42 - So wie alle sagen

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-Erens Sicht-

Levi hatte mir den Rücken zugewandt, als wir uns in das Bett gelegt hatten. Ihm ging es wirklich dreckig; noch nie hatte ich ihn so verletzt erlebt. Ich umarmte ihn von hinten und küsste seinen Nacken. Seine kurzen Haare kitzelten meine Nase, ich lächelte sanft.

,,Es ist doch nichts dabei, sich Pornos anzuschauen, Levi", begann ich und streichelte sein pechschwarzes Haar. Aber als ich seine Schulter berühren wollte, schlug er ohne zu zögern meine Hand weg. Ich runzelte meine Stirn. ,,Ich bin nicht Herr Smith, Levi." Er erwiderte nichts, sagte kein Wort, er schwieg.

Ich seufzte und drehte mich auf den Rücken. ,,Sag mir bitte nicht, dass du eifersüchtig bist, weil ich mir ein paar Filmchen angucke", sagte ich und hoffte so sehr, dass ihn das nicht interessierte. Ich wollte nämlich nicht, dass Mikasa Recht hatte - Levi sei eifersüchtig, wenn ihr Ehemann mit mir sprach und lachte. Levi schaue ihn mit einem seltsamen Blick an; hasserfüllt, eifersüchtig.

Ich hatte auf seinem Handy nicht wirklich Pornos angeschaut, ich hatte den Tab nur offen gelassen, um ihn zu testen. Um allen das Gegenteil zu beweisen - Mikasa, Marco, Armin, Jean, Reiner, Annie, Berthold... Um mir das Gegenteil zu beweisen.

,,Würdest du es etwa schön finden, wenn ich mir andere Männer anschauen würde? Wenn ich mich an ihnen aufgeilen würde?", hakte Levi nach. Was für eine Antwort wollte er hören? ,,Ich habe nie darüber nachgedacht", antwortete ich. Ich wusste, dass Levi nur Augen für mich hatte. Er wäre nicht in der Lage, andere Männer anzusprechen; er fühlte sich unwohl unter ihnen, er hasste Berührungen und hatte Angst davor, mit ihnen zu sprechen.

Selbst wenn er es gewollt hätte, er konnte es nicht.

,,Herr Smith hat mir heute mitgeteilt, dass du auf meiner Arbeit angerufen hast. Wolltest du wirklich von ihm wissen, ob ich jedes Mal auf der Arbeit erscheine?", fing Levi an, woraufhin ich inne hielt. Scheiße; ich hatte nicht daran gedacht, dass mein Anruf an Levi weitergegeben werden könnte. ,,Denkst du, ich gebe dir nur vor, Überstunden zu machen, um dir fremdgehen zu können?!"

Ich richtete mich etwas auf, das Bett quietschte, und ich blickte Levi an. Er starrte an die Wand.

,,Ich habe nie daran gezweifelt, dass du wo anders wärst - dass du mir fremdgehst. Ich weiß, dass du mir treu bist, Levi. Ich würde nie daran denken, dass es einen anderen Mann gebe, an dem du Interesse haben könntest", erklärte ich ihm. Er würde mir nicht fremdgehen. Niemals. Er wäre dazu nicht in der Lage.

,,Warum hast du dann angerufen? Glaubst du, ich hätte deinen besten Freund getötet, weil jeder deiner Freunde und Verwandten mich beschuldigt? Du traust mir einen Mord mehr zu als Jean, Eren", als Levi diese Worte über seine Lippen brachte, war es mir nicht möglich, ihm diese Tatsache, die mir selbst bewusst wurde, zu widersprechen.

Levi schlug die Bettdecke von seinem Körper, setzte sich auf und verschwand aus dem Zimmer.

,,Wo gehst du hin?", rief ich ihm hinterher. Als Levi nicht antwortete, stand ich auf und lief ihm nach. Als ich dann sah, dass er Barfuß vor der Kellertür stand, blieb ich mitten auf der Treppe stehen, die runter in den Flur führte. ,,Levi?"

,,Mach die Tür auf."

,,Was?"

,,Du sollst die Tür aufmachen!" Ich setzte mich langsam in Bewegung und ließ Levi dabei nicht aus den Augen. Meine Bewegungen waren nicht zögerlich sondern vorsichtig. Ich öffnete die Kellertür, hielt den Schlüssel fest in meiner Hand und ging die Treppe runter in den kalten, ekelhaften Kellerraum. Levi war dicht hinter mir - Ich erschrak, als die Tür mit einem lauten Knall zufiel.

Ich traute mich nicht, mich umzudrehen. Ich wollte mich gar nicht umdrehen.

,,Ich warte hier, du kannst suchen", hörte ich Levi sagen. Ich runzelte die Stirn und drehte mich dann doch zu ihm um. Er setzte sich auf die vorletzte Holzstufe und sah mich an. ,,Was?", brachte ich erneut über meine Lippen. ,,Vor ein paar Tagen hast du hier nach irgendetwas gesucht, nach Spuren, oder? Du wolltest wissen, ob ich etwas oder jemanden vor dir verstecke."

Ich schluckte.

,,Levi, ich-"

,,Du hast jedes Recht, zu glauben, dass ich Armin getötet habe. Von mir aus kannst du die Polizei um einen Durchsuchungsbefehl bitten. Und wenn du Angst davor hast, mit mir im selben Haus zu bleiben, dann kannst du zu Mikasa ziehen; sie hat dir ohnehin vorgeschlagen bei ihr zu bleiben - ohne mich."

Das Licht im Keller flackerte, ich blickte meinem Freund in die Augen und stellte mich direkt vor ihm. Dann beugte ich mich vor und küsste seine Lippen. Er erwiderte den Kuss nicht.

Ich lächelte sanft und setzte mich zu ihm, hielt seine Hand. Mein Herz schlug heftig gegen meine Brust, ich hatte nach wie vor Angst, aber das war in Ordnung.

Die Kälte ummantelte mich, der nasse Geruch von Stein lag in meiner Nase und Levis ruhige Hand lag in der meinen. Es war dunkel hier unten, das gelbe Licht flackerte und die Stufen, auf denen wir saßen, knarzten bei jeder Bewegung.

,,Ich habe mich nicht für meine alte Freundesgruppe, Mikasa oder Armin entschieden sondern für dich, Levi. Ich bin die letzte Person, die die Polizei auf dich hetzen würde wegen irgendwas, was andere über dich sagen", sagte ich und streichelte seinen Handrücken.

,,Es tut mir leid, Eren", hörte ich Levi irgendwann sagen. Seine Stimme brach. Dann erhob er sich von der Treppenstufe und stellte sich vor mich, nur damit ich wenige Sekunden später die hellen roten Spuren auf seiner Haut sah, die er mir entblößte. ,,I-Ich hatte mein Handy nicht, um dich anzurufen", sagte er dann, ,,Herr S-Smit hat..."

Ich starrte ihn schweigend an, fühlte in dem Moment, als ich begriff, dass mein Freund von seinem Chef vergewaltigt wurde, nichts. Ich fühlte mich noch nicht einmal schrecklich, obwohl er mich - wegen meiner Zweifel an ihm - nicht hatte anrufen können. Er war weiß Gott wie lange alleine mit diesem Mann gewesen.

Jedes Mal, als Levi mir gesagt hatte, dass Herr Smith ihn an der Schulter berührte und ihm näher kam, als ihm lieb war, hatte ich seine Worte runtergespielt, sie ignoriert. Jetzt war es zu spät. Viel zu spät.

,,Warum hast du dich nicht gewehrt?", fragte ich ihn.

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Only Mine [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now