Kapitel 20

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Ich beobachtete Will, als er versuchte kleine Steine über das Wasser des Sees hüpfen zu lassen. Ich hatte ihm schon vor gefühlten zwei Minuten eine Frage gestellt, doch er schien nicht wirklich Lust zu haben diese zu beantworten. Den Typen musste man doch auch nicht verstehen. Erst fordert er mich dazu auf ihm Fragen zu stellen und jetzt? Jetzt hat er nichts Besseres zu tun als diese Steine über die Wasseroberfläche hüpfen zu lassen und ihnen mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck hinterher zu starren. Richtig melancholisch. Super. Hilft mir aber auch kein Stück weiter. "Okay, ich möchte dich ja wirklich nicht unterbrechen aber redest du heute noch mit mir?", meinte ich laut. Ehrlichgesagt war ich etwas überrascht. Ich war nicht unbedingt eine laute Person, welche vor Selbstbewusstsein und Sarkasmus nur so trotzte. Im Inneren definitiv, aber etwas laut auszusprechen passte eigentlich nicht zu mir. Schon wieder dieses Wort: Eigentlich.
(Notiz an mich: Streich das Wort aus deinem Wortschatz, Leah.) Höchstwahrscheinlich kam dieser ganze Selbstbewusstseinsschub von den letzen paar Tagen, in denen ich einfach nur viel zu viel Zeit mit Werwölfen verbracht hatte. Ich starrte auf Wills Hinterkopf. Keine Antwort. Mit verschränkten Armen sah ich ihn an bevor ich mich leicht verzweifelt auf den Boden setze. In einer Sekunde will er mir alles erzählen und in der anderen passiert genau das hier. Gerade als ich wieder etwas sagen wollte, drehte Will sich zu mir um. "Drei Fragen." Ich zog perplex eine Augenbraue hoch: "Warte was?" "Du und ich stellen uns abwechselnd jeweils drei Fragen.", erklärte er und sah mich an. "Was denkst du? Schließlich sollte ich ja auch ein paar Dinge über dich erfahren." Ich lachte leicht: "Was willst du denn bitte von mir wissen?" Will streckte mir seine Hand entgegen und zog mich nach oben: "Siehst du ja dann...Also? Deal?" Ich musterte ihn skeptisch. Einerseits hatte ich nicht wirklich Lust darauf Will sonst was über mich zu erzählen aber mir war auch klar, dass er die beste Quelle an Informationen war. Ich seufzte leise: "Okay. Deal."

"Leg los!", forderte er mich auf. Ich lief ein paar Schritte ans Ufer, dann sah ich ihn an und  wiederholte die Frage von vorhin: "Was genau ist an Werwölfen anders als an Menschen?" Will grinste und lief langsam auf mich zu: "Wir sind schneller, haben mehr Ausdauer und sind deutlich stärker als normale Menschen. Du weißt ja schon, dass wir uns in Wölfe verwandeln können." Ich dachte an den grauen Wolf der mir im Wald begegnet war. Quentin. "Besitz ihr dann auch den Geruchsinn und das Gehör der Wölfe?", fragte ich interessiert. Will nickte: "Wir besitzen beides auf eine gewisse Art und Weise schon ohne die Verwandlung, aber als Mensch sind unsere Fähigkeiten nicht ganz so ausgeprägt." Wir schlenderten langsam das Ufer des Sees entlang. "Außerdem kann man uns noch ganz gut an den Augen unterscheiden." Ich erschauderte leicht, als ich daran dachte, wie Marys Augen gelb aufgeleuchtet hatten. "Vergiss nicht das Knurren.", ergänzte ich nach kurzer Zeit und Will lachte. "Stimmt...Wann hast du das nochmal mitbekommen." "Als du versucht hast Quentin in der Schule umzubringen." Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Will's Grinsen nur noch breiter wurde. Ohne wirklich darüber nachzudenken schubste ich ihn leicht: "Hör auf zu grinsen! Das ist alles andere als witzig!" Will bewegte sich kein Stück und sah, immer noch blöd grinsend, auf mich runter: "Doch ist es und nur um das klarzustellen: Ich wollte ihn nicht umbringen, ich hab ihm nur gedroht." "Du wolltest ihn verletzten." "Vielleicht." Ich schnaubte und schüttelte den Kopf: "Du bist verdammt anstrengend." "Ach bitte, du liebst das doch."
Und in diesem Moment war ich wirklich so kurz davor ihn...ach keine Ahnung!
Wie konnte jemand nur so von sich selbst überzeugt sein?

"Warum bist du hergezogen?", fragte Will und gab mir ein paar Steine, bevor er wieder began welche in den See zu werfen. Wir waren offiziell an dem Punkt angekommen, vor dem mich ein wenig gefürchtet hatte. Wie schon einmal erwähnt: Ich hatte nie wirklich viele Freunde gehabt und deshalb auch nie viel über mich erzählen müssen. Mit Mary war es ja noch okay, aber dieser Moment war komplett anders. "Mein Stiefvater ist hierhin versetzt worden und so mussten meine Mum, mein Halbbruder und ich mit.", erzählte ich und versuchte es dabei so kurz wie möglich zu halten. Will zog eine Augenbraue hoch: "Das sind aber viele Informationen." Ich zuckte mit den Schultern: "Aber die haben deine Frage beantwortet." Ich holte aus und warf einen Stein in Richtung See. Wie schon ein paar Mal bevor, bemerkte ich Wills Blick auf mir. Ich warf noch ein paar Steine, bevor ich aufgab und ihn ansah: "Mein Bruder heißt Linus. Er ist noch klein, hat blonde Löckchen und es kommt einem vor, als wäre er hyperaktiv. In einer Sekunde spielt er ruhig in irgendeiner Ecke und in der nächsten rennt er mit einem Cape durch das ganze Haus. Mein Steifvater, Mark, ist eigentlich okay. Er geht alles ganz ruhig an und vermeidet es in Streitigkeiten zu geraten. Also das komplette Gegenteil von meiner Mutter. Sie versucht ruhig zu bleiben, regt sich aber dann meist über viele Sachen auf. Sie redet jedoch nicht darüber, aber ich erkenne es an ihrem Gesichtsausdruck." Will sah mich mit einem Blick an, den ich nicht wirklich deuten konnte. Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und warf den letzten Stein ins Wasser: "Genug Infos?"

When I hear you scream (pausiert)Where stories live. Discover now