dem Zimmer raus. Die Kiste stellte ich auf dem Flur ab, schob sie an die Seite und ging weiter, schließlich hatte ich den Rest des Hauses noch nicht gesehen. Ich lief bis zum Ende des Flurs, bis zur letzten Tür. Langsam öffnete ich sie und anstatt einen Raum zu sehen, erstreckte sich vor mir eine Treppe. Mum war immer noch mit Linus beschäftigt, also lief ich die Treppe nach Oben.

Ich erreichte den Dachboden. Auf der rechten Seite erstreckte sich ein hellerer Raum. Die Decke hatte die Form des Dachs und am Ende des Raums war ein riesiges Fenster. Auf der linken Seite war noch eine Tür. So neugierig wie ich nun mal war öffnete ich die Tür, welche in einen kleineren Raum führte. Ein Badezimmer. Im Gegensatz zu dem Rest des Dachbodens war dieses schon von innen Tapeziert. Sonst war es mit weißen Möbeln und blauen Akzenten eingerichtet. Ich entdeckte sogar eine blaue Quietscheente auf einer Kommode und musste mir ein Grinsen verkneifen. Linus müsste sie sich nur ansehen und würde über sie herfallen. "Leah?! Bist du da Oben?!" hörte ich jemanden von unten schreien. "Ja, Mark!" antwortete ich und ging aus dem Badezimmer raus. Mum und Mark standen inzwischen auf der Treppe. "Schön hier Oben." meinte er und sah sich um. Ich starrte Mum an. Sie zog eine Augenbraue hoch: "Lass mich raten: Du willst hier oben wohnen?" Ich grinste und nickte: "Komm schon! Sonst würde das hier doch eh nicht genutzt werden!" "Leah..." stöhnte sie leicht genervt. Was habe ich denn jetzt bitte getan? "Ich weiß nicht so wirklich...Du könntest doch auch bei uns unten schlafen..." Ich verdrehte die Augen: "Ich bin nicht mehr zehn, Mum. Außerdem würde ich dann doch nur hier oben schlafen! Was ist daran denn so schlimm?" Mark lehnte sich an das Treppengelände: "Ich finde auch, dass das eine gute Idee ist. So hat Leah auch ihre eigene private Sphäre." Okay... So würde ich es zwar nicht ausdrücken aber wenigstens war er auf meiner Seite. Gespannt sah ich Mum an. "Na gut!" Ich viel ihr um den Hals: "Danke! Du weißt, dass ich dich lieb hab!" "Jajaja aber du weißt schon, dass wir hier dann einiges verändern müssten, ich meine diese Holzverkleidung sieht schrecklich aus." brummte sie. "Ich mag sie aber." entgegnete ich schnell. Und ich mochte sie wirklich. Nicht nur die Holzverkleidung, sondern einfach alles. Es war schlicht und einfach und zum Glück nicht so bunt. Ich bin einfach kein Typ für knallige und bunte Farben, also war das alles einfach perfekt für mich.

Da gerade Winterferien waren verbrachten wir die Zeit damit das Haus einzurichten. Mark hatte mir angeboten kleine Regale und einen Schrank für die schrägen Wände zu bauen und ich hatte das Angebot gerne angenommen. Immer noch besser als den Platz zu verschwenden. Sonst hatte ich von niemandem Hilfe angenommen. Ich wollte mein Zimmer alleine gestalten und da brauchte ich keine Mutter die mir ununterbrochen dazwischen quatschte. Inzwischen hatte ich schon ein Bett unter meinem Fenster. Ich hatte ein paar Kissen und eine Decke dazugelegt, damit es am Abend nicht so kalt wird. Das ist das Problem am Dachboden. Im Winter ist es zu kalt und im Sommer zu warm aber das nehme ich gerne in Kauf. Mark hatte die Regale und meinen Schrank aufgestellt und ich war gerade dabei einzuräumen. Meine CDs und meine Anlage stellte ich in eine Ecke und meine Bücher landeten in dem Regal neben meinem Kleiderschrank. Ich hatte mir von meinem Taschengeld einen weißen Flauschteppich und ein paar Sachen fürs Badezimmer gekauft. Glücklich setzte ich mich auf mein Bett und sah mir den Raum an. Ich hatte alles was ich eigentlich brauchte. Alles außer mein Klavier. Mum wollte es im alten Haus lassen, da es zu schwer wäre es zu transportieren und damit meinte ich in dem Haus, wo wir wohnten als sie Mark noch nicht gekannt hatte. Ich hab sie damals angeschrien und Dinge gesagt, von denen ich wusste, dass sie sie verletzen würden... Aber mir war dieses eine Instrument einfach zu wichtig. Ich hatte auf dem Klavier meine ersten Töne gespielt. Mum hatte mir dann immer gesagt wie sehr ich meinem Dad ähnelte. Anscheinend hatte er es geliebt Musik zu machen und es war beruhigend zu wissen ein kleines bisschen wie er zu sein.

Ich wollte das Klavier nicht in diesem leeren, verlassenen Haus lassen, einfach weil es das einzige war was ich noch von meinem Vater hatte.


When I hear you scream (pausiert)Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz